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Max E. Ammann
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Standpunkt

Erinnerungen an Australien

14.03.2017 11:53
von  Max E. Ammann //

Im April 1978 war ich Gastbeobachter beim Parcoursbauerseminar in Warendorf, bei dem entscheidende Weichen für den künftigen Springsport gestellt wurden. Der Weltcup war noch in der Planungsphase: Im Mai 1978 sollte ich in Brüssel vor der Springkommission der FEI erscheinen und das Projekt erläutern und anschliessend, nach einem OK der Springkommission, auf Schloss Windsor den FEI-Präsidenten Prinz Philip treffen.

Unter den Teilnehmern beim Seminar war auch ein Australier namens Ted Dwyer. Ich hatte kurz zuvor sein Buch «Showjumping Down Under» gelesen, eine Geschichte des Spring­sports in Australien. Wir kamen ins Gespräch und redeten auch über die Weltcupplä­ne. Ted war interessiert und offerierte seine Hilfe. Er hatte in Australien Multifunktionen – Parcoursbau­er, Spring­richter, Organisator, Equipenchef und Mitarbeiter von Pferdesportzeitschriften. Bereits in der zweiten Weltcupsaison, 1979/80, gelang es Dwyer, in Australien eine Liga aufzubauen mit drei Prüfungen, darunter das prestigeträchtige Turnier in Sydneys Wentworth Park. Zwei Australier kamen zum zweiten Weltcupfinal von 1980 in Baltimore (USA): Mariane Gilchrist und John Fahey. In der dritten Weltcupsaison 1980/81 bestand die von Dwyer betreute «Pacific League» bereits aus acht Turnieren, 1981/82 waren es zwölf. Dwyer war unermüdlich: Er verhandelte mit den Turnieren, baute, richtete und organisierte den Transport der Pferde zum Weltcupfinal.

Alan Bond und Laurie Connell

1981 und 1983 flog ich nach Australien und besuchte beide Male den hochklassigen Anlass in Wentworth Park und die Landwirtschaftsshow in Dapto. Die Organisatoren von Wentworth Park waren gleichzeitig die Veranstalter des grossen Sydney Festival und luden zu ihrem Anlass europäische Spitzenreiter ein, die auf Leihpferden mitritten. Bei meinem zweit­en Besuch 1983 lernte ich einen am Pferdesport interessierten Entrepreneur aus Westaustralien kennen: Laurie Connell. Der damals 37-jährige bullige Connell – ein australischer Reiter nannte ihn den «Altmetallhändler» – war Geschäftspartner von Alan Bond, dem grössten Unternehmer Westaustraliens, mit einem Imperium von Immobilien, Brauereien, Diamantenminen, Zeitungen, TV-Stationen und Handelsfirmen. Bond wurde weltberühmt, als er 1983 mit der Yacht Australia II den seit 1851 ausgetrage­nen America’s Cup gewann. Es war die erste Niederlage der Amerikaner überhaupt in diesem damals prestigegeladenen Segelwettbewerb. 2003 und 2007 siegte der Schweizer Ernesto Ber­tarelli mit der Yacht Alinghi.
Alan Bond war auch am Pferdesport interessiert. Seine Tochter Susan war eine tüchtige Spring­rei­te­rin, die 1988 den Weltcupfinal in Göteborg bestritt. Bereits in Sydney im Januar 1983 war es offensichtlich: Bond und Connell wollten die Kontrolle über den australischen Springsport, vor allem über die Weltcupserie. Dwyer, der mit einem Mandat der FEI die «Pacific League» organisierte, war, so schien es, für die beiden Raider ein leichtes Opfer. Dwyer, Landwirt und Pferdezüchter, konnte, so wur­de es einmal formuliert, jede Katze (lies Person) gegen den Strich streicheln. So hatte Ted innerhalb der australischen Pferdesportführung (die Macht in Australien liegt bei den Bundesstaaten und den Disziplinen) viele Gegner. Diese, vor allem die Funktionäre von New South Wales (Sydney) und Victoria (Melbourne), verbündeten sich mit Bond und Connell, um Ted Dwyer loszuwerden. 1986 kam es zum Showdown. Ich war auf dem Weg zur Vielseitigkeits-WM in Gawler und machte Zwischenstation in Sydney. Dort traf ich in einer emotionell geladenen Sitzung auf ein Dutzend Dwyer-Gegner: die Führungskräf­te von New South Wales, Queensland, Victoria, Südaustralien und natürlich Westaustralien. Der Angriff wurde abgewehrt – Dwyer blieb Weltcupkoordinator bis zum Rücktritt 2000.
Bereits 1987 begannen die Probleme der beiden Westaustralier. Bei Sotheby’s in New York hatte Bond für 54 Millionen Dollar ein Bild von Vincent van Gogh, «Irises», ersteigert. Aber er konnte das Geld nicht aufbringen und heute hängt das Kunstwerk im Getty-Museum in Malibu. 1998, als sich Tochter Susan für den Weltcupfinal in Göteborg qualifizierte, kam Bond zum Turnier. Bei den segelbegeis­terten Schweden fühlte sich der America’s-Cup-Sieger wohl. Die Volvo-Leute wussten, was es dazu gebraucht hatte, denn AB Volvo hatte selbst zweimal versucht, die Trophäe zu gewinnen. 1992 musste die Firmengruppe von Bond bankrott erklären. Die Schulden betrugen neun Milliarden australische Dollar. 1997 wur­de er wegen Betrug zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Susan war einige Jahre mit dem amerikanischen Springreiter Armand Leone (heute Arzt) verheiratet. Sie starb 2000 an einer Überdosis. Bond selbst starb vor zwei Jahren. Laurie Connells Leben verlief ähnlich – seine Beziehung zum Pferdesport kam allerdings durch den Turf. Bereits 1975 wurde Connell wegen angeblichem «Ra­ce-Fixing» verwarnt – 1982 und 1992 war er in weitere Rennbahnskandale verwi­ckelt, bei denen sein Jockey zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Auf geschäftlicher Ebene begann er in den 80er-Jahren im Westen Australiens Firmen aufzukaufen, die er in der eigenen Bank Rothwells bündelte. Die Krise von 1987 zwang die Bank und so das ganze Firmengefüge in die Liquidation. Die Bankrottbilanz ergab Schul­den von 400 Millionen. Die Untersuchung führte 1994 zu einer Verurteilung Connells zu fünf Jahren Gefängnis. Er starb dort 1996.

Topstar Edwina Tops-Alexander

Nach diesem Intermezzo von 1983 bis 1988 wurde es im australischen Pferde­sport ruhiger. Es gelang auch, dem australischen Pferdesportverband grössere Kompetenzen über die selbstherrlichen Bundesstaatfürsten zu geben. Dwyer stellte Jahr für Jahr einen Weltcupkalender mit bis zu 18 Turnieren zusammen und bei fast jedem Final starteten ein bis zwei Australier. Jeff McVean 1986 als Siebter und Vicki Roycroft 1987 als Elfte holten in Dwyers Jahren die besten Platzierungen. Die erfolgreichste australische Springreiterin ist Edwina Alexander. In Australien gehörte sie zu den Jungtalenten, als sie anfangs der 2000er-Jahre nach Europa umzog. Sie schloss sich dem Stall Tops an, heiratete später Jan Tops und qualifizierte sich 2006 für den Pferdewechselfinal an der WM in Aachen. Seither ritt sie 2008, 2012 und 2016 für Australien bei den Olympischen Spielen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 10/2017)

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