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Max E. Ammann
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Standpunkt

Selbsterlebte olympische Anekdoten (3. und letzter Teil)

26.03.2019 15:37
von  Max E. Ammann //

Vor einiger Zeit habe ich in der «PferdeWoche» die Geschichte des Weltcups in Anekdoten erzählt. Beim Niederschreiben jener Weltcuperlebnisse erinnerte ich mich zwangsläufig auch an Geschehnisse bei Olympischen Spielen, FEI-Versammlungen und Sitzungen. Meine Erlebnisse bei diesen Olympischen Spielen seien hier erzählt.

Atlanta 1996

1996 bot die schlechteste Organisation der von mir besuchten Olympischen Spiele. Ich war olympischer Pressechef für den Pferdesport und hatte, in weiser Vorausahnung der zu erwarteten Schwierigkeiten, mit Edith, Beatrice und Ralph drei in Pressearbeit erfahrene Mitarbeiter aus Europa nach Atlanta mitgenommen. Dank ihnen funktionierte die Pressestelle Pferdesport. Dies im allgemeinen Organisationschaos voller Inkompetenz und Ahnungslosigkeit. Beizufügen ist, dass die technische Abwicklung der Reitwettbewerbe tadellos verlief. Die Misere passierte in der allgemeinen AOOC-Organisation und Administration. Das halbe Dutzend Restaurants im Dorf Conyers, wo 1996 die Reitwettbewerbe durchgeführt wurden, brachte Trost am Abend. Wie schon 1988 in Seoul wurde auch 1996 ein japanisches Restaurant zum Lieblingsort.
Gegen Ende der Spiele lud ich ein Dutzend FEI-Leute zum japanischen Essen ein; nicht zur Sushi-Bar am Eingang, sondern zum Teppanyaki-Tisch im Innern des Restaurants. Als ich mit Doña Pilar, der FEI-Präsidentin, das Restaurant betrat, begrüss­te mich der Sushi-Mann mit: «Mister Ammann und Mama San.» Als ich zum ersten Mal dort an der Sushi-Bar sass, betrachtete mich der gleiche Sushi-Mann mit mitleidigen Augen. Auf meiner Akkreditierung war nur eine Zahl: eine Null. Der Sushi-Mann erklärte mir, tags zuvor sei ein Mr. Klimke hier gewesen, und der habe fünf Zahlen auf seiner Akkreditierungskarte gehabt. Ich beruhigte ihn: Null heisse: alle Zahlen von eins bis neun, also Zugang zu allem.
Eines der delikatesten Proble­me der zwei Wochen Atlanta 1996 war die gleichzeitige Präsenz der beiden grossen Tierschutzorganisationen «Humane Society» (Gesellschaft zur Verhinderung von Grausamkeiten an Tieren) und der «Internationalen Liga für den Schutz von Pferden». Die Letztere arbeitete nach dem Motto «gebrauchen ja, aber nicht miss­brauchen», wogegen die «Humane Society» in ihrem extremen Anspruch keinerlei Verwendung des Pferdes, weder für Sport, Militär, Landwirtschaft, Zirkus noch für Freizeiterholung duldete. Vertreterin der massvolleren Vereinigung «use yes, mis-use no» in Conyers war die Filmschauspielerin Bo Derek. Es war für mich ein spezielles Vergnügen, eine gemeinsame Pressekonferenz der beiden «Bo» zu leiten, die schöne Bo Derek und der nüchterne Generalsekretär der FEI, Bo Helander.

Sydney 2000

Nach der organisatorischen Misere von Atlanta wurden die Olympischen Spiele von 2000 in Sydney zu den schönsten, angenehmsten und geglückten Spielen, die ich erlebt habe. Die Leute im Horsley Park waren kompetent, hilfsbereit und man konnte sich aufeinander verlassen. Das Organisationskomitee im Horsley Park stellte mir, wie zuvor auch Barcelona und Atlanta, einen Golfwagen zur Verfügung: einen sehr speziellen. Für IOC-Präsident Samaranch hatte das SOOC einige im antiken Stil gebaute Golfwagen konstruiert, die an Nachbildungen von Automobilen der Frühzeit erinnerten. Da Samaranch wegen der Erkrankung seiner Ehefrau nach Spanien zurückkehren musste, erhielt ich den verwaisten Fantasie-Golfwagen.

Athen 2004

In Athen erinnere ich mich an die «Olympic Lanes», reservierte Fahrbahnen auf allen grösseren Strassen zwischen den Stadien und den Unterkünften. Es dauerte einige Zeit, bis die Griechen merkten, dass sie wirklich nur für die akkreditierte Olympiafamilie da waren – Hunderte von ihnen wurden erwischt und, so ist anzunehmen, gebüsst.
Die Busseneinnahmen reichten allerdings nicht aus, um die gewaltigen Infrastrukturkosten dieser Olympischen Spiele von Athen zu decken. Nicht zuletzt für den Pferdesport, wo nebeneinander in Markopoulo gleich zwei Stadien gebaut wurden, eins für das Springen, das andere für die Dressur, mit Zuschauerkapazitäten von 10000 respektive 8100.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 12/2019)

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