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Max E. Ammann
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Standpunkt

Japanische Erinnerungen

02.04.2019 13:17
von  Max E. Ammann //

Dieser Tage las man, dass Tsunekazu Takeda, der Präsident des japanischen olympischen Komitees, zurücktreten und die prestigeträchtige Mitgliedschaft im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) aufgeben musste. Dem 71-Jährigen wird vorgeworfen, als Präsident des Bewerbungskomitees für die Olympischen Spiele 2020 mit Millionenzuwendungen die Wahl zugunsten Tokios beeinflusst zu haben.

Betrachtet man die Liste der Korruptionsskandale, wie denjenigen bei der Vergabe der Olympischen Winterspiele von 2002 in Salt Lake City oder die laufenden Neuigkeiten aus der FIFA in Bezug auf die fragwürdige Zuteilung von Championaten, Sponsoring- und Vermarkungsrechten, so kann man nicht erstaunt sein, dass es auch bei der Vergabe der OS 2020 nach Tokio zu Korruption gekommen ist. Dass der immer korrekte, zurückhalten­de Take­da, aus einem Zweig der japanischen kaiserlichen Familie, da­ran beteiligt war, erstaunt vielleicht.

Urenkel von Kaiser Meiji

Tsunekazu Takeda ist ein Urenkel von Kaiser Meiji und ein Sohn von Prinz Tsuneyoshi Takeda, dessen Familie nach dem Zweiten Weltkrieg das Adelsprädikat verlor. Damals, am 14. Oktober 1947, hatten die US-Amerikaner zwar den kriegsschuldigen Kaiser im Amt gelassen, aber sämtliche Nebenzweige des japanischen Kaiserhauses zu bürgerlichen gemacht. Takeda ist somit, wie Kaiser Akihito, Urenkel des Kaisers Meiji, aber kein Prinz mehr.

Olympiareiter und Funktionär

Bei den Meldungen über Takedas Fall von IOC-Ehren vermisste man einen Hinweis darauf, dass Takeda vom Pferdesport her kommt. 1972 und 1976 ritt er für Japan im olympischen Springen (1976 mit dem von Paul Weier übernommenen Fink). Jahrzehntelang war er Präsident des japanischen Pferdesportverbandes, und ab 1992 Mitglied des FEI-Vorstandes, von 1998 bis 2002 gar als FEI-Vizepräsident. Seit 2001 war Takeda Präsident des japanischen olympischen Komitees, seit 2012 IOC-Mitglied.
Takeda, wie bereits sein Vater, hatte zweifellos den Verdienst, dass Japan sich immer wieder bemüht, im internationalen Pferdesport dabei zu sein. Mit ihren Bemühungen, den internationalen Anschluss zu bewahren, setzten die Takedas eine Tradition fort, die bis ins Jahr 1921 zurückgeht – ins Jahr der Gründung der FEI.

FEI-Gründungsmitglied Japan

Zu den zehn Ländern, die am 28. Mai 1921 in Lausanne die «Fé­dé­ration Equestre Internationale» gründeten, gehörte Japan. Beizufügen ist, dass von den zehn Ländern nur gerade Frankreich, Schweden, die USA und Japan die Gründungsurkunde unterzeichneten. Die sechs anderen Länder (Belgien, Niederlande, Italien, Norwegen, Polen, Schweiz) konnten oder durften die bindende Unterschrift nicht leisten, sie waren aber im Prinzip für den neuen internationalen Pferde­sportverband. Beim ersten Jahreskongress der FEI, im November 1921 in Paris, war Japan wieder dabei. Die Schweiz brauchte bis 1923, bis sie beitrat und bis anfangs 1924, um mit Oberst Hac­cius den ersten Abgeordneten an einen FEI-Kongress zu delegieren. 1928 entsandte Japan erstmals Reiter an die Olympischen Spiele in Amsterdam und gleich in allen drei Disziplinen. 1932, in Los Angeles, als von den europäischen Spitzenreitern mit einer Handvoll Ausnahmen, der Weltwirtschaftskrise wegen, praktisch alle fernblieben, trat Japan mit drei Military- und zwei Spring­reitern an. Nur elf Reiter aus vier Ländern bestritten das olympische Jagdspringen, über einen Parcours, der eher zu Rom oder Aachen gepasst hätte, und nicht zum bescheidenen Starterfeld.

Baron Takeichi Nishi

Leutnant Baron Takeichi Nishi auf dem zwölfjährigen in Frankreich aufgezogenen Uranus hatte zwei Abwürfe und gewann Gold. Nur fünf Reiter kamen ins Ziel, der letzte mit 50 Fehlerpunkten. Im Zweiten Weltkrieg gehörte Nishi, als Oberstleutnant Kommandant einer Panzertruppe, zu den Verteidigern der Pazifikinsel Iwo Jima. Die Einnahme der strategisch wichtigen Insel durch die Amerikaner wurde mit der be­rühmten Aufnahme «Raising the Flag» in aller Welt bekannt. Das Iwo-Jima-Denkmal, nach dieser Aufnahme geschaffen, steht auf dem Gefallenenfriedhof in Arlington in der Nähe der Hauptstadt Washington, D.C. Nach dem Krieg entsandte Japan ab 1952 an sämtliche Olympischen Spiele (mit Ausnahme von 1980) ihre Reiter. Platz 15 im olympischen Jagdspringen von 2004 durch Taizo Sugitani ist dabei die beste Platzierung. Sugitani ist der Sohn von Masayasu Sugitani, der Ende der 60er-, anfangs der 70er-Jahre zusammen mit Takeda die japanische Springequipe bildete. Zu erwähnen ist noch Hiroshi Hoketsu, der 1964 als 23-Jähriger bei den Olympischen Spielen in Tokio das Jagdspringen bestritt und dann 44 Jahre später als Dressurreiter 2008 in Hong­kong wieder zu olympischen Ehren kam. 2012 in London, nun 71-jährig, hatte Hoketsu seinen dritten olympischen Start!

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 13/2019)

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