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Max E. Ammann
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Standpunkt

Olympische Gedanken

14.10.2014 11:42
von  Max E. Ammann //

Da Skijöring kein Olympischer Sport ist und es die FEI in seiner bald 100-jährigen Geschichte verpasst hat, Springkonkurrenzen auf Schnee als Olympische Wintersportdisziplin vorzuschlagen, mögen die Olympischen Winterspiele die Pferdefamilie nur am Rande interessieren. Aber das gegenwärtige Unbehagen nach dem Rückzug der Kandidatur von Norwegens Hauptstadt Oslo für die Spiele 2022 – dies nach dem früheren Verzicht von Krakau, Stockholm, Lviv, München und Graubünden – berührt die ganze Sportwelt. Da es Parallelen zu den Problemen bei den Weltreiterspielen gibt, wird auch der Pferdesport berührt.

Anfänglich bewarben sich für die Olympischen Winterspiele von 2022 acht Länder, darunter wie erwähnt, solche westeuropäischen Gross­städte wie Stockholm, Oslo und München sowie der Schweizer Kanton Grau­bünden. Die Bündner stimmten im März 2013 über die Wünschbarkeit und Finanzierung einer Kandidatur ab. Dem Bündner Nein folgten aus dem Achterfeld vorerst vier weitere Rückzüge, bis sich vor zwei Wochen der Favorit aller, Oslo, auch abmeldete. Der Verzicht Oslos ist ein schwerer Schlag. Denn die norwegische Hauptstadt hatte bereits 1952 erfolgreiche Olympische Winterspiele durchgeführt und die Spiele von 1994 im ebenfalls norwegischen Lillehammer gehören zu den besten und schönsten in der Olympischen Geschichte.
Nun verbleiben Peking und Almaty. Die chinesische Hauptstadt hat 2008 die Olympischen Sommerspiele organisiert (die Reitwettbewerbe allerdings nach Hongkong ausgelagert) und wird mit Hilfe des ganzen totalitären Staatsapparates auch im Winter reüssieren.
Almaty, bis vor einigen Jahren die Hauptstadt des ölreichen Kasachs­tan, war in den 50er-Jahren das im Westen unbekannte Mekka der Eisschnellläufer. Damals wurden auf der hochgelegenen Eisbahn mehrere Weltrekorde gebrochen; der Erfolgreichs­te der dortigen Sowjetrussen, Jewgeni Grischin, wurde 1956/60 mehrfacher Olympiasieger. Almaty hiess damals Alma Ata und die Eisbahn-Anlage ausserhalb der Stadt kann man immer noch besichtigen, inklusive der bei unserem Besuch verwitterten Holztafel mit allen Weltrekorden.

Fähigkeiten?

Da 2018 die Olympischen Winterspiele in Südkorea stattfinden, dürfte Kasachstan die grösseren Chancen als China haben, die Spiele von 2022 zugesprochen zu erhalten. Geld ist sicher genügend vorhanden, auch wenn es vielleicht nicht die gegen 40 Milliarden braucht, wie in Sotschi. Aber haben die Kasachen die technischen, administrativen und organisatorischen Möglichkeiten, um die Spiele auf die Beine zu stellen?
Denn wie bei den Weltreiterspielen muss in der Regel bei Olympischen Spielen alles neu gebaut werden und auch der ganze administrative Apparat muss von Null aufgestellt werden. Man erinnere sich an das organisatorische Desaster der Olympischen Sommerspiele von 1996 in Atlanta und die Mängel der Weltreiterspiele von 2010 in Kentucky und 2014 in der Normandie.
Für die nächsten Weltreiterspiele von 2018 gab es ursprünglich acht Kandidaten. Der Reihe nach gaben Australien, Russland, Schweden, Ungarn, die USA, Marokko und Österreich auf. Übrig blieb Kanada mit dem 80 Kilometer südlich von Montreal gelegenen Bromont – Austragungsort der Olympischen Reitwettbewerbe von 1976. Das war im Sommer 2013. Die FEI hatte jedoch Zweifel an der finanziellen Basis der Bromont-Kandidatur. Vor allem fehlte die Unterstützung der öffentlichen Hand.
Ein neuer Bewerbungsprozess wurde eröffnet: England, Florida, Kentucky und erneut Bromont meldeten sich. Die englische Bewerbung entpuppte sich als heisse Luft – der eine US-Kandidat zog sich zurück, als er einen Konflikt zwischen ihrem Grosssponsor Rolex und dem FEI-Partner Longines fürchtete. Der andere US-Kandidat unterlag gegen Bromont, möglicherweise wegen eben diesem Sponsoren- Konfliktpotenzial.
In der Zwischenzeit hatten die Kanadier eine 20 Millionen Finanzzusage der Provinzregierung von Quebec erhalten. Damit können die seit Jahren geplanten Infrastrukturverbesserungen auf dem einstigen Olympiage­lände begonnen werden. Damit hat Bromont möglicherweise bessere Voraussetzungen als frü­here WEG- Organisatoren (Aachen ausgenommen), die alles von null aufbauen muss­ten. Aber Vorbehalte und Zweifel bleiben bestehen. Wer bezahlt – in einer westlichen Demokratie – die Giganten-Anlässe wie Weltreiterspiele oder Olympische Spiele?

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 41/2014)

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