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Max E. Ammann
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Standpunkt

Olympiareiter im Zweiten Weltkrieg

30.06.2015 11:22
von  Max E. Ammann //

Vor 70 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. In den sechs Kriegsjahren starben auch zahlreiche Reiter, unter ihnen Olympiasieger wie Kurt Hasse, Ludwig Stubbendorff und Takeichi Nishi.

Bei den sechs Olympischen Reiterspielen 1912 bis 1926 ritten fast ausschliesslich Offiziere. 1912 in Stockholm und 1932 in Los Angeles starteten überhaupt nur Uniformierte. 1920 in Antwerpen war ein einziger Zivilist, ein französischer Dressurreiter, am Start. 1924 in Paris, bei 111 Startern, immerhin vier Zivilisten, zwei Franzosen und zwei Portugiesen. 1928 in Ams­terdam waren es deren fünf, darunter die gesamte argentinische Spring­equipe sowie der deutsche Dressur-Olympiasieger Baron Carl Friedrich von Langen. 1936 in Berlin ritten ein Norweger und ein Niederländer in Zivil die olympische Vielseitigkeit. Von den Olympiareitern in Uniform waren die meis­ten während des Krieges im Aktivdienst, vor allem natürlich die deutschen. Nicht weniger als vier der neun Reiter, die 1936 in Berlin sämtliche Goldmedaillen gewannen, starben im Krieg: Kurt Hasse, Heinz Brandt, Ludwig Stubbendorff und Rudolf Lippert. Ein fünfter, Konrad von Wangenheim, wurde im Juli 1944 an der Ostfront gefangen genommen und starb neun Jahre später in sowjetischer Gefangenschaft. Von Wangenheim war während der Spiele in Berlin berühmt geworden, als er trotz Schlüsselbeinbruch im abschliessenden Springen der deutschen Mannschaft Olympiagold sicherte.

Stubbendorff und Hasse

Ludwig Stubbendorff, mit Nurmi Military-Olympiasieger in Berlin, fiel als Major am 4. Juli 1941 am Dnjepr, in der Sowjetuni­on. Kurt Hasse, mit Tora Olympiasieger im Springen, fiel am 9. Januar 1943 bei Kriwoi Rog, ebenfalls in der Sowjetunion. Er war Oberstleutnant. Sein Teamkollege Heinz Brandt, Mannschafts-Olympiasieger von 1936, wurde am 20. April 1944 beim Attentat auf Hitler verwundet und starb am nächsten Tag. Brandt war Adjutant von General Heusinger. Indem Brandt die von Claus von Stauffenberg im Sitzungszimmer der Wolfschanze deponierte Tasche mit der Bombe verschob, mag er Hitlers ­Leben gerettet haben. Brandt wurde post­hum zum Generalmajor befördert.

Rudolf Lippert

Rudolf Lippert, zusammen mit Stubbendorff Mannschafts-Olympiasieger in der Vielseitigkeit, fiel kurz vor Kriegsende, am 1. April 1943 bei Bielefeld. Er war als Generalmajor Kommandant der fünften Panzerdivision, als er bei Rückzugskämpfen fiel. Ein weiterer deutscher Olympiareiter, Richard Sahla (1928 in Amsterdam), fiel 1942.

Dziwulski und Szosland

Auch die Polen beklagten viele Kriegstote aus den Reihen ihrer internationalen Reiter: Zdzislaw Dziwulski und Kazimierz Szosland, Olympiareiter von 1924, fielen 1940 und 1944. Henryk Dobrzanski, Sokolowski und Bilwin, alle drei Nationenpreisreiter, starben ebenfalls auf dem Schlachtfeld. Bis 1966 lebte ein weiterer polnischer Olympiareiter von 1924: Tadeusz Komorowski. Unter dem Tarnnamen «Bór» war Komorowski als Brigadier-General Kommandant des gescheiterten polnischen Aufstandes gegen die Nazi-Besatzung in Warschau. Der Aufstand begann am 1. August 1944 und endete am 2. Oktober 1944. Die Briten halfen zu wenig, die Rote Armee schaute, 20 km vor Warschau, zu, wie die schlecht ausgerüsteten Polen von den Deutschen überwältigt wurden.

Giulio Borsarelli

Giulio Borsarelli, einer der grossen italienischen Springreiter der Zwischenkriegsjahre, wurde 1941 als Kommandant der Trento-Division in Nordafrika verwundet und starb darauf. Der Österreicher Herbert Ziegler, Olympiareiter von 1936, fiel 1944 als Angehöriger der deutschen Wehrmacht.

Takeichi Nishi

Der Spring-Olympiasieger von 1932, der Japaner Takeichi Nishi, fiel am 17. März 1945 als Kommandant des 16. Panzer-Regiments bei der Verteidigung der Pazifikinsel Iwo Jima. Der Kampf um Iwo Jima wurde durch eine Fotografie weltberühmt. Sie zeigt, wie amerikanische Soldaten auf der Insel die US-Flagge hissen. Das Foto diente als Vorlage für das Iwo-Jima- Denkmal, das heute auf dem Kriegsfriedhof von Arlington in Washington steht. Die amerikanischen Truppen wussten von Nishi, dem Olympiasieger von Los Angeles. Sie forderten ihn mehrmals zur Übergabe auf – ohne Reaktion Nishis. Das Leben des eleganten japanischen Barons wurde von Hollywood verfilmt.

Heinrich Hersche

Das Leben beider Nie­derländer, Pierre Versteegh, Olympia-Medaillengewinner in der Dressur von 1928, und Eddy Kahn, Olympiareiter in der Vielseitigkeit 1936 in Berlin, wurde von den Nazis beendet. Kahn wurde 1944 auf der Flucht von Holland nach England erschossen. Versteegh, damals 54 Jahre alt, wurde als Mitglied des niederländischen Widerstandes von den Nazis verhaftet und 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen füsiliert. Zu erwähnen ist noch ein Schweizer Kavallerieoffizier, den es, als überzeugten Nazi, zur Waffen-SS zog: Heinrich Hersche gehörte in den 20er-Jahren zur Schweizer Spring­equipe, so 1927 in Dublin, wo die Schweiz mit Hersche den Nationenpreis um den Aga-Khan-Cup gewann. Nach Kriegsausbruch zog Hersche nach Deutschland, wo er es in der Waffen-SS zum Obers­t brachte. Bei Kriegsende kam Hersche vorerst in allierte Gefangenschaft. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz wurde er wegen Dienst für eine fremde Macht zu acht Monate Gefängnis verurteilt. Hersche starb 1971 81-jährig.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 25/2015)

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