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Max E. Ammann
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Standpunkt

Gummiball und Co.

04.08.2020 07:59
von  Max E. Ammann //

Letztes Jahr fand, in Westerstede-Finkensolt (GER), wieder eine EM der Ländlichen Reiter statt. Aus der Schweiz nahmen nur zwei Einzelreiter teil, die ohne Medaillen zurückkehrten. In der Schweizer Fachpresse las man nichts darüber. Dies war früher anders. Vor allem in den 60er-Jahren, als Primula Buff mit ihrem Gummiball Europameisterin wurde und dazu noch drei Silbermedaillen gewann. Aber schon damals wurde die Frage diskutiert: «Was ist ein Ländlicher Reiter?» Bald darauf wurde die Frage spezifischer: «Gibt es überhaupt noch Ländliche Reiter?» Das war 1963 und 1965, als Primula Buff die erwähnten Medaillen gewann, und 1967, als Hans-Jakob Fünfschilling mit Dream ebenfalls Europameister wurde. Seither werden die EM der Ländlichen Reiter im Zweijahresrhythmus durchgeführt – als Vielseitigkeitsprüfung auf mittlerem Niveau. Speziell daran ist, dass der Wettkampf mit einer Gruppendressur mit sechs Reitern eröffnet wird, gefolgt von einer Einzeldressur, dem Gelände­tag und dem Springen.

Basel, Porrentruy, Holziken

Dreimal fand die EM in der Schweiz statt: Erstmals 1963 in Basel, als Primula Buff mit Gummiball Zweite wurde – und Peter Althaus mit Assenza Dritter. Zusammen mit Hans-Jakob Fünfschilling und Franz Dittli gab es auch Silber in der Teamwertung. Frauen war erst kurze Zeit zuvor eine Teilnahme erlaubt worden. 1977 fand die 15. EM der Ländlichen Reiter in Porrentruy statt und 1995 in Holziken. Für die Schweizer gab es 1995 keine Einzelmedaillen, aber Silber in der Mannschaftswertung, immer noch mit Hans-Jakob Fünfschilling, Jürg Lüdi und vier Damen: Maya Ruch, Karine Meier, Maureen Geissmann und Doris Weidmann.

Premiere in Bad Segeberg

Den ersten internationalen Wettkampf der Ländlichen Reiter gab es 1953 im deutschen Bad Segeberg. In den darauffolgenden Jahren 1954 bis 1956 kam es zu Wettkämpfen in Schweden, den Niederlanden und Dänemark, alles Länder, in denen die Ländliche Reiterei verwurzelt war. 1956 lud der damalige FEI-Präsident, Prinz Bernhard, Gemahl der niederländischen Königin Juliana, zu einer Sitzung, um über die Zukunft von ländlichen Reiterwettkämpfen zu beraten. Am 7. Mai 1956 wurde beschlossen, den Wettkampf ab 1957 alle zwei Jahre als offiziellen Anlass durchzuführen. Ab 1963 wurde er gar zur EM der Ländlichen Reiter. Prinz Bernhard spendete als Siegerpreis eine Standarte. Drei Medaillensätze wurden verteilt: für Einzel- und Mannschaftswertung einer Vielseitigkeitsprüfung sowie für ein Mannschaftsspringen. Bestandteil der Vielseitigkeitsprüfung war eine Zugwilligkeitsprüfung, seither abgeschafft. Bei der ersten Schweizer Teilnahme, 1957 in Bad Segeberg, eine Kleinstadt im norddeutschen Schleswig-Holstein, gewannen die Schweizer gleich zwei Medaillen: Mannschaftsbronze in der Vielseitigkeitsprüfung, Silber im Springen. Zwei Jahre später, in Ras­tede, eine Kleinstadt im deutschen Niedersachsen, holte sich die CH-Equipe den ersten Sieg im Teamspringen. In der Mannschaftswertung der Vielseitigkeit wurde die Schweiz wiederum Dritte. Die Schweizer Equipe für 1959 war nach Ausscheidungsprüfungen bestimmt worden, an denen sich sechs Reiter aus dem OKV, zwei aus dem ZKV und einer von der DGM beteiligten.

Heim-EM in Basel

1963 kam es zur Europameisterschaft in Basel. Fünf Länder waren am Start: neben der Schweiz weiter Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Belgien. Austragungsort war das Schänzli, OK-Präsident Guy Sarasin. Die französische Fachzeitschrift «La Page du Cheval» widmete dem Anlass zwei Seiten. Erwähnt wurde, dass dem OK-Präsidenten mit Alexander Haecky, Gérard Haccius und Anton Bühler Prominente des Schweizer Pferdesportes zur Seite standen. Beeindruckt war der Berichterstatter vom Kanonikus (Chorherr) De Mey, dem Equipenchef der Belgier.

Anforderungen im Gelände

Wegstrecke 2640 Meter; Steeplechase 3060 Meter mit zehn Hindernissen; 1. Gelände 9000 Meter mit sechs Hindernissen; 2. Gelände 5000 Meter mit sieben Hindernissen; Total 19700 Meter

Die Schweiz gewann 1963 nach 1957 und 1959 zum dritten Mal eine Mannschaftsmedaille, diesmal Silber. In der Einzelwertung gab es, wie erwähnt, Silber und Bronze, dazu auch noch Platz zwei im Mannschaftsspringen.

Gummiball-Triumph

1965 in Compiègne kam der Sieg von Primula Buff auf Gummiball, ein Triumph, der in der Schweizer Presse, nicht zuletzt dank dem schönen Pferdenamen, mit Genuss verzeichnet wurde. Silvio Moor wurde mit Wolswin Zweiter. Auch in der Mannschaftswertung gab es die Silbermedaille. Neben Primula Buff und Silvio Moor ­gehörten Hans-Jakob Fünfschilling, Guido Schneeberger, Arnold Meier und Peter Althaus zur Schweizer Equipe. Der später als Züchter von Gauguin de Lully bekannt gewordene Hans-Jakob Fünfschilling wurde 1967 in Salzburg mit Dream Europameister. Im Mannschaftsspringen wurde die Schweiz Zweite.

Abnehmendes Interesse

In den Jahrzehnten seither nahm das Interesse an der EM der Ländlichen Reiter ab und die Schweizer Erfolge wurden spärlicher. 1975 gewannen Daniel Bezençon, Hermann Mäder, Jürg Lattmann und Ernst Baumann die Mannschaftssilbermedaille in Bad ­Segeberg und 1981 gewannen Samuel Hauri, Andreas Renggli, Kristin Kläy und Heinrich Bosshard Bronze. Dazwischen, 1979, gehörte Danièle Perret, heute Frau Vogg, Tochter und Mutter von Olympiareitern, zur Equipe bei der Ländlichen EM. In den 90er-Jahren gab es dreimal hinterei­nander Mannschaftssilber: 1991 in Flyinge mit Dieter Biegler, Chris­toph Meier, Jakob Röthlisberger und Maya Ruch; 1993 in Jaroszowska mit Maya Ruch, Peter ­Oehen, Maureen Geissmann, Evi Prabucki und Philipp Kühne; 1995 in Holziken wie erwähnt. Im polnischen Jaroszowska holte Maya Ruch mit Olymp II auch noch die Einzelsilbermedaille.

Letzte Medaille vor 15 Jahren

2005 in Ganderkesee, unweit von Verden in Norddeutschland, gewannen die Schweizer ihre letzte Medaille, mit Dieter Bigler, Esther Andres, Sébastien Poirier, Ester Sennhauser, Jean-Louis Stauffer und Isabelle Gouder. 2017 wurde die EM der Ländlichen Reiter im belgischen Tongeren ausgetragen, 2019 im deutschen Westerstede-Finkesolt. Die Prüfung ist ein CC auf Dreisternniveau. Teilnehmer dürfen nie ein Vier- oder Fünfstern-CC beendet haben und in den letzten beiden Jahren kein Dreistern-CC. Auch ein vorheriger Start in einem CSIO verunmöglicht einen Start bei der Ländlichen EM.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 31/20)

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