Der Brexit – der Austritt Grossbritanniens aus der EU – wird, wenn überhaupt, nur minimale Auswirkungen auf den internationalen Pferdesport haben. Möglich ist, dass die britischen Turniere, Hickstead, grössere Mühe haben werden, ihr Preisgeldniveau zu halten, und dass die britischen Reiter wählerischer bei ihren Auslandstarts sein müssen. Dafür wird es für Schweizer Pferdesportbegeisterte billiger, auf die britische Insel zu reisen: Der lang gehegte Traum eines Besuchs im legendären Hickstead oder Badminton könnte realisiert werden.
Den Brexit, so entfernt er von rationalem Denken ist, kann man eigentlich nur mit einer tiefverwurzelten Haltung der Briten erklären; mit dem, was man gelegentlich als «splendid isolation» bezeichnet. Und zur Erklärung eben dieser «Besser-als-andere»- Haltung, gibt es einige Beispiele aus dem Pferdesport. Als französische Pferdesportkreise Ende der 40er-Jahre für ihre nationale Springreitermeisterschaft den Pferdewechselfinal erfanden, und die FEI, einige Jahre später, mit dieser Formel ihre erste Weltmeisterschaft ausschrieb, winkten die Engländer ab. Einer derartigen Erfindung der ungeliebten «Frogs», die von der meistens ignorierten FEI adoptiert worden war, trauten die Briten nicht. Der britische Pferdesportverband war vehement gegen die Pferdewechsel-WM und so nahmen weder 1953 noch 1954 britische Reiter teil. Erst für die dritte Austragung von 1955 erlaubte der Verband wenigstens einem Offizier der damals in Deutschland stationierten «Army of the Rhine», Ronnie Dallas, eine Teilnahme. Dallas schaffte es in den Viererfinal, wo er, nach dem Ausscheiden von Pierre Jonquères d’Oriola, Dritter hinter Hans-Günter Winkler und Raimondo d’Inzeo wurde – allerdings mit 40 Fehlerpunkten gegenüber je acht für die um den Sieg stechenden Winkler und D’Inzeo.
Englische Sprache
Als 1974 die Springreiter-WM erstmals auf der Insel ausgetragen wurde, kam das Angebot an Douglas Bunn, den Master von Hickstead, bei der WM auch eine französische und vielleicht deutsche Ansage vorzusehen. Duggie Bunn lehnte mit den Worten ab: So lange ich in Hickstead bestimme, wird hier nur englisch gesprochen. Als 1978 der Springreiterweltcup eingeführt wurde, weigerten sich die Organisatoren des Weihnachtsturniers von London Olympia, in diesem «fragwürdigen» Projekt mitzumachen. Erst nach dem Erfolg der ersten Saison 1978/79, und vor allem dem Final 1979 in Göteborg, wurde Olympia Weltcupstation. Der gleiche Raymond Brooks Ward bezeichnete übrigens konsequent den europäischen Kontinent als Europa, als ob sein eigenes England respektive Grossbritannien nicht auch zu Europa gehören würden.
Fast zehn Jahre später wollte ich als Pressechef der EM der Springreiter 1987 in St. Gallen eine internationale Medienequipe: Die besten Pressebetreuer Europas sollten für die in St. Gallen arbeitende Journalistenschar da sein. Marie-Odile Desvignes aus Frankreich, Denise van der Net aus den Niederlanden und Edith de Reys aus Belgien kamen mit Begeisterung. Liz Dudden aus England, die geschätzte Pressechefin von Olympia, wollte auch. Aber ihr Boss liess sie nicht: «Meine Pressechefin dient nicht in einem Team in Europa.»
Englische Überheblichkeit
Das alles mag banal klingen. Aber es umschreibt eine Haltung, die in englischen und britischen Kreisen tief verwurzelt ist: Überheblichkeit (die Weltmacht Grossbritannien, immer noch sichtbar im Commonwealth und England als Wiege des Sports) und das selbst auferlegte Wohlbefinden der Isolation, des Von-niemandem-abhängig-Sein. Zu dieser Grundhaltung vieler Briten kam die Abneigung, ja Verachtung für die EU: für die Arroganz der EU-Bürokraten in Brüssel und die oft hilflosen Politiker (sowohl die, die von ihren Ländern nach Brüssel delegiert worden sind, wie auch die eigenen Regierungen, die sich ja so oft zu grossen Sitzungen treffen). Zählbares Resultat danach ist des Öftern nur ein Gruppenbild, mit den Politikerdamen in der Mitte. Natürlich gibt es auch rationale Gründe, die britische Wähler zum Brexit veranlasst haben. Aber diese Mischung von sich selbst überschätzendem In-sich-selbst-Ruhen mit der Verachtung für die EU Administration in Brüssel bildete die Basis für den Wahlausgang.
(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 27/2016)
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