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Max E. Ammann
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Standpunkt

Über die Nationenpreisgeschichte

31.10.2017 13:36
von  Max M. Ammann //

In der Vorschau zum Nationenpreisfinal in Barcelona schrieb Louise Parkes im offiziellen FEI-Text vom Abschluss der «108th season FEI Nations Cup Jumping». Die Pressebe­auftragte eines österreichischen CSI machte in ihrer Pressemitteilung daraus «das 108. Finale des FEI-Nationenpreises». Beides ist nicht zutreffend. Louises Text ist immerhin sinngemäss, der österreichische Beitrag voll daneben. Überdies: Da 1909 die ersten Mannschaftsprüfungen ausgetragen wurden, war 2017 das 109. Jahr und nicht das 108.

Korrekt ist, dass in Barcelona 108 Jahre nach den ersten nationenpreis-ähnlichen Mannschafts­prüfungen von 1909 der Final durchgeführt wurde. Aber es war nicht das 108./109. FEI-Jahr. Denn die FEI wurde erst 1921 gegründet und nahm erst ab 1930 offiziell Anteil an dieser dann bereits 20-jährigen Mannschafts­prüfung. Bis die FEI die Nationenpreise in einer Serie bündelte, dauerte es bis 1965. Der erste Nationenpreisfinal fand erst 1991 statt und wurde nicht wiederholt. Erst ab 1997 kam es dank dem Sponsorship von Samsung zu jährlichen Nationenpreisfinals, allerdings mit wechselnden Formeln und Formaten.
Das alles ist kompliziert und verwirrend, reflektiert aber die Geschichte der FEI. In den ersten zehn Jahren nach der Gründung 1921 beschäftigte sich die FEI fast ausschliesslich mit den 1912 eingeführten olympisch­en Reitwettbewerben. Dies zeigte sich auch darin, dass bis zum Zweiten Weltkrieg die FEI-Präsidenten alle vier Jahre wechselten und jeweils aus dem Veranstalterland der nächsten Olympisch­en Spiele kommen muss­ten. Ab 1930 versuchte die FEI Ordnung in den Jahreskalender der internationalen Veranstaltungen zu bringen. Aber für die Barone und Obersten an der Spitze der FEI blieben die «Rules and Regulations» das Hauptinteressengebiet. Der Sport wur­de verwaltet, aber kaum geführt. Promotion, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit war unbekannt. Eine Folge dieses Unwissens war die zögerliche Haltung der FEI in Bezug auf die Einführung von Welt- und Kontinentalmeisterschaften. Selbst die FEI-Dressurchampionate der Vorkriegsjahre waren Vergleichswettkämpfe der berittenen Truppen und niemand dachte an interessierte Zuschauer und an eine ­Werbung für die Dressur. Championate für die Spring- und Militaryreiter führte die FEI erst 1953 ein.

Wegweisende Jahre

Betrachtet man die 109-jährige Geschichte des Nationenpreises, so erkennt man mehrere wegweisende Jahre: 1909, 1930, 1965, 1987, 1991, 1997, 2003 und 2013. 1909 dachten zwei Organisatoren gleichzeitig daran, die anwesenden Offiziere eine Mannschaftsprüfung reiten zu lassen. In Londons Olympiahalle kam es so im Juni 1909 zur ersten Mannschaftsprüfung, heu­te Nationenpreis genannt. Sechs Nationen stellten eine Equipe mit je drei Reitern. Frankreich siegte vor Italien, Grossbritannien, Kanada, Belgien und Argentinien. Drei Monate später, nun im Freien, starteten im spanischen San Sebastian sieben Equipen zu je fünf Reitern. Italien gewann vor Spanien, Argentinien, Belgien, Frankreich, Portugal und Grossbritannien. Ab 1910 folgten die ersten Nationenpreise in Brüssel, Turin, Rom, New York, Den Haag und Spa. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden insgesamt 21 Nationenpreise ausgetragen. Die Franzosen gewannen deren sechs. Je fünfmal siegten Belgien und die Niederlande, dreimal die Russen und zweimal Italien. Die Schweiz bestritt keinen Nationenpreis.

Viele Siege für Italien und Deutschland

1921 wurde die FEI gegründet. In Sachen Nationenpreise ging es wie vor dem Krieg weiter: Jeder Landesverband respektive jeder Veranstalter machte seine eigenen Regeln und es gab pro Land bis zu drei Nationenprei­se. Von 1920 bis 1930 wurden 79 Nationenpreise ausgetragen, von 1931 bis 1941 deren 130. Italien mit 41 Siegen, Deutschland mit 37, Frankreich mit 26 und Irland mit 23 waren die vier grossen Spring­nationen der Zwischen­kriegsjahre. Die Schweiz verzeichnete neun Siege. Für 1930 stellte die FEI den ersten Jahreskalender der Nationenpreise auf. Zumindest in Europa wurde pro Land nur noch ein Nationenpreis erlaubt. Auch nach dem Krieg, ab 1946, wurde am Konzept der Nationenpreise wenig geändert. Jahr für Jahr erlebte man zwischen zwölf und 17 Nationenpreise. In Europa waren es jahrelang Nizza, Rom, Madrid, Lissabon, Aachen, London, Dublin, Le Zoute, Rotterdam und, in der Schweiz, abwechslungsweise Luzern und Genf. In Nordamerika kamen die drei Turniere des Hallencircuit dazu: Harrisburg, New York und Toronto.

«President’s Cup»

An der FEI-Generalversammlung von 1964 wur­de Prinz Philip zum Präsidenten der FEI gewählt. Er schlug gleich eine Jahreswertung der Nationenpreise vor. Er stiftete eine Skulptur: seine Ehefrau, die Königin, zu Pferde, und schuf ein Punktesys­tem. Die Serie hiess «President’s Cup», und bis 1986, als sich Prinz Philip zurückzog, teilten sich Grossbritannien (zwölf), Deutschland (sieben), die USA (zwei) und Frankreich (einer) die 22 Jahrestitel. Die Schweiz hatte als bes­tes Resultat Platz zwei 1983 hinter den Briten.
All die Jahrzehnte wurde in den Nationenpreisen ohne Preisgeld geritten. In den 80er-Jahren wurde der Druck – nicht zuletzt durch den 1977 gegründeten Springreiterclub – auf die FEI immer grösser. Als sich, kurz vor Prinz Philips Rücktritt, Gucci ab 1987 als Sponsor anbot, fiel die Barriere. Preisgeld war erlaubt. Gucci blieb nur drei Jahre Sponsor der Nationenpreisserie. Interne Machtkämpfe bei Gucci waren für das schnelle Ende des äusserst beliebten Sponsors verantwortlich. Der Nach­folger, der niederländische Technologiekonzern HCS, blieb gar nur ein Jahr, bis ein finanzieller Engpass zum Ausstieg zwang. Immerhin setzte sich HCS in seiner kurzen Sponsorperiode für einen Final ein, der dann auch im Frühjahr 1991 in Lanaken stattfand. Die USA siegten im Stechen gegen Deutschland. Die folgenden fünf Jahre blieb die Nationenpreisserie ohne Sponsor, bis ab 1997 der koreanische Multi Samsung die Serie übernahm. Mit Samsung wurde der Nationenpreisfinal wieder aufgenommen. Zwei Jah­re lang, in Calgary und Donaueschingen, wurden beim Final doppelte Punk­te zum Jahres­total zugerechnet, ab 1999 ritt man im Final von null.

Über 1600 Nationenpreise

2003 – immer noch mit Samsung als Sponsor – wurde die Superliga geschaffen, mit einer B-Liga für die weiteren Nationen. Zu dieser Zeit hatte sich die Zahl der jährlichen Nationenpreise auf rund 30 verdoppelt. Neu durften die acht besten Nationen die Superliga bestreiten. Diese bestand, in den ersten Jahren, aus La Baule, Rom, St. Gallen/Luzern, Aachen, Hickstead, Dublin, Rotterdam sowie, als Finalort, Barcelona. Wieder konnten am Final doppelte Punkte gewonnen werden. Zwischen der Superliga und der «Nations Cup Serie» als B-Liga gab es Abstieg und Aufstieg. Nach dem Ausstieg von Samsung 2008 und mit Furusiyya, dem Saudi Equestrian Fund als neuem Sponsor, kam es ab 2013 zu einem neuen Format mit Qualifikationsligen in allen Erdteilen und einem Final in zwei Phasen, heute gesponsert von Longines. 2017 war das 109. Jahr seit dem ersten Mannschaftsspringen von 1909. In neun Kriegsjahren wurden keine Nationenpreise ausgetragen, sodass es bisher in 100 Jahren zu Nationenpreisen kam. Alles in allem dürften es von 1909 bis 2017 über 1600 Nationenpreise gewesen sein, inklusive die 22 Finals von 1991 und 1997 bis 2017.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 43/2017)

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