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Max E. Ammann
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Standpunkt

Mexiko: Pferdesport und Politik

18.12.2018 11:09
von  Max E. Ammann //

Im August machten Pferdesportler aus Mexiko gleich zweimal Schlagzeilen: Beim CHIO Dublin gewannen vier kaum bekannte mexikanische Springreiter die «Aga Khan Trophy», einen der begehrtesten Nationenpreise. Dann ernannte der neugewählte mexikanische Staatspräsident Andres Manuel Lopez Obrador den Geschäftsmann und Olympiareiter Alfonso Romo zu seinem Stabschef.

Der Sieg der jungen Mexikaner in Dublin weckt Erinnerungen an die grosse Zeit der mexikanischen Springreiter 1946 bis 1956, als sie in New York neun der elf Nationenpreise gewannen. Die Ernennung von «Poncho» Romo zeigt die enge Verbindung der mexikanischen Reiter mit der politischen Macht und deren Umfeld.

Zehnjährige Dominanz

Beides begann in den 40er-Jahren mit der Freundschaft des mexikanischen Staatspräsidenten Manuel Avila Camacho (1940 bis 1946) mit Kavallerieoffizier Humberto Mariles. Dank der präsidentiellen Protektion und Unterstützung konnte der ehrgeizige Mariles eine mexikanische Spring­equi­pe aufbauen, die ab 1946 die Hallenturniere von Harrisburg, New York und Toronto dominierte, wie man es weder zuvor noch seither erlebt hat. In den Jahren 1946 bis 1956 gewannen sie dort 16 Nationenpreise und ebenso vie­le Grosse Preise. Als die Mexikaner 1948 nach Europa kamen und in Rom und Luzern ritten, gewannen sie den Nationenpreis in Rom, wurden Zweite (hinter den USA) in Luzern und ihr Reservereiter Saucedo siegte im Grossen Preis von Luzern. An den Olympischen Spielen von 1948 in London holte Oberst Humberto Mariles Einzelgold und mit Oberst Rubén Uriza und Hauptmann Alberto Valdés auch den Mannschaftstitel. Der Niedergang Mitte der 50er-Jahre erfolgte parallel mit Mariles sukzessivem Rückzug vom Team.
Auch als im Hinblick auf die Olympischen Spiele von 1968 im eigenen Land die mexikanische Regierung Pesos-Millionen zum Ankauf von Pferden und zum Training locker mach­te, gelang die Rückkehr zur alten Glorie nicht mehr. In Mexiko City 1968 wurde die mexikanische Equipe im olympischen Nationenpreis nur Zehnte.

Machtmensch Mariles

Mariles, in seiner damaligen Doppelfunktion als Equipenchef und Erfolgsreiter, war als rücksichtsloser, gnadenloser Machtmensch mit eigenen Vorstellungen des Erlaubten bekannt. Am 14. August 1964, auf einer Strasse in Mexiko, glaubte er, von einem anderen Auto abgedrängt zu werden. An der nächsten Kreuzung hielt er an und erschoss den anderen Fahrer. Nach einer Flucht in die USA stellte er sich und wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach fünf Jahren wurde er vom Präsidenten begnadigt und gleich von ihm empfangen. Am 25. November 1972 wurde Mariles zusammen mit sieben weiteren Männern in Paris wegen Heroinschmuggel verhaftet. Man fand 60 Kilo Heroin. Einige Tage nach der Verhaftung wurde Mariles in seiner Zelle tot aufgefunden. Die Todesumstände wurden nie geklärt.

Raul und Carlos Salinas

In den 70er-Jahren erlebte man einige zivile mexikanische Springreiter, die später Schlagzeilen machten. An der Springreiter-WM von 1970 in La Baule ritten, mit wenig Erfolg, zwei mexikanische Brüder, Raul und Carlos Salinas. Raul war der Ältere aber auch der Stille – im Gegensatz zum geschäftigen 22-jährigen Carlos. Letzterer ging in die Politik und wurde als Mitglied der jahrzehntelang in Mexiko herrschenden «Nationalen Revolutionären Partei» 1988 zum Staatspräsidenten gewählt. Er amtete bis 1994.
Sein Bruder Raul wurde Geschäftsmann. Allerdings, so muss man annehmen, auf Nebenwegen. 1995 wurden seine Ehefrau und sein Schwager in Genf verhaftet, als sie von Rauls Konto 84 Million Dollar abholen wollten. Die offenbar gewaschenen 110 Millionen auf dem Konto wurden eingefroren. Vor zehn Jahren wurden 74 Millionen an die mexikanische Regierung überwiesen. Zu dieser Zeit war Raul Salinas wieder auf freiem Fuss. 1995 war er wegen des Auftragsmordes an einem anderen Schwager zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach zehn Jahren wurde das Urteil aufgehoben.

Olympiareiter und Entführungsopfer

1975 gewann der mexikanische Fernando Senderos die Springprüfung der Panamerikanischen Spie­le. 1976 bestritt er mit dem gleichen Pferd, Jet Run, die Olympischen Spiele in Montreal, wo er auf Platz 21 endete. Jet Run wurde dann in die USA verkauft, wo er mit Michael Matz unter anderem den Weltcupfinal 1981 gewann. Senderos, einer der wohlhabendsten Familien Mexikos entstammend (sie kontrolliert unter anderem die SECO Holding), wurde im Juli 1988 entführt und erst nach der Bezahlung eines Lösegeldes (man spricht von neun Millionen Dollar) wieder freigelassen.

Alfonso «Poncho» Romo

Das letzte internationale Spitzenresultat für Mexiko erreichte Jaime Azcarraga mit dem grossartigen Chin Chin an den Olympischen Spielen von 1988 in Seoul, als die beiden Sechste wurden. In den 90er-Jahren wurde man auf den mexikanischen Geschäftsmann Alfonso Romo, genannt Poncho, aufmerksam. Und zwar gleich mehrfach. Zuerst als Pferdebesitzer, wobei Romo, zum Missfallen der Mexikaner, mit seinen «La Silla»-Pferden Amerikaner und Europäer beritten machte und nicht seine Landsleute. Dann wurde Poncho Romo selber zum internationalen Reiter. 1996 und 2000 ritt er mit mässigem Erfolg bei den Olympischen Spielen. Den wich­tigs­ten Beitrag zum internationalen Pferde­sport leis­tete Romo, als er auf seinem Besitz La Silla in Monterrey einen jährlichen Einladungs-CSI durchführte. Es ging der Spruch «Spruce Meadows war das Hickstead des reichen Mannes – La Silla Monterrey war das Spruce Meadows der noch Reicheren».
Als die von Romo kontrollierten Firmen, vor allem die Saatgutsparte, in Schwierigkeiten gerieten, musste er das Turnier aufgeben. Die Vermögenswerte der Romo-Familie blieben erhalten, aber es fehlte das Bargeld. Nun also der Schritt in die Politik, als Stabschef des neuen mexikanischen Staatspräsidenten Lopez Obrador. Federico Fernandez, der älteste der vier mexikanischen Sieger im «Aga Khan Cup» 2018, hatte 1987 einen Flugzeugabsturz überlebt, bei dem 50 Menschen und fast ebenso viele Pferde ums Leben kamen. Der heute 50-jährige Fernandez erlitt Verbrennungen am ganzen Körper, auch im Gesicht. 2004 und 2008 ritt er für Mexiko bei den Olympischen Spielen und nun dieser Sieg in Dublin für den immer freundlichen Federico.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 50/2018)

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