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Max E. Ammann
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Standpunkt

Gedanken zu den Weltreiterspielen

16.09.2014 12:35
von  Max E. Ammann //

Unangenehme Erinnerungen tauchten auf, als die ersten Berichte aus der Normandie kamen. Teils aus Medienberichten, noch mehr von betroffenen Anwesenden in Caen und Umgebung: grossartiger Sport, aber miserable Organisation. Man erinnerte sich an 1994 Den Haag, an die zweiten Weltreiterspiele, wo der gleiche ­Doppeleindruck entstanden war.

Allerdings, so schien es, waren die Voraussetzungen unterschiedlich: In Den Haag hing alles an einem arroganten, inkompetenten Generalsekretär – in der Normandie, so hörte man, war es eher französisches Laisser-faire, das zu den organisatorische Mängeln und Unzulänglichkeiten führ­te. Immerhin, bei der Caen-Ausgabe von 2014 hat man noch nichts von finanziellen Problemen gehört, während 20 Jahre zuvor, 1994 in Den Haag, zum Organisations-Desaster auch die finanzielle Katastrophe kam. Millionen Schulden waren damals entstanden – auch das niederländische Königshaus hatte offene Rechnungen. Die Konkursdividende betrug 38 Prozent der geschuldeten Gelder.

Rückblende

Man erinnere sich: Die ers­ten Weltreiterspiele waren 1990 auf Drängen der Schweden ins Leben gerufen worden, die damit die glorreiche Olympischen Reiterspiele von 1956 wiederholen wollten. Stockholm 1990 war tadellos organisiert und brachte grossartigen Sport. Aber auch ein Defizit: Fünf Millionen Schwedische Kronen (etwa eine Million Franken), bei einem Budget von 90 Millionen Schwedische Kronen. Dieses Minus wurde durch die Defizitgarantie der schwedischen Regierung gedeckt. Ironie dabei war, dass die Organisatoren etwa den gleichen Betrag an Billetsteuern an die Stadtverwaltung abliefern mussten.
Nachdem man im Vorfeld der ersten Weltreiterspiele noch von einem einmaligen Anlass gesprochen hatte, wurde bereits während Stockholm 1990 klar, dass man eine Fortsetzung wünsch­te. Der niederländische Pferdesportverband zeig­te Interesse an der Organisation für 1994. An der FEI-GV von März 1991 in Tokio sollten die Niederländer den Zuschlag erhalten, Gegenkandidaten waren kaum sichtbar.
Dann, knapp zwei Wochen vor dem Tokio-Entscheid, trafen sich in Paris einige französische Pferde­sport-interessierte, die beschlossen, sich um die zweiten Weltreiterspiele zu bewerben. Fast über Nacht wurde ein wunderschönes Bewerbungsbuch geschaffen, darin eingeschlossen wichtige Unterstützungsbriefe die, so stellte es sich später heraus, sich nur auf Annahmen stützten oder zum Teil gar fragwürdig waren.
Das FEI-Büro, vor der Wahl zwischen dem Hochglanz der Pariser Bewerbung und der Attraktion der französischen Hauptstadt einerseits, dem nüchtern Projekt Den Haag andrerseits, wählte Paris. Einige Monate später war von Paris nichts mehr übrig, den Todesstoss gab das Nichtinteresse des französischen Fernsehens an einer Übertragung. Die FEI griff zurück auf den Wahlverlierer von Tokio, ein fataler Fehler.
Für die dritten Weltreiterspiele von 1998 wiederholte sich teilweise die Geschichte. Das Pferdeland Irland, mit einer grossen Spring- und Vielseitigkeits­tradition, woll­te die Spiele. Die Iren ignorierten, dass bei ihnen Fahren, Dressur, Distanzreiten und Voltigieren kaum bekannt waren. Die Iren versprachen der FEI einen Gewinnanteil von viereinhalb Millionen Irische Pfund und das FEI-Büro glaubte bei der Wahl von März 1994 daran. Zwei Jahre später kam das Ende – zuerst zog sich die irische Regierung als Subventionsgeber zu­rück. Dann weigerte sich die Royal Dublin Society, den Organisatoren die Anlagen von Ballsbridge zur Verfügung zu stellen. Und schliesslich sprang auch Hauptsponsor Nissan ab. In die Bresche sprangen Rom und das Monrif Conglomerate der Monti-Riffeser Familien. Es wurden angenehme Spiele, ohne sichtbare Probleme. 2002 war Spanien mit Jerez de la Frontera an der Reihe, die, obwohl sportlich befriedigend, mit einem grossen finanziellen Loch endeten.

Sonderfall

Aachen 2006, die fünften Weltreiterspiele, waren ein glücklicher Sonderfall. Kein Anlass von Null auf, sondern durchgeführt vom grössten Reitturnier der Welt, das auf diese Gelegenheit hin mit öffentlichen Mitteln gewaltige Infrastrukturverbesserungen unternahm.
Dann kamen, 2010, die ers­ten Weltreiterspiele ausserhalb Europas, in Lexington, Kentucky, in den USA. Sportlich wie immer gelungen, organisatorisch durchzogen, ­finanziell ein derartiges Hasardspiel, dass noch während der zweiwöchigen Spiele eine Finanzspritze der FEI-Präsidentin notwendig war.
Für 2018 sah es vorerst gut aus: Nicht weniger als acht Länder waren interessiert. Einer nach dem anderen zog sich zurück, bis am Ende das kanadische Bromont den Zuschlag erhielt – eine Kandidatur die von Anfang an mit finanziellen Engpässen kämpfte. Man muss mit gemischten Gefühlen den achten Reiterspielen von Bromont 2018 entgegensehen.
Zurück zu 2014. Georges Zehnder hat in der letzten «PferdeWoche» zusammengefasst, was in der Normandie alles falsch lief: Verkehrschaos, ungenügende Verpflegungsmöglichkeiten, überhöhte Preise, zu wenig Sicherheit und arrogante Ordner etc. Wie erwähnt, hat man noch nichts von ­finanziellen Problemen gehört, die für Bromont 2018 im Raume stehen. Für die Weltreiterspiele 2022 haben sich bereits sieben Länder gemeldet, weitere kommen wahrscheinlich dazu. Wie viele es dann bei der Wahl des Austragungsortes von 2022 sein werden, ist offen. Dabei bleibt die Frage, ob Weltreiterspiele an Orten mit wenig bestehenden Infrastrukturen, einem zusammengesuchten OK und finanziellen Engpässen überhaupt noch durchführbar sind.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 37/2014)

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