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Max E. Ammann
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Standpunkt

Erinnerungen an einen Bundesratssohn

15.01.2019 09:41
von  Max E. Ammann //

Vor 28 Jahren, am 21. November 1990, starb im freiburgischen Düdingen der 80-jährige Pierre Musy. Im Schweizer Pferdesport war er bekannt als Olympiareiter von 1948 in der Military (Mannschaftsvierter) und als Equipenchef der Schweizer Springreiter von 1969 bis 1973.

Der Bundesratssohn Musy war aber viel mehr. In den 30er-Jahren war er einer der erfolgreichsten Schweizer Rennreiter (Champion 1935 und 1938), 1936 wurde Musy Olympiasieger im Viererbob. 1943 gewann er das Punktechampionat S und war damit Schweizer­meis­ter der Springreiter. Militärisch wurde er als Brigadier, also als Ein-Sterne-General, pensioniert. In den 50er-Jahren diente Musy als Mili­tär­attaché in Teheran und in verschiedenen europä­ischen Ländern. Von 1962 bis 1967 war er Chef der Nachrichtensektion der Generalstabsabteilung im EMD, also «Geheim­dienst­chef». Nach seinem Rücktritt wurde er Präsident des FC Fribourg.

Sohn von Bundesrat Jean-Marie Musy

Pierre Musy wurde am 25. August 1910 geboren. Sein Vater, Dr. iur. Jean-Marie Musy, war ein erfolg­reicher, aber auch nicht unumstrittener Politiker. Von 1919 bis 1934 sass Vater Musy für die damalige Katholisch-Konservative Partei (heute CVP) im Bundesrat. 1925 und 1930 war er Bundespräsident. Zuvor und danach war er Nationalrat – immer mit Spezialgebiet Finanzen, auf dem er Erfolge aufweisen konnte. Umstritten war Jean-Marie Musy wegen seiner politischen Haltung. Er war ein strammer Antikommunist und Anhänger einer autoritären Demokratie. Er unterhielt einige Beziehungen zum nationalsozialistischen Regi­me in Deutschland. Er gehörte 1936 zu den Gründermitgliedern des rechtsbürgerlichen Redressement National.

Rennfahrer Benoit und Anwalt Pierre

Einer seiner Söhne, Benoit, wurde professioneller Motorrad- und Autorennfahrer, der mit seiner Moto Guzzi mehrmals Motorrad-Schweizermeis­ter wurde. Er verunglückte 1956 tödlich, knapp 40-jährig, mit seinem Maserati in einem Autorennen in Frankreich.
Der ältere Sohn Pierre studierte Jurisprudenz an der Uni Bern. Nach seiner Promotion als Dr. iur. arbeitete er vorerst für eine Bank in Genf, dann trat er in den Dienst der Eidgenossenschaft. Militärisch war er unter anderem Kommandant des Dragonerschwadron 5 und später des motorisierten Dragonerregiments 1.
Seine diplomatische Karriere begann er 1951 als Militärattaché in Teheran, auf den Posten in Brüssel und Paris folgten. 1930 begann der 20-jährige Pierre Musy seine reit­sportliche Karriere, in Rennen und im Springen. 34 Jahre später hatte Pierre Musy seinen letzten Start in einem Veteranenspringen in Bern.

Erste Erfolge als Rennreiter

Seine ersten sportlichen Erfolge hatte er als Rennreiter. Als Kavallerieleutnant gewann Pierre Musy 1934 und 1935 zweimal das damals bedeutende Rennen für Offiziere in Hannover, den Preis der Nationen – 1934 auf Salam, 1935 auf Melnitz. 1935 und 1938 wurde Musy Schweizer Champion der Rennreiter.

Bob-Olympiasieger

1935 und 1936 kamen Pierre Musys Triumphe als Bobpilot. Mit Arnold Gartmann, Charles Bouvier und Joseph Beerli als Anschieber wurde er 1935 in Igls Vizewelt­meist­er und 1936 an den Olym-
pischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen Olympiasieger im Viererbob.

Schweizermeister im Springreiten

In den 40er-Jahren bestritt er als Hauptmann und als Major Springkonkurrenzen und Military­prüfungen. Als Springreiter gewann er 1943 das Punktechampionat S. Als Militaryreiter gehörte er bereits 1939 zur Schweizer Equipe, die beim ers­ten FEI-Military Championat in Turin (Vorgänger der heutigen Europameis­terschaften) in der Mannschaftswertung Zweite wurde. Bei dem zweiten FEI-Military-Championat, 1947 wieder in Turin, war Musy erneut dabei. Er gehörte zur Schweizer Siegesequipe in der Mannschaftswertung. Im Einzelklassement wurde Musy auf Pirat Zweiter hinter Alfred Blaser auf Sommartel. Dritter wurde Anton Bühler mit Amour-Amour. Blaser, Musy und Bühler bestritten im da­rauffolgenden Jahr die olympische Military in London. Allerdings nur Bühler mit seinem Turin-Pferd Amour-Amour. Blaser und Musy mussten auf ihre Reservepferde zu­rückgreifen: Blaser wurde mit Mahmud Elfter. Musy mit Französin 32. Zusammen mit Platz 19 für Bühler gab das im Mannschaftsklassement den vierten Platz, hinter den USA, Schweden und Mexiko, aber vor Grössen wie Frankreich, Italien und Grossbritannien.

Brigadier und Equipenchef

Nach seinen zehn Jahren als Militärattaché und sechs Jahren als Chef des Nachrichtendienstes wur­de der 1965 zum Brigadier beförderte Pierre Musy pensioniert. 1969 übernahm er von Eugen Steinmann das Amt des Equipenchefs der Schweizer Springreiter, das er bis 1973 ausübte. Während dieser Jahre begann die fast alljährliche Teilnah­me von Schweizer Spring­reitern beim CHIO in Aachen. Unvergesslich, wie der etwas beleibt gewordene Equipenchef meis­tens etwas verspätet an die Siegerehrungen des Nationenpreises hastete.
Musy starb am 21. November 1990 in Düdingen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 2/2019)

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