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Max E. Ammann
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Standpunkt

Selbsterlebte olympische Anekdoten, Teil 1

12.03.2019 11:14
von  Max E. Ammann //

Vor einiger Zeit habe ich in der «PferdeWoche» die Geschichte des Weltcups in Anekdoten erzählt. Beim Niederschreiben jener Weltcuperlebnisse erinnerte ich mich zwangsläufig auch an Geschehnisse bei Olympischen Spielen, FEI-Versammlungen und Sitzungen. Meine Erlebnisse bei diesen Olympischen Spielen seien in drei Teilen hier erzählt.

Von 1972 bis 2004 besuchte ich acht Olympische Sommerspiele, fast jedes Mal in irgendeiner Funktion. Nur 1980 war ich nicht dabei. Ich war zwar akkreditiert, sogar in der Kategorie B, der zweithöchsten. Aber der umfassende Olympia-Boykott der westlichen Länder veranlasste dann die FEI, auf die Mitnahme eines Media-Mannes zu verzichten.

München 1972

Meine ersten Olympischen Spiele waren diejenigen von München 1972, die überschattet wurden vom blutigen Attentat auf die israelische Mannschaft. Ich lebte damals als Auslandskorrespondent in New York und begann meinen Europaaufenthalt mit sieben Tagen Ferien in Portugal. Dort besuchten meine Frau und ich den CSI in Cascais-Estoril.
In München hatte der olympische Beherbergungsdienst für mich ein Privatzimmer reserviert. Als ich dort per Taxi ankam, war niemand zu Hause. Dies, obwohl ich meine Ankunft schriftlich angekündigt hatte. In der Not rief ich die Eltern eines New Yorker Freundes an, und tatsächlich, die Familie Dachgruber hatte ein Zimmer für den gestrandeten Olympiabesucher.
Am nächsten Tag kam der erste Wettkampfbesuch, die Dressur der Vielseitigkeit in Riem. Ich kam aus dem feuchtwarmen New York und aus dem angenehm heissen Cascais-Estoril. Auf die bayrische Kühle war ich nicht vorbereitet. Nach dem Kälteschock bei der Ankunft in München kam es zwei Wochen später bei der Rückkehr bei New York zum Gewichtsschock. Denn das deftige bayrische Essen hatte mein Gewicht nahe an die kritische 80-Kilogramm-Grenze gebracht.
Das Essen wurde in München fast jeden Abend in Gesellschaft von mehrheitlich deutschen Journa­lis­tenkollegen eingenommen. Dabei hatte der biedere Schweizer Anschauungsunterricht, wie man mit Spesen umgehen kann. Man teilt die Restaurantrechnung unter den Anwesenden auf. Dann verlangen Einzelne einen handschriftlichen Beleg «Für Essen und Trinken», mit einem vom Betreffenden vorgegebenen Fantasiebetrag.

Montreal 1976

Nach diesen eher trivialen Erlebnissen 1972 in München, wurde es 1976 in Montreal ernster. Das heisst in Bromont, etwa 90 Kilometer südöstlich von Montreal, wo mit Ausnahme des Mannschaftsspringens sämtliche Reitwettbewerbe ausgetragen wurden. Prinz Philip, der damalige FEI-Präsident, weilte die ganzen zwei Wochen in Bromont. Auch die Königin kam auf Besuch, nicht zuletzt ihrer Tochter Anne wegen, die die Military bestritt.
In Bromont gab Prinz Philip seine erste Pressekonferenz exklusiv für akkreditierte Pferdesportjournalisten. Mit ihm an die Pressekonferenz kam der damalige FEI-Generalsekretär, der belgische Chevalier de Menten de Horne, ein distinguierter Gentleman. Beide kamen direkt von einer Sitzung des FEI-Bureaus, des FEI-Vorstandes. Meine Eröffnungsfrage an Prinz Philip war denn auch, ob er über die Diskussionen und Ergebnisse der Bürositzung informieren wolle. Bevor der Prinz antworten konnte, reagierte De Menten: «Noch nie sei die Presse über die Beratungen des FEI-Bureaus informiert worden.» Prinz Philip, schon immer der unkonventionelle Autokrat, schnitt dem Chevalier das Wort ab und erklärte: Natürlich werde er über die Bureau-Sitzung sprechen. Es war der Beginn einer offeneren Informationspolitik der FEI.
Einige Tage zuvor hatte mich der starke Mann hinter Bromont, Roland Désourdy, zum Lunch ins Olympia-House eingeladen. Ich kam mit Roland von Siebenthal. Wir wurden von Désourdy und seiner Sekretärin Maureen empfangen. Nach dem Cocktail bat er mich, mit Maureen den Wein auszusuchen. Ich folgte ihr nach unten – in die autoleere Garage. Dort lagerten Dutzende von Weinkis­ten, mit den besten Grand Crus der bekanntesten «Châteaux du Bordelais».
Dieser Lunch im Olympia-House blieb für Roland von Siebenthal und mich die beste, wenn nicht die einzige Spitzenmahlzeit der Tage in Bromont. Denn abgesehen vom Hotel Bromont gab es im Dorf mit seinen paar tausend Einwohnern kein Restaurant. Auf dem Gelände, im Pressezentrum, konnte man nur schwammige Schinkensandwiches kaufen, und im Hotel Bromont logierten die Offiziellen und blockierten die Tische. Per Zufall entdeckten wir im Wald eine Hütte, wo sich die Waldarbeiter verpflegen konnten. Dort wurden bald auch wir Journalisten zu Stammgästen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 10/2019)

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