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Max E. Ammann
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Standpunkt

Frauen im internationalen Fahrsport

11.02.2020 10:34
von  Max E. Ammann //

In der Weltcupprüfung der Vierspänner beim letzten CHI Genf startete erstmals eine Frau: die Deutsche Mareike Harm. Die 34-Jährige war über die Einspänner zu den Vierspännern gekommen. Mit einem Pferd war sie 2010 Deutsche Meisterin geworden und hatte 2011 mit der deutschen Equipe WM-Gold gewonnen. 2013 und 2017, nun mit vier Pferden, holte sie bei den Vierspänner-EM mit der deutschen Equipe zweimal Mannschaftssilber. International erfolgreiche Frauen bei den Einspännern gibt es viele. Auch bei den Zweispännern sind Frauen auf dem WM-Podium nicht allzu selten, ebenfalls nicht bei den Ponys. Aber bei den Vierspännern gibt es nur rund ein Dutzend Frauen, die bei EM oder WM gestartet sind. Als ab 1970 die ersten internationalen Fahrprüfungen nach dem neuen FEI-Reglement ausgetragen wurden (nur für Vierspänner), waren keine Frauen am Start.

Pionierin Deirdre Pirie

In den 80er-Jahren erlebte man an der Weltmeisterschaft die ersten Frauen als Teilnehmerinnen. Zuerst die US-Amerikanerin Deirdre Pirie, die von 1980 bis 1990 sechsmal hintereinander dabei war. Dann die Österreicherin Christa Volke mit einigen WM-Starts ab 1986. Ab Mitte der 90er-Jahre kamen die englischen Schwestern Karen Bassett und Pippa Thomas zu einigen WM-Starts – 1996 gewannen sie mit der britischen Equipe WM-Bronze. Vor allem Karen Bassett mit je einem zwölften und 13. Platz konnte mit den Männern mithalten. Zu einzelnen WM-Starts bei den Vierspännern kamen unter anderem die Tschechin Katerina Kastnerova, die Spanierin Teresa Garcia und die Österreicherin Angelika Popp. 2018 holte sich Misdee Wrigley mit der US-Equipe die Goldmedaille an den Weltreiterspielen in Tryon.

Mieke van Tergouw

An der Vierspänner-WM von 1988 in Apeldoorn fuhr als Einzelstarterin für die Niederlande Mieke van Tergouw. Sie endete auf Platz 38. Fünf Jahre später endete sie an der Zweispänner-WM in Gladstone auf Platz zwölf und wurde Vierte mit der niederländischen Equipe. Wieder zwei Jahre später, 1995, wurde Van Tergouw in Poznan Weltmeis­terin. 1997 wurde sie Zwölfte und gewann mit der niederländischen Equipe Teambronze. In jenem Jahr waren sieben der 66 WM-Starter Frauen, darunter die US-Amerikanerin Elisabeth Singer, die bei mehreren WM dabei war. Weitere Fahrerinnen kamen aus Schweden, Kanada, Norwegen und Tschechien.

Mary Matthews

Die erste WM-Starterin bei den Zweispännern war die Engländerin Mary Matthews: 1983 bei dem damals als «Open» bezeichneten, heute als erste Weltmeisterschaft angesehenen Anlass in Montemaggiore. Sie kam zu einigen weiteren WM-Starts. 1985 debütierten die US-Amerikanerin Sharon Chesson und die Britin Christine Dick. 1991 gewann Lana Wright mit der US-Equipe WM-Mannschaftsgold. Als Lana du Pont hatte 1964 die damals 25-Jährige mit der US-Militaryequipe olympisches Teamsilber gewonnen. Weitere Frauen, die an Zweispänner-WM teilnahmen, waren die Dänin Jane Videbaeke, die Französin Eve Cadi-Verna und die Portugiesin Madalena Abecassis. Dann die Deutsche Carola Diener, als 23-Jährige 2011 Weltmeisterin und Silbermedaillengewinnerin mit der Equipe 2011 und 2013.

Schwedisches Frauen-Goldteam

Frauenpower erlebt man bei den Einspännern. An der ersten WM, 1998 im österreichischen Ebbs, gewann die Finnin Arja Mikkonen den Weltmeistertitel und drei schwedische Frauen, Cecilia Qvarnström, Marie Kahrle und Karin Ekenberg, wurden Mannschaftsweltmeister (Cecilia Qvarnström auch noch Vizeweltmeisterin). An der zweiten Einspänner-WM von 2002 (2000 musste wegen dem «West Nile Virus» abgesagt werden) siegten die Schwedinnen erneut und trippelten 2004 nach. 2002 wurde Marie Kahrle Einzel-Zweite, 2004 gar Weltmeisterin. 2006, als die Schwedinnen nur Zweite wurden, holte sich Qvarnström die Einzelsilbermedaille. Neben den Schweden und Finnen entsandten unter anderem auch Österreich, Grossbritannien, Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Polen und Ungarn Frauen an die Einspänner-WM. 2010 und 2012 war auch eine Schweizerin unter den Medaillengewinnerinnen, als Lucie Musy mit der Schweizer Equipe Teamsilber gewann. 2008 hatte eine Französin, Anne-Violaine Brisou, Einzelsilber und Mannschaftsgold geholt. 2016 belegten zwei Frauen, Veronika Kwiatek und Saskia Siebers, die Ehrenplätze, 2018 waren es erneut Saskia Siebers und Marie Vignaud.

Georgina Frith

Die eindrucksvollste Siegesserie gelang von 1995 bis 1999 der Britin Georgina Frith in der nur viermal bis 2001 ausgetragen EM der Pony-Vierspänner. Sie wurde dreimal hintereinander Europameisterin. Die Belgierin Mia Allo war jedes Mal dabei, 1999 wurde sie Vierte.

Doris Schmid, Marjorie Magnin und Lea Schmidlin

2003 wurde als Nachfolge-Championat die WM der Ponyfahrer in allen drei Anspannungen ins Leben gerufen. Auch hier konnten die Frauen Titel und Medaillen erringen. 2005 gewann die Amerikanerin Suzy Stafford bei den Einspännern. 2009 und 2011 siegten die Deutsche Melanie Becker und die Dänin Kris­tine Klindt. 2011 gab es hinter der Dänin mit Susanne Ankermark (SWE) und Suzy Stafford gar einen dreifachen Frauensieg bei den Einspännern. 2015 holte sich die Britin Anna Grayston den Titel bei den Zweispännern (2013 war sie Dritte geworden) und 2017 siegte die Deutsche Marlene Brenner bei den Einspännern (vor dem Schweizer Cédric Scherrer und ihrer Landsfrau Katja Helpertz). Bei den Pony-Vierspännern gab es immerhin einen dritten Platz für Tinne Bax aus Belgien 2017 in Minden. Aus der Schweiz fuhren Doris Schmid, Marjorie Magnin und Lea Schmidlin an den Pony-Weltchampionaten.
In der Schweiz, bei den seit 1975 ausgetragenen Schweizer Meisterschaften, gab es bereits im ersten Jahr in Fehraltorf einen Frauensieg: Luzia Zindel wurde Einspänner-Schweizermeisterin. 1976, bei der zweiten SM in Frauenfeld, holte sich Luzia Zindel den Titel bei den Zweispännern. Bei den Einspännern gab es weitere SM-Titel 1999 für Sonja Leemann, 2004 für Monika Stewart und 2009 für Lucie Musy. Bei den Zweispännern siegte 1981 Marlies Zehnder, und bei den Vierspännern erlebte man letztes Jahr den ersten SM-Titel einer Frau durch Marie-Louise Reifer. Bei den Ponyfahrern staunt man über die sieben SM-Titel von Marjorie Magnin bei den Zweispännern (2002 bis 2006 sowie 2008 und 2009). Bereits 2001 hatte Nicole Martin gesiegt und letztes Jahr siegte Sandra Chardonnes. Magnin hatte zuvor, 1998 und 1999, den SM-Titel bei den Pony-Einspännern geholt. Hier siegten Annie Fischer 2000 und Doris Schmid 2008, 2010 und 2012.
Zu erwähnen sei noch Judy Dwyer, die Ehefrau des verstorbenen aus­tralischen Parcoursbauers Ted Dwyer, die jahrzehntelang den Fahrsport in Australien vorwärtsbrachte sowie Monika Ruckstuhl, die früh verstorbene Tochter des St. Galler Transportunternehmers Jakob Ruckstuhl, der dem Fahrsport in der Schweiz entscheidende Impulse gab. Tochter Monika war jahrelang die wichtigste Berichterstatterin in den Schweizer Medien über den Fahrsport.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 6/2020)

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