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Max E. Ammann
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Standpunkt

Pferdesport in Belgien

31.05.2016 13:10
von  Max E. Ammann //

Fährt man auf der Autobahn A1/E19 von Antwerpen zur niederländischen Grenze, sieht man eine Hinweistafel mit drei Ortsnamen: Ekeren, Brasschaat und Schoten. Dem Pferdesportinteressierten kommen Erinnerungen: Ekeren war doch einige Jahre ein CSIO, Brasschaat ein CDI, der dann vom CDI Schoten abgelöst wurde. Ein Blick auf die Karte zeigt: Die drei ehemaligen Turnierorte liegen alle nahe beisammen, rund zehn Kilometer von Antwerpen entfernt. Und fünf Kilometer weiter ist Kapellen, ebenfalls einige Jahre Austragungsort des belgischen CSIO.

Antwerpen selbst beherbergte jahrzehntelang im Sportspaleis ein Weltcup­turnier, bis es von Mechelen abgelöst wur­de, rund 20 Kilometer südlich von Antwerpen gelegen. Dazu kommt Heide-Kalmthout, nördlich von Kapellen, in den 80er-Jahren ein schöner CCI. Sieben internationale Reitturniere innerhalb knapp 40 Kilometern, das verdient Beachtung. Aber Belgien hat nicht nur die wohl grösste Dichte an internationalen Turnieren – fast alle sind allerdings verschwunden – sondern auch gute Reiter und Fahrer und, man denke an den jetzigen FEI-Präsidenten, auch hohe Funktionäre.

1881 im «Zimmerwald»

Der erste verbürgte Concours Hippique in Belgien wurde 1881 vom «Royal Cercle Equestre» im «Bois de la Cambre» durchgeführt. Einige Jah­re später wechselte man in die «Hall du Cinquantenaire» in Brüssel. Ab 1949 kopierten die Belgier das Format des 1947 erstmals in Paris erprobten «Jumping», das dann durch die englische «Horse of the Year Show» zum Publikumserfolg wurde. 1896 gab es in Belgien bereits fünfzehn grosse Reitturniere, neben Brüssel vor allem Spa. Im belgischen Badeort wurde 1899 erstmals eine Triplebarre gebaut und 1900 erstmals über eine «open ditch» gesprungen. 1905 schrieb die «Société Royale Hippique» ihre Offiziersprüfung beim Concours in Brüssel erstmals nach dem Drei-Tage-Format des französischen «Championnat du Cheval d’Armes» aus, und dies gleich international. Am ersten CCI starteten 34 Reiter: 14 Franzosen, sechs Schweden und drei Spanier. Der erste Nationenpreis der Springreiter in Belgien wurde 1910 in Brüssel geritten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselten Ostende und Le Zoute in der Organisation des belgischen CSIO ab, dann kamen, jeweils für Kurzperioden, Ekeren, Chaudfontaine, Lanaken, Kapellen und Mechelen, bis er ab 1999 in Lummen eine Bleibe fand. Weltcupturniere der Spring­reiter gab es zuerst in Antwerpen, dann Brüssel und schliesslich Mechelen.

CDI Brasschaat

Mariette Withages organisierte in den 70er-Jahren ihren ersten CDI in Brasschaat, bevor sie ihn ins benachbarte Schoten in den Schloss­park verlegte. Der erste CCI Hei­de-Kalmthout wurde 1973 geritten. Die einzige WM, die Belgien durchführte, war die der Viererzugfahrer 1996 in Waregem. Ebenso bescheiden ist der belgische Beitrag an Europameisterschaften. Nur 1949 fand der damals noch FEI-Championat genannte Vorläufer der Dressur-EM in Le Zoute statt (mit drei Startern und dem Schweizer Oskar Frank auf Cyprian als Sieger) sowie 1957 die EM der Amazonen in Spa.
Die belgischen Springreiter spielten in den 15 Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eine führende Rolle. Da waren der Herrenreiter Georges van de Poele und die Offiziere Constant und Charles van Langendonck, Aimé Haegeman, Albert und Charles de Selliers de Moranville sowie die Teilnehmer an den Olympischen Spielen von 1912, Gaston de Trannoy und Emmanuel de Blommaert (Letzterer mit Einzelbronze im Springen). Zu erwähnen noch Bankier Alfred Loewenstein, damals der vielleicht wichtigste Pferdebesitzer und auch im Sattel erfolgreich. 1928 war sein nie ganz abgeklärtes Verschwinden aus einem Privatflugzeug über dem Ärmelkanal.
In den Zwischenkriegsjahren, international aus­schliesslich mit Offizieren antretend, ge­hörte vor allem die Springequipe zur europäischen Spitze. 1920 holte sich Belgien Olympiasilber. Zu den belgischen Spitzenreitern jener 20 Jahre gehörten die späteren FEI-Generalsekre­täre Roger Moeremans d’Emaus und Hen­ry de Menten de Horne, weiter Georges van Derton, Jacques Misonne, Baudoin de Brabandere und Georges Ganshof van der Meersch. Die meisten von ihnen bestritten auch die damals noch seltenen Vielseitigkeitsprüfungen. In der Dressur spielten die Belgier nie eine führende Rolle.

Lansink und Lejeune

Die grössten Spring­erfolge der Jahre seit 1945 waren Mannschaftsbronze im Springen an den Olympischen Spielen 1976 sowie die beiden WM-Titel 2006 und 2012 durch Jos Lansink und Philippe Lejeune. Die Bronzeequipe von 1976 bildeten Eric Wauters, Stanny van Paesschen, Edgar-Henri Cuepper und François Mathy, von denen Letzterer auch Einzelbronze gewann. Der letzte belgische Triumph kam im letzten Herbst, als Belgien in Barcelona den Final der FEI-Nationenpreisserie gewann (und zuvor den Nationenpreis beim CSIO St. Gallen). Der erfolgreichste belgische Pferdesportler der letzten 20 Jahre war zweifelslos der Viererzugfahrer Felix Brasseur: Weltmeister 1996 und 2006 und Gewinner von vier Mannschafts-WM-Medaillen, darunter Gold 1996. Von den CC-Reitern sei Karin Donckers erwähnt: fünfmalige Olympiateilnehmerin mit zwei Top-Ten-Plätzen.
Bemerkenswert, wie viele der belgischen Spitzenreiter früherer Jahre erfolgreiche Sprösslinge haben: François Mathy, Stanny van Paesschen, Axel Verlooy, Ludo Philippaerts. Sie alle haben heute mit Erfolg reitende Söhne.
Von den 14 FEI-Präsidenten seit 1921 waren deren zwei Belgier: Olympia­rei­ter Gaston de Trannoy (1946 bis 1954) und Ingmar de Vos (seit 2014). De Vos war (2011 bis 2014) auch einer der vier belgischen FEI-Generalsekretäre – von nur elf total. Die andern sind Moeremans (1951 bis 1956) und Menten (1956 bis 1976) sowie Etienne Allard (1989 bis 1995).

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 21/2016)

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