Am zweiten Oktoberwochenende fand in Barcelona der Nationenpreis-Final statt. Die Schweiz hatte sich nicht qualifiziert und so existierte er in den Schweizer Medien kaum. Selbst der «Tagesanzeiger», der mit Rolf Gfeller einen am Pferdesport interessierten Redaktor hat, ignorierte die Wettkämpfe in Barcelona. Erst die «PferdeWoche», drei Tage später, informierte über das Geschehen. Dass das Schweizer Fernsehen sich ohne Schweizer Beteiligung nicht interessierte, war zu erwarten. SRF hatte einige Wochen zuvor, bei den Weltreiterspielen in der Normandie, die in Caen anwesende Kommentatorin in Ruhestellung gelassen, als sich die Schweiz nicht für den zweiten Nationenpreis-Umgang qualifiziert hatte.
Bei diesem medialen Desinteresse muss man sich natürlich fragen, ob dies eventuell berechtigt ist. Dabei geht es nicht um den generellen Stellenwert des Springsports, sondern nur, ob das seit 2013 gültige Neu-Format für Nationenpreise überhaupt eine grössere Aufmerksamkeit verdient? Eine abgekürzte Antwort kann lauten: Das für 2013 ausgearbeitete Reglement, das für Europa acht Qualifikationsturniere vorsieht, von denen aber nur vier im Voraus bestimmte Nationenpreise zählen, ist eine unbefriedigende Lösung, nicht zuletzt, weil einerseits gute Leistungen des Öfteren nicht honoriert werden, weil nicht als Punktelieferant angemeldet, andererseits, weil dadurch das Ganze für die breite Öffentlichkeit unübersichtlich wird. Dazu kommt, dass ein Final von null auf, unter Ignorierung der Qualifikationspunkte, immer problematisch ist. Sowohl Formel 1 wie der Ski-Weltcup basieren auf einem Punktesystem, der Champion ist am Ende der, der am meisten Punkte gesammelt hat. Eine Kompromisslösung ist, beim letzten Turnier, dem Final, doppelte Punkte zu geben.
Durch die Schaffung von Ligen auf allen Kontinenten glaubte man bei der FEI – möglicherweise unter Einfluss des neuen Sponsors aus Saudi-Arabien – einen Final von «scratch», also bei Weglassung der Qualifikationspunkte, bieten zu müssen. Dies ist seit 1979 beim Weltcupfinal der Fall. Aber Weltcup ist nicht Nationenpreis. Beim Weltcup treffen beim Final Einzelreiter der Spitzenklasse aufeinander, die sich in den Monaten zuvor zum Teil nicht getroffen hatten. Im Falle des Nationenpreises, das haben die Erfahrungen der Superliga der zehn Jahre zuvor gezeigt, treffen die grossen Nationen bei jedem grossen CSIO aufeinander. Die USA haben fast permanent genügend Reiter in Europa und auch die Brasilianer stellen immer wieder eine Equipe auf europäischen Turnieren. Dazu kommt, dass es wahrscheinlicher ist, dass ein aussereuropäisches Land wie Thailand oder Venezuela, ein Reittalent hervorbringt, als dass das gleiche Land eine komplette Nationenpreis-Equipe mit entsprechenden Pferden aufbauen kann.
Der Superliga hat man vorgeworfen, sie sei elitär. Das trifft wohl zu – aber jeder Spitzensport ist elitär. Im Springreiter- Weltcup kommen immer wieder Einzelreiter ganz nach vorne – ähnliches mit einer Equipe zu erreichen, ist viel schwieriger. Wenn es geschieht, wie bei den Springreitern Saudi-Arabiens als Olympia-Medaillengewinner und wahrscheinlich bald mit Katar, sind gewaltige finanzielle Mittel notwendig. Aber diese könnte man auch einsetzen, um eine Mannschaft in Europa Wohnsitz nehmen zu lassen, damit sie sich hier qualifizieren kann. Die Koreaner haben es vor über einem Jahrzehnt vorgemacht, als mit Samsung-Geldern eine koreanische Equipe in Europa mitritt.
Transportwege
Es ist verständlich, dass Furusiyya, als saudi-arabische Stiftung zur Förderung des Pferdesports, darauf besteht, dass die Anstrengungen der Saudis oder der Katarer mit einer Finalteilnahme belohnt werden. Diesem berechtigten Wunsch nachzukommen, indem man Qualifikationsligen auf allen Kontinenten schuf, war in Bezug auf die Popularisierung des Nationenpreises zu wenig überlegt. Erfahrungen im Weltcup haben gezeigt, welch gewaltige Transportprobleme ausserhalb Europas bestehen. In Südost-Asien gelang es, mit grossem finanziellem Aufwand eine Liga mit den Inselstaaten Indonesien und Philippinen sowie Thailand, Malaysia und Singapur zu unterhalten, bei dem Reiter und Pferde mit dem Flugzeug transportiert werden. Aber eben, hier handelt es sich um Einzelreiter, nicht um Mannschaften mit fünf Reitern und zehn Pferden. In Südamerika gelingt es kaum, je alle Länder bei einem Turnier zusammenzubekommen. Ist der Anlass in Venezuela, ist es für die Argentinier oder Uruguayer zu mühsam – oder umgekehrt.
Der Nationenpreis ist eine wunderbare Sache und wer je eine Prüfung in St. Gallen oder Aachen mitverfolgt hat, kennt die Gefühle. Um das zu erhalten, braucht es laufende Anstrengungen und auch Geld. Von 1965 bis 1996 kannte man ein einfaches Punktesystem. Dann kam 1997 Samsung und wollte einen Final. Zwei Jahre lang konnte man im Final doppelte Punkte holen, von 1999 bis 2002 begann man im Final von null.
2003 kam die Superliga, mit wiederum doppelten Punkten im Final. Nach dem Ausstieg von Samsung nach 2009 ging es ähnlich weiter. Dann wurde am Schreibtisch ein Ligasystem erfunden, wodurch der Final wieder von null beginnen musste. Dadurch werden die acht Nationenpreise auf immerhin solchen Grossplätzen wie La Baule, Rom, St. Gallen, Rotterdam, Hickstead oder Dublin zu reinen Qualifikationsprüfungen, erst noch mit einem unsinnigen System. Die zwei Siege Frankreichs in vier zählenden Starts werden zu Makulatur – was die Franzosen in den andern vier nicht zählenden Nationenpreisen erreicht haben, ist schon lange vergessen. Wird so der Pferdesport der interessierten Öffentlichkeit nähergebracht?
(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 43/2014)
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