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Max E. Ammann
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Standpunkt

Erinnerungen an frühe Junioren-EM

30.01.2018 14:19
von  Max E. Ammann //

Die Einführung einer Junioren-Europameisterschaft im Springen durch die FEI bei der Generalversammlung 1951 gehört zu den kuriosesten Entscheiden in der bald 100-jährigen Geschichte der FEI. Eigentlich war es nur der Einfall eines nationalen Verbandes, der, ohne eigentliche Diskussion, gutgeheissen wurde, weil sich keiner der Delegierten gross dafür interessierte.

Diese Passivität hatte mit der Situation in der damaligen FEI zu tun. Präsident war der belgische Olympia­reiter von 1912, Baron de Trannoy, 71 Jahre alt. Der Generalsekretär, Georges Hector, der die FEI 30 Jahre lang autokratisch geführt hatte, war kurz zuvor krankheitshalber zurückgetreten, er starb wenige Monate später. Die GV musste somit einen neuen Generalsekretär wählen und gleichzeitig die FEI von Nizza, den Wohnort Hectors, zum Wohnort des neuen Generalsekretärs dislozieren. Der belgische Olympiareiter von 1920, Roger Moeremans d’Emaus, ebenfalls 71-jährig, wurde gewählt. Die FEI blieb dann in Brüssel bis 1979.

1952: erstmals Medaillen

Zögerlich gab die FEI der neuen Juniorenmeisterschaft den Namen «Ep­reuve Internationale Juniors». Zur EM wurde das Championat erst Jahre später. 1952 wurde im belgischen Ostende erstmals um FEI-Medaillen für 13- bis 18-jäh­rige Springreiter geritten. Die Kategorie Junge Reiter mit entsprechenden Championaten wur­de erst ab 1981 eingeführt. Wie unbemerkt die Einführung des Junioren-Spring­championats blieb, zeigte sich im Sommer 1952, als in Ostende im Rahmen des dortigen CSIO die erste «Junioren-EM» der Springreiter ausgetragen wur­de. Es gab nur eine Mannschaftswertung – ein Einzelchampionat wurde erst ab 1959 eingeführt. Nur zwei Nationen nahmen teil: Gastgeber Belgien und Italien. Belgien gewann, mit im Team eine Reiterin und ein Reiter, Françoise Vanderhaegen und Georges Hernalsteens, die später weitere internationale Erfolge errangen. 1953 in Rom waren es bereits vier Nationen, 1954 in Bilbao deren sechs. Zur italienischen Equipe gehörte bereits 1952 der damals 15-jährige Graziano Mancinelli, der dann 1954 zur Siegermannschaft ge­hörte. 1963 wurde Mancinelli Europameister bei der Elite, 1972 Olympiasieger.

Von den Junioren zur Elite

1956 erlebte man im deutschen Team zwei Junioren, die ihrerseits später zur internationalen Grös­se kamen: Alwin Schocke­möhle – 1976 Olympiasieger – und Hermann Schridde – Olympiazweiter 1964. Seither tauchen immer wieder Namen in den Junioren-Medaillen­lis­ten auf, die später zu den Grossen bei der Elite gehörten. So die Italiener Giuseppe Ravano und Stefano Angioni 1957 in der italienischen Silbermedaillenequipe oder Janou Lefèbvre in der französischen Silber­equipe von 1959. Im gleichen Jahr ritten Jan Kowalczyk und Anton Pacynski in der viertplatzierten polni­schen Equi­pe. 1960 gewann Liz Broome (heute Edgar) Mannschaftsgold, 1962 und 1963 war es Marion Coakes. Bei der EM von 1963 in Rotterdam sah man weiter Hendrik Snoek und Karsten Huck bei den zweitplatzierten Deutsch­en und den späteren Mi­nis­terpräsidenten Laurent Fabius bei den drittplatzierten Franzosen. Ann Moore, Olympiazweite von 1972 in München, hatte mit der britischen Equipe 1965, 1967 und 1968 dreimal Teamgold bei den Junioren gewonnen. Einzel­europa­meisterin war sie 1968 geworden – im Jahr zuvor siegte der heutige Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung Breido Graf zu Rantzau. In jenem Jahr hatten Gilles Bertran de Balanda und Jean-Marc Nicolas ihre erste Junioren-EM für Frankreich bestritten, gleich mit Mannschaftssilber. Zu erwähnen noch die einmalige Teilnahme 1958 einer Equipe aus Südafrika: Tony Lewis, George Myburg und Gonda Butters (heute Betrix) wurden Zweite hinter den Briten.

Schweizer EM-Gold 1969

Die Schweizer blieben der Junioren-EM zuerst fern. Als sie schliesslich mitmachten, gehörten sie bald zu den Besten. 1969 in Dinard wurde das Quartett Brigitte Nater, Jürg Notz, Jürg Röthlisberger und Charles Grandjean Europa­meis­ter. Die nächste EM, die 19., wurde 1970 in St. Moritz ausgetragen. Sie ergab den Sensationssieg des 15-jährigen Markus Fuchs auf Famos. 1972 im irischen Cork gewann Jürg Notz auf Sheriff und 1973 in Antwerpen kam es zum zweiten Schweizer Sieg in der Mannschaftsprüfung, diesmal mit Dieter Frauenfelder, Dieter Hauser, Markus und Thomas Fuchs. So kam es 1974 zur zweiten EM in der Schweiz, auf der Hausermatte am See in Luzern. In den Jahren zuvor hatten, neben den erwähnten Schweizern, unter anderem Marion Snoek (1971) und Debbie Johnsey (1973) die Einzeltitel geholt und in den Starterfeldern erkennt man bekannte Namen wie Kurt Mäder (1970 in St. Moritz mit Markus Fuchs, Jürg Notz und Charles Grandjean Silber mit der Mannschaft). Weiter Paul Darragh (Teamgold 1971) und Eva van Paesschen und Ferdi Tyteca als Sieger von 1972. Die zweitplatzierte niederländische Equipe 1971 in Cork umfasste gar ein Prominentenquartett: Emi­le Hendrix, Franke Sloot­haak, Henk Nooren und Rob Ehrens. 1973 ritten Kurt Gravemeier und Norbert Koof in der deutschen Equipe (Teambronze).

Österreich überrascht in Luzern

Dann kam die 23. EM in Luzern. Die Junioren logierten im Hotel Tivoli, schräg gegenüber der Hausermatte. Eines Abends sah ich, nebenei­nander auf einer Bank sitzend, zwei der jungen Iren, eher unzufrieden aussehend. Der Junge stellte sich als Conor Haughey vor, Sohn eines prominenten Politikers, der später, von 1979 bis 1982, dreimal Ministerpräsident Irlands mit vielen Nebengeräuschen wurde. Das Mäd­chen neben ihm hiess Margie Lowry, Tochter des geachteten «Lord Chief Jus­tice» von Nordirland Robert Lowry. Der obers­te Richter, der mehrere Attentate auf sein Leben überlebte, wurde später bis zu seinen Tod 1999 Mitglied des FEI-Bureaus. Ihr Mannschaftskamerad James Kernan, Sohn eines prominenten Pferdehändlers, wurde Einzeleuropa­meister. Dies auch als Illus­tration, dass der Pferde­sport in allen Gesellschaftsschichten sei­ne Ursprünge hat. Überraschungssieger in Luzern in der Mannschaftsprüfung wurde Österreich, das die Jahre zuvor als beste Resultate Elfte und Zwölfte aufzuweisen hatte. Das Quartett Ott, Nairz, Blum und Göbel erregte später kaum mehr Aufmerksamkeit. Den erfreulichsten Anblick auf der Hausermatte boten die fünf hübschen belgischen Reiterinnen Marlene Martens, Veronique Daems Vastapane, Hilde Goris, Lut Ausloos und Debruyker. Im darauffolgenden Jahr, bei der Junioren-EM im vorarlbergischen Dornbirn, gewannen die gleichen jungen Damen den EM-Titel. Hilde Goris ist heute die Ehefrau von Emile Hendrix, Veronique Vastapane war mit Michael Whitaker verheiratet.

Skelton, Navet und McNaught

In Dornbirn 1975 wurde der damals 18-jährige Nick Skelton mit Everest OK Europameister. 1977 wurde die Junioren-EM der Springreiter zum dritten Mal in der Schweiz ausgetragen: in La Tour-de-Peilz am Genfersee. Der Franzose Eric Navet – 1990 Weltmeister im Pferdewechselfinal von Stockholm – wurde Junioren­Europameister. Die Briten, mit Jean Germany und den beiden Söhnen von Harvey Smith, Robert und Steven, gewannen Mannschaftsgold. In den Jahren seither wurden weitere Europa­meister­schaften in der Schweiz ausgetragen, so 1981 in Aarau (mit der Schweizer-Britin Lesley McNaught als Einzelsiegerin), Münch­wilen (1999) und Schaffhausen (2005).

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 4/2018)

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