Suche
Max E. Ammann
Previous Next
Standpunkt

Erst vor drei Jahrzehnten: Profis erlaubt

12.02.2019 08:22
von  Max E. Ammann //

Erst nach den Olympischen Spielen von 1988 in Seoul fasste das Internationale Olympische Komitee den Entschluss, alle Berufssportler zu den Olympischen Spielen zuzulassen – unter der Voraussetzung, dass die internationalen Dachverbände, wie im Falle des Pferdesportes die FEI, damit einverstanden waren. Dieser IOC-Entscheid beendete eine fast 100-jährige Farce um die Amateurfrage, eine Ausei­nandersetzung, die nicht nur bitter und böse geführt wurde, sondern die auch viel Ungerechtigkeit und Kontroverse in den internationalen Sport brachte.

Zwei Sportführer standen am Anfang und am Ende der 100-jährigen Pro-Amateur-Kontroverse: Pierre de Coubertin, der Begründer von 1896 der modernen Olympischen Spiele, und Avery Brundage, der IOC-Präsident von 1952 bis 1972. Dem französischen Baron kann man in der Retrospektive hehre Gründe für seinen Glauben an den reinen Amateurismus zubilligen: Der Sport in seinen Anfängen um die Jahrhundertwende war ein Gentleman-Sport, basierend auf dem lateinischen Sprichwort «Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper».
Aber Brundage, der US-amerikanische IOC-Präsident von den Olympischen Spielen 1952 bis zu denen von 1972, war ein sturer, uneinsichtiger, unnachgiebiger und diktatorischer Verfechter des Amateurismus. Brundage weh­r­te sich gegen jegliche Kommerzialisierung der Olympischen Spiele, selbst als seine Ansichten immer weniger mit den Realitäten des modernen Sports übereinstimmten. Sein Nachfolger im Amt, Lord Killanin (IOC-Präsident von 1972 bis 1980), konziliant und pragmatisch, öffnete die Schleusen. Juan Antonio Samaranch, IOC Präsident von 1980 bis 2001, schaffte die Amateursportlerregelung ab und liess die Profis zu den Wettkämpfen zu. Dass der Spanier nicht nur die­se Pro-Amateur-Schranke beseitigte, sondern die Olympischen Spie­le in einem Masse kommerzialisierte, dass Korruption unvermeidlich wur­de, relativiert diese Verdienste.

Jim Thorpe und Louis Degallier

Das erste Opfer der fast 100-jährigen «Nur Amateure in den Olympischen Spielen»-Regel war der Amerikaner Jim Thorpe,       der 1912 sowohl den Fünfkampf wie den Zehnkampf gewonnen hatte, heute etwas Undenkbares. Weil Thorpe zu Hause in den USA für wenig Geld in einer semiprofessionellen Baseballliga gespielt und Geld erhalten hatte, wurde er disqualifiziert. Erst 1983, 30 Jahre nach seinem Tod, wurde Thorpe rehabilitiert.
1936 wurde die Schweiz betroffen. An den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen durften einige Schweizer Skifahrer nicht teilnehmen, weil sie im Winter als Skilehrer tätig waren. Einige Monate später muss­te der zu jener Zeit erfolgreichste Schweizer Spring­reiter, Louis Degallier, auf einen Start bei den Sommerspielen in Berlin verzichten: Degallier war damals noch Miliz­offizier und beruflich als Reitlehrer tätig. Als er im gleichen Jahr als Reitlehrer ins Depot eintrat, hätte er, nun Berufsoffizier, die Olympiaqualifikation gehabt.

Paavo Nurmi und Karl Schranz

1932 war der grosse Paavo Nurmi, der mehrfache finnische Olympiasieger (neunmal Gold), von den Spielen in Los Angeles ausgeschlossen worden, weil er angeblich finanzielle Entschädigung angenommen habe. 1972, in Brundages letztem Jahr als IOC-Präsident, wurde der österreichische Skifahrer Karl Schanz wegen Werbeaktivitäten vom IOC nicht zu den Winterspielen in Sapporo zugelassen. Dies geschah in einer Zeit, als die ganze westliche Sportwelt davon überzeugt war, dass die olympischen Sportler des Ostblocks, vor allem die Sow­jetrussen und die Ostdeutschen der DDR, als Staats­amateure fest besoldete Sportler waren.

Keine Pelzmäntel mehr

Die FEI und der Pferdesport, seit dem Dressurrichterskandal von 1956 in einer defensiven Haltung gegenüber dem IOC, versuchte mit dem Pro-Amateur-Problem fertigzuwerden. Die Aversion von Brundage gegen die Reiterei trug zum defensiven Handeln der FEI bei. 1964 hatte Brundage zum Beispiel verfügt, dass die drei Erstplatzierten der Mannschaftswertungen nur noch eine Medaille pro Team erhalten sollten. 1966 setzte die FEI eine Kommission ein, die vorschlug, dass keine Autos mehr als Siegespreis gegeben werden dürfen und keine Pelzmäntel für die Amazonen.

Stars blieben zu Hause

1974 versuchte der FEI-Präsident, Prinz Philip, eine Lösung auf seine radikale Art. Er forderte die Landesverbände auf, die Reiter, die mit den Pferden Geld verdienten – als Reitlehrer, Händler und/oder Reiter – zu Profis zu erklären. Nur die Briten und Iren folgten dem FEI-Präsidenten und wurden damit bestraft, dass bei den folgenden OS/WM/EM nur Amateure für Grossbritannien und Irland reiten durften. Die Broome, Smith und Co. blieben zu Hause. Gleichzeitig schlug die FEI eine Zweiteilung der Championate vor: sowohl WM für die Amateure wie WM für die Profis. Eine Profi-WM sollte es in den ungeraden Jahren geben, eine Amateur-WM in den geraden Jahren zwischen den Olympischen Spielen. Dazu sollte es EM geben, abwechselnd solche für Amateure und Offene für Amateure und Profis zusammen. Hans Britschgi, damals Vizepräsident der AC des SVP, nahm in einem Positionspapier pointiert Stellung gegen diese FEI-Pläne, die dann, von der Entwicklung überrollt, nur rudimentär durchgeführt wurden. Britschgis Schluss­folgerung war: «Er sehe den objektiven Leistungsvergleich nur, wenn sich an Olympischen Spielen und Championaten Profis mit Amateuren gemeinsam messen.» So ist es heute und man wundert sich, dass man all die Kämpfe «Profi – Amateur» vor 50 Jahren erleben musste.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 6/2019)

[...zurück]