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Max E. Ammann
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Standpunkt

Hans Hausamann und der CSIO St. Gallen

03.06.2020 12:42
von  Max E. Ammann //

Eine erneute Lektüre des in den 70er-Jahren viel diskutierten Buches «Schweiz im Krieg 1933 bis 1945» von Werner Rings gab mir die Idee, neben der Geschichte der St. Galler Pferdesporttage auch über die vier Präsidenten seit 1953 zu schreiben, vor allem über den ers­ten, Hans Hausamann. Denn dieser ist einer der Hauptakteure in Werner Rings Weltkriegsbuch. Haus­amann war zu jener Zeit Inhaber eines Optikergeschäftes in St. Gallen, Hauptmann der Schweizer Armee und Leiter des legendären «Büro Ha». Acht Jahre nach Kriegsende, als Präsident der St. Galler Pferdesporttage, entschloss sich Hausamann, die nationalen St. Galler Springkonkurrenzen zu einem internationalen Concours Hippique zu machen.

Start als CSI

Hausamann begann 1953 bescheiden mit einem damals noch möglichen Grenzlandturnier. Bereits ab 1954 wagte er den Schritt zum CSI, vorerst für einige Jahre als Teil von Turnierfolgen mit München, Ulm, Tübingen, Bregenz oder Salzburg. Ab 1957 kam der Alleingang als CSI. Hausamman nützte den Ruf St. Gallens als Zentrum der Textilindustrie. Er schuf auf dem Breitfeld ein Turnier mit besonderem Flair, das die Eleganz der Mode mit dem ländlichen Hintergrund der Mehrheit der Zuschauer verband. Ein neues Plakat wurde von Iwan E. Hugentobler geschaffen, Inserate platziert, pferdesportliche Artikel an die Tageszeitungen geliefert und die St. Galler Geschäfte angehalten, in ihrem Schaufenster für die St. Galler Pferdesporttage zu werben. Neben den Springprüfungen wechselten sich auf dem Breitfeld Schaunummern ab: Modeschauen, ein Wagenkorso, Vorführung einer Voltigiergruppe und sogar ein Dressurprogramm durch Oberbereiter Ernst Lindenbauer von der Spanischen Hofreitschule in Wien. Schulkinder hatten klassenweise freien Eintritt. Am Samstag und Sonntag war die grosse Tribüne ausverkauft – auf der Gegenseite, auf dem Bajonetthügel, sassen Tausende von Zuschauern.
Als um die Jahrtausendwende der CSIO Luzern, seit 1909 der bedeutendste internationale Freiluftanlass der Schweiz, kriselte, wurden die St. Galler gebeten, auch auf der Luzerner Allmend die Organisation zu übernehmen. Als dann in Luzern nach 2006 das Ende kam, organisierte St. Gallen alljährlich den CSIO, nach 15 Jahren Hausamann, 22 Jahren Widmer und fast 25 Jahren Peter Stössel nun schon acht Jahre mit der Tochter, Nayla.

«Gotthardbund»und «Offiziersbund»

Zurück zu Hans Hausamann und seinem Büro Ha. Vereinfacht gesagt war das von Hptm. Hausamann zu Kriegsbeginn aufgebaute und bis Kriegsende geführte Büro Ha eine private Nachrichtenorganisation, die dem Schweizerischen Armeekommando unter General Henri Guisan angeschlossen war.
1938 war der freisinnige Hauptmann Hausamann, mit dem Einverständnis des Bundesrates, Militärberater der sozialdemokratischen Parteiführung geworden. Als solcher produzierte er Filme und organisierte bis 1940 gegen 1600 Aufklärungsvorträge. Gleichzeitig baute er sein privates Widerstandsbüro auf. Nach der anpasserischen Rede von Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz vom 25. Juni 1940 gründeten Offiziere den «Gotthardbund» als ­Ins­trument des unbedingten ­Widerstandes gegen die drohende Gefahr des nationalsozialistischen Deutschland. Der Gotthardbund hatte bald 8000 Mitglieder. Als sich herausstellte, dass zu den Verantwortlichen des Gotthardbundes auch Zweifler einer kompromisslosen Abwehr der Nazigefahr gehörten, wurde der «Offiziersbund» gegründet, mit Hptm. Max Ernst, dem späteren Brigadier, Hptm. Max Waibel, dem späteren Divisionär, Hptm. Hans Hausamann vom Büro Ha und August R. Lindt, dem späteren Botschafter, als Hauptpersonen.
Am 21. Juli 1940 trafen sich 37 Offiziere zu einer Besprechung im Hotel Schweizerhof in Luzern. Kurz darauf wurden die Anführer des Offiziersbundes verhaftet, bald aber wieder freigelassen. Sie erhielten den Befehl, sich auf Schloss Gümligen bei Bern, dem Hauptquartier von General Guisan, zu melden. Neben Ernst, Waibel, Hausamann und Von Salis war auch Major David Gerber vorgeladen. Gerber, Dienstchef im Eidgenössischen Kavallerie-Remonten-Depot in Bern, war der einzige vorgeladene Kavallerie-Offizier und erschien hoch zu Ross. Der General war entgegenkommend: Er teilte die Auffassung des Offiziersbundes, dass ein kampfloser Untergang nicht diskutierbar sei. Aber die Offiziere hätten gegen die militärische Disziplin verstossen und müssten mit scharfem Arrest bestraft werden. Ernst erhielt 15 Tage. Waibel zehn und Hausamann fünf Tage, die sie in der Kaserne Thun absassen.
In der Folge löste sich der Offiziersbund auf. Aber das Büro Ha operierte erfolgreich weiter. Ernst, Waibel, Hausamann, Von Salis und zwei weitere Offiziere trafen sich in der Folge bis Kriegsende zu wöchentlichen Sitzungen in Luzern. Major Gerber, der 1939 an die Deutsche Heeres-Reit- und Fahrschule abkommandiert gewesen war, führte während des Krieges bis 1945 im Auftrag der Schweizer Armee Kurierdienste nach Deutschland durch.

Eigener Nachrichtendienst

Hausamann, der früh erkannt hatte, dass der Nachrichtendienst der Schweizer Armee den Anforderungen eines grossen Krieges nicht gewachsen war, führte in seinem Haus in Teufen AR das Büro Ha. Er installierte zwei Kurzwellensender und stellte Funker an. Man sagt, er habe über 50 Informationsquellen gehabt. In der Schweiz hatte Hausamann direkten Zugang zu General Guisan und zum Chef des EMD, Bundesrat Rudolf Minger. Bis 1945 schrieb das Büro Ha über 35000 Berichte.
Neben diesen Personen des aktiven Widerstandes gab es während des Zweiten Weltkrieges in der Schweiz auch Anpasser, Sympathisanten oder gar Helfer des nationalsozialis­tischen Regimes. Aus Reiterkreisen waren es ein St. Galler Textilindus­trieller, dessen einer Sohn für die Schweiz international ritt, während der andere als Kriegsfreiwilliger in der Waffen-SS an der Front in der Ukraine fiel. Dann die prominente Textilfamilie vom Zürichsee mit grossen Reiterfolgen, deren Nazifreundlichkeit man in zwei Büchern nachlesen kann. Schliesslich der ehemalige Nationenpreisreiter, der 1941 nach Deutschland fuhr und in der Waffen-SS als Sturmbandführer diente. Nach zweijähriger US-Kriegsgefangenschaft wurde er 1947 an die Schweiz ausgeliefert, wo er zu acht Monaten Zuchthaus verurteilt wurde.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 22/20)

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