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Max E. Ammann
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Standpunkt

Nick, John und Michael

26.07.2016 12:47
von  Max E. Ammann //

Die erstaunlichste Selektion für die kommenden Olympischen Spiele in Rio de Janeiro ist wahrscheinlich die Nomination der Briten für das Springen: drei 56- bis 61-jährige Veteranen bilden das Team, dazu nur einer der beiden britischen Superstars der letzten Jahre. «Britain‘s» grosses Nachwuchstalent ist nur Reservereiterin.

Nick Skelton (58), John Whitaker (61) und Micha­el Whitaker (56) sind die drei Veteranen, die im August für Grossbritannien reiten werden. Für Michael werden es die fünften Spiele sein, für John die sechsten und für Nick gar die siebten. Von den beiden britischen Grossen der letzten Jahre (beides Mitglieder der Goldequipe von 2012) wurde nur Ben Maher mit Tic Tac be­rücksichtigt. Scott Brash, lange Zeit die Nummer eins der Welt, musste wegen der Verletzung seiner zwei Spitzenpferde Hello Sanctos und Hello M’Lady verzichten. Die 20-jährige Jessica Mendoza, das grösste Nachwuchstalent, ist mit ihrem 15-jährigen Spirit T nur mitreisende Re­se­r­ve­reiterin.

Aktiv wie eh und je

Die drei britischen Veteranen stiessen alle in den 70er-Jahren in die Welt­elite vor. Eigentlich zur gleichen Periode, als das Quintett Markus und Thomas Fuchs, Willi Melliger, Philippe Guerdat und Walter Gabathuler in der Schweiz die Wachtablösung an der Spitze schaff­te. Während aber von den fünf Schweizern deren vier nicht mehr aktiv mitreiten (drei sind heute Trainer auf Topniveau, einer im Nachwuchsbereich), sind die drei Briten international aktiv wie eh und je. Alle drei zeigten in den letzten Monaten Spitzenleis­tun­gen, in La Baule oder Rom, sodass ihre Nomination mit Big Star (Skelton), Cassionato (Michael Whitaker) und Ornellaia (John Whitaker) eigentlich keine Überraschung ist. John Whitaker, der älteste der vier Söhne von Enid und Donald Whitaker, bestritt 1975 im polnischen Olsztyn seinen ersten Nationenpreis. In der dort ebenfalls startenden französischen Equipe, mit dem Chevalier d’Orgeix als Equipenchef, erlebte auch Pierre Durand sein Nationenpreisdebut (es siegten die Deutschen mit, unter anderen, Lutz Merkel). Die Erinnerung an diesen CSIO Olsztyn ist deshalb so gegenwärtig, weil der polnische Pferdesportverband, unterstützt vom polnischen Touristenverband Orbis, zur ersten Journalisten-EM eingeladen hatte. 27 Journalis­ten traten an, darunter die Schweizer Bernhard Sorg und Anne Hirsch-Bonhôte, der englische «Horse and Hound»- Chefredaktor Michael Clayton, der Niederländer Joep Bartels, die Dänin Dinny Lund und der deutsche Dressurfachmann Heinz Meyer. Sieger und «Europameister» wurde der Tschechoslowake Slavomir Magal. Auf Platz drei der damalige Student und heutige Arzt Bernhard Sorg. Michael Whitaker, den dritten der vier Whitaker-Brüder, erlebte man international erstmals 1977, bei der Junioren-EM in La Tour-de-Peilz am Genfersee. Im darauffolgenden Jahr gehörte der damals 18-Jährige zur siegerreichen britischen Equipe bei der Junioren-EM in Newcastle.

Top Ten in den 80ern

Nick Skelton wurde gar 1975 Junioren-Europa­meister im Einzel in Dornbirn (AUT). Vier Jahre später siegte der 21-jährige Skelton im ers­ten Schweizer Weltcupspringen, beim Hallen-CSIO in der Genfer Les-Vernets-Halle. In den Jahrzehnten seither hielten die drei Briten ihren Platz in der Weltelite, auch wenn in den letzten Jahren mit einiger Mühe. Bei den Brüdern Whitaker fehlten die Pferde, um ganz vorne mithalten zu können – Skelton war nach einem Horrorunfall lange ausser Gefecht. John Whitaker war in der ersten FEI-Computerlis­te, im Herbst 1978 zum Weltcupauftakt erstellt, die Nummer 20. Bereits zwei Jahre später schaffte er die Top Ten und ab 1981 arbeitete er sich bis 1986 auf Platz zwei vor. Von 1987 bis 1993 war, mit einem Unterbruch, John Whitaker die Weltnummer eins. In der Folge blieb er auf den Plätzen drei bis neun, bis er im Sommer 2000 aus den Top Ten fiel. Sein Bruder Michael war in der ersten Computerliste von 1978 nur die Nummer 101. Aber bereits 1983 war er elf – 1984 gar die Nummer zwei. In den Jahren danach bis 1996 war er immer auf Platz zwei oder drei. Dann ging es abwärts, bis er 1997 aus den Top Ten fiel. 2001 kehrte er zurück, dann erneut 2004. Nick Skelton begann 1978 als Nummer 91. Zwei Jahre später war er, nicht zuletzt dank dem Sieg in Genf, bereits die Nummer acht. 1982 und 1983 stand er an der Weltspitze, dann wieder 1985. In den Jahren danach war er, mit Ausnahme von 1992 und 1995 immer in den Top Ten. Aber 1997 fiel auch er zurück.

Milton und Dollar Girl

In diesen Glanz-Jahrzehnten 1979 bis 2000 des Trios erlebte man die zwei Weltcupfinalsiege von John Whitaker mit dem Schimmel Milton, 1990 in Dortmund und 1991 in Göteborg, sowie 1995, wieder in Göteborg, durch Nick Skelton auf Dollar Girl. Den grössten Triumph erlebten die drei aber 1989 bei der EM in Rotterdam. Einzelgold für John, Einzelsilber für Michael, und zusammen mit Nick Skelton (sowie Joe Turi) auch Mannschaftsgold. Bei der EM, zwei Jahre zuvor in St. Gallen, hatten John Whitaker und Nick Skelton hinter Pierre Durand Silber res­pektive Bronze geholt – und zusammen mit Nick Skelton und Malcolm Pyrah auch Teamgold. Auch zwei Jahre zuvor, 1985 in Dinard, hatte es Mannschaftsgold gegeben, mit der gleichen Equipe wie 1987. 1997 gab es bei der EM in Mannheim Mannschaftsbronze, mit den beiden Whitaker-Brüdern. Dies wiederholte sich zehn Jahre später, erneut in Mannheim. Wiederum gehörten Mi­chael und John zur Equi­pe, dazu ihre Nichte Ellen (Tochter von Bruder Steven) sowie der aus Südafrika nach England zu­rückgekehrte David McPherson. 2011, in Madrid mit Nick und John, gab es wieder Bronze, 2013 in Herning, nun mit Michael und den Jungstars Ben Maher und Scott Brash, Gold. Etwas weniger brillant lief es dem Trio bei den Weltmeisterschaften: Dritter Einzelplatz für Nick 1986 und Silber für John 1990. Dazu Mannschaftsmedaillen 1982, 1986, 1990 und 1998. Ihre olympischen Starts waren noch weniger erfolgreich. Für 1976, als die Briten gezwungen waren, nur Amateure zu entsenden, war der junge John Whitaker ein Kandidat. Er wur­de aber, nach einer Verweigerung des achtjährigen Ryan’s Son im Sichtungstraining, nicht berücksichtigt. 1984 gehörten John und Ryan’s Son, zusammen mit Bruder Michael auf Amanda, zur britischen Silberequipe. Nick Skelton musste bis 2012 und seiner sechsten Olympiateilnahme warten, bis es aufs Treppchen reichte: diesmal aber immerhin Gold mit der Mannschaft.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 29/2016)

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