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Max E. Ammann
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Standpunkt

Pferd und Kunst

21.04.2015 13:42
von  Max E. Ammann //

Kürzlich traf ich an einer Vernissage im Thurgauer Kunstmuseum in der Kartause Ittingen wieder einmal Alex Hanimann, einer der bedeutendsten Schweizer Künstler der Gegenwart. Der St. Galler Hanimann, 1955 geboren, hat nicht nur gelegentlich in seiner Arbeit das Pferd als Mal-Objekt verwendet – er ist auch als erfolgreicher Züchter von Sportpferden eng mit dem Pferd verbunden. Es mag so interessieren, etwas über das Pferd in der Kunst zu lesen.

Wenn man die Klassiker-säle der grossen Kunstmuseen durchwandert, staunt man immer wieder, wie oft und wie intensiv die grossen Maler des 16. bis 19. Jahrhunderts sich mit dem Pferd befasst haben. Das Pferd war das wichtigste Tier: an den königlichen Höfen, im Militär und in der Landwirtschaft. Das Pferd war Bestandteil des täglichen Lebens und damit auch des Malers oder Bildhauers.
Dabei gehörten damals auch die als eigentliche Pferdemaler berühmt gewordenen wie George Stubbs in England, Wilhelm von Kobell in Deutschland oder der Genfer Jacques Laurent Agasse zu den Grossen ihrer Zunft. Nicht zu vergessen Théodore Géricault (1791 bis 1824), zu dessen Grosssammlern der Schweizer Industrielle und Olympiareiter Hans Ed. Bühler gehörte. Als Sohn Anton im Februar 1985 die Géricault Sammlung seines Vaters bei Christie’s in London versteigern liess, wurde für die reiche Auswahl an Pferdebilder ein separater Auktionskatalog gedruckt. Und dann muss man die «Gotthard Post» von Rudolf Koller (1828 bis 1905) erwähnen, die im Kunsthaus Zürich hängt.
Heute sind die Pferdemaler zum künstlerischen Sonderfall geworden. Als 1982, anlässlich der Dressur-WM in Lausanne, das Lausanner Musée d’Art eine vielbeachtete Ausstellung «Fantaisie Eques­tre» über das Pferd in der Kunst präsentierte, fehlte der wohl bedeutendste aller Schweizer Pferdemaler Iwan E. Hugentobler, dessen Aquarelle und ­Lithographien noch zu jener Zeit in den Stuben vieler Schweizer Pferdefamilien hingen. Auch vom kürzlich verstorbenen Hans Erni fehlten in Lausanne die doch so populären Pferdebilder. ­Erika Billeter, die damalige Direktorin des Museums und Kuratorin der Ausstellung in ihrem Haus, kam zwar als interessierte Besucherin nach Chalet à Gobet zu den WM-Vorführungen. Aber angesprochen auf das Fehlen von Hugentobler und Erni in ihrer Ausstellung war sie dezidiert in ihrer Ablehnung.

Auch heute noch präsent

Aber das Pferd ist weiterhin präsent in der zeitgenössischen Kunst, wie sie von den massgebenden Meinungsmachern ge­sehen wird. Allerdings zählt nicht mehr das lebensähnliche Abbilden, sondern die Interpretation oder wie im Fall von Alex Hanimann die Darstellung des Pferdes als Subjekt oder Inhalt, seine Form, sein Charakter, die Stärke, die Schönheit, die Ausstrahlung.
Die US-Malerin Susan Rothenberg ist die vielleicht bekannteste Künstlerin, die das Pferd als «Subject Matter» verwendet hat. Die heute 70-Jährige lebt mit ihrem Ehemann,
dem berühmten Künstler Bruce Nauman, auf einer Farm in New Mexico, umgeben von Pferden. Auch Deborah Butterfield, berühmt geworden durch ihre Pferdeskulpturen, zusammengebaut aus Metall oder Holzabfällen, lebt mit Pferden, auf einer Farm in Montana.
Dann ist der kürzlich verstorbene Richard McLean zu erwähnen, einer der bedeutendsten amerikanischen Fotorealisten, ein Stil, der in den 70ern und 80ern äusserst beliebt war. Chuck Close, Richard Estes und Ralph Goings sind andere Fotorealisten, in der Schweiz ist es Franz Gertsch. McLean, der in den grössten Museen Amerikas ausstellte, hatte als Subjekt das Pferd gewählt. Damit wurde er berühmt. Als er einmal bei einem Reitturnier in Kalifornien ausstellte, waren die Besucher verblüfft, nicht zuletzt von den Verkaufspreisen seiner Werke, sie entsprachen nicht den gängigen Preisen der bekannten Pferdemaler für künstlerische Abbilder, sondern mehrfach höher den Preisvorstellungen seines New Yorker Galleristen.
Andere bekannte zeitgenössische Künstler, die gelegentlich oder des Öftern auf das Pferd zurückgreifen, sind der Deutsche Antonius Höckelmann und die Amerikanerin (eine Flathead Indianerin), Jaune Quick-to-See-Smith. Selbst der Deutsche A.R. Penck und der neben Andy Warhol wohl berühmteste der Pop-künstler, Roy Lichtenstein, malten einige Pferde, Letzterer das Plakat der Olympischen Spiele von 1984.
Wir selbst sammeln Kunst von Aussenseitern. Eine Auswahl wurde 2011 in der Kartause Ittingen gezeigt, darunter mehrere Pferdebilder.  Acht Jahre zuvor gab es im Rahmen des CSIO St. Gallen eine Ausstellung im Museum im Lagerhaus in St. Gallen «Das Pferd in der Aussenseiterkunst». Markus Fuchs und Tinka’s Boy, die Weltcupsieger des Jahres 2001, waren auf dem Plakat und auf dem Katalog. Der französisch-belgische Künstler Yves Fleury hat das Acrylbild nach einem Foto gemalt. So war es schön, dass Markus und seine Frau Maja bei der Vernissage im Mai 2003 dabei waren und CSIO-Präsident Peter Stössel einige Tage später bei der CSIO-Führung durch die Ausstellung.
Philippe Saxer, François Burland, Hans Krüsi, Adolf Dietrich, Jakob Greuter, Pya Hug, Erich Staub, Ulrich Bleiker, Louis Soutter und Aloise Corbaz gehörten zu den Schweizer Aussenseiterkünstlern, die damals in St. Gallen ausgestellt wurden.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 15/2015)

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