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Max E. Ammann
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Standpunkt

Luzern 1909 bis 1914

25.10.2016 08:37
von  Max E. Ammann //

Während des kürzlichen, schönen Traditionsfahrturniers in Rothenburg/Sempach erhielt ich von einem dortigen Landwirt, Josef Dormann, die hier abgebildete Fotografie. Es ist eine Postkarte, abgestempelt am 13. August 1913 in Luzern, adressiert von einem Carlo Vigano an eine Mademoiselle R. Vigano in Montreux. Die andere Seite zeigt, unter der Bezeichnung «Concours Hippique Internationale de Lucerne», einen Reiter über einem Hochsprunggestell.

Meiner Einschätzung nach wurde die Fotografie beim Luzerner Turnier von 1912 auf der Halde aufgenommen. Es zeigt den Sieger des Hochsprungs François de Juge Montespieu (FRA) auf Biskra. In Luzern übersprangen die beiden 2.20 Meter. Nur einen Monat später erreichten De Juge Montespieu mit Biskra sowie dessen Berufsreiter-kollege René Ricard auf dem Schimmel Montjoie III beim Turnier in Vittel die damalige Weltrekordhöhe von 2.35 Meter. Dass es nur ein «europäischer» Weltrekord war, merkte damals niemand. Denn nur vier Wochen später übersprang Confidence im kanadischen Ottawa die Höhe von 2.45 Meter. Über den Rekordsprung des Halbbluts Hackney im Besitze der damals prominenten Besitzerfamilie Sifton exis­tiert ein Protokoll.

De Juge Montespieu, Ricard und Leclerc

De Juge Montespieu, Ricard und ein weiterer Berufsreiter, Henri Leclerc, waren in den sechs Jahren vor dem Ersten Weltkrieg das dominierende französische Trio bei den Luzerner Turnieren auf der Halde. Leclerc gewann den Grossen Preis 1911 und 1913, Ricard siegte dazwischen. Neben den Franzosen – zu den Berufsreitern kamen auch erfolgreiche Offiziere – überzeugten in Luzern die Italiener, die mit Giovanni Capece Zurlo und Leone Tappi 1909/1914 den ersten und letzten Luzerner Grand-Prix-Sieger stellten. Für die Schweizer bedeutete der Concours Luzern das internationale Debüt, mit durchzogenem Erfolg. Der Auftakt glück­te: im Eröffnungsspringen des allerersten CHI von Luzern 1909 belegten die Offiziere Oscar Sallmann, Charles von der Weid und Henri Poudret die Ehrenplätze zwei bis vier. Oscar Sallmann war der Vater des Kutschensammlers von Amriswil, Charles von der Weid der Bruder des Olympiareiters von 1924, Henri von der Weid. Henri Poudret brachte 1907, abkommandiert zu den italienischen Kavallerieschulen von Tor di Quinto und Pinerolo, entscheidende Impulse in die Schweiz. Ab 1908 war Poudret Kommandant des eidgenössischen Remontendepots in Bern und Erbauer des dortigen Springgartens. Nach diesem Anfangserfolg dauerte es bis 1914, als Ernst Haccius, ein weiterer Grosser der Schweizer Pferdesportgeschich­te, als erster Schweizer eine Prüfung in Luzern gewann. Haccius war in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen Kommandant des Depots, Equipenchef der Schweizer Springreiter und Parcoursbauer in Luzern.

Gründung des Rennclubs

Im August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Von den damals grossen Turnieren konnten Brüssel, London, Den Haag und Luzern noch durchgeführt werden. Aber Spa, San Sebastian und New York mussten abgesagt werden. Der «Concours Hippique International de Lucerne» wurde 1909 erstmals durchgeführt. Zehn Jahre zuvor, 1899, war der Rennclub Luzern gegründet worden, mit dem Gross­grundbesitzer Emanuel Müller als Präsidenten. Müller besass einen Rennstall und so konzentrierte sich der Rennclub, wie der Name sagt, auf die jährliche Durchführung von Pferderennen auf der Allmend. Sie wurden sehr bald weitherum bekannt. Bald schlossen sich die grossen Rennplätze von Baden-Baden und Auteuil mit Luzern zusammen und bildeten bis zum Ersten Weltkrieg eine Rennserie, die man heute als Triple Crown bezeichnen würde.

CHI dank Pfyffer

Der Concours Hippique Luzern verdankt sein Entstehen dem Hotelier Hans Pfyffer von Altishofen. Der Divisionär war Besitzer des Hotel National in Luzern und hatte auch ein Hotel in Rom. Bei Reisen nach Rom besuchte Pfyffer die Kavallerieschule von Tor di Quinto und die Römer Turniere. Speziell beeindruckt war Pfyffer vom Turnier in Rom 1908. Zurück in der Schweiz diskutierte er seinen Traum eines internationalen Turniers in Luzern mit seinem Hotelierfreund Oscar Hauser (dem Grossvater von Victor, dem langjährigen Präsidenten des Rennclubs und Besitzer des Hotels Schweizerhof). Geboren wurde der Concours Hippique International de Lucerne auf einer der Hotelierfamilie Hauser ge­hörenden Wiese an der Halde am Vierwaldstättersee. Von 1909 bis 1914 fanden dort im Juli internationale Turniere statt, mit dem Hochspringen jeweils als Höhepunkt. 1911 teilten sich die bereits erwähnten De Juge Montespieu und Ricard den Sieg über 2.22 Meter. Jubilee und Montjoie waren die beiden Pferde. 1912 siegte De Juge Montespieu, nun auf Biskra, mit 2.20 Meter. Besitzer von Biskra war der legendäre belgische Bankier Alfred Loewenstein. Bis 1912 galt bei der Hochsprungkonkurrenz die Regel, dass jedes Pferd maximal zehn Versuche hatte. Dann führte die «Société Royale Hippique» Brüssel eine neue Regel ein: drei Versuche auf jeder Höhe. Dies setzte sich international fast augenblicklich durch. Nach dem Ersten Weltkrieg begann Luzern 1920 wieder mit einem nationalen Turnier. Bis 1923 blieb Luzern ein nationaler Concours, bis man 1924, im Vorfeld der Olympischen Spiele von Paris, wieder international ausschrieb. Von da an war Luzern, nun mit FEI-Reglement, ein jährlicher Anlass. Nur 1932 musste das Turnier als Folge der Wirtschaftskrise abgesagt werden. Der erste Nationenpreis wurde erst 1928 ausgetragen. 1927 hatte Luzern die erste grosse internationale FEI-Military durchgeführt sowie eine Testprüfung für das ab 1930 eingeführte FEI-Dressurchampionat. Alles in allem: ein glorreiche ­Luzerner Pferdesportgeschichte!

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 42/2016)

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