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Max E. Ammann
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Standpunkt

Über Griechenlands Pferdesport

24.03.2015 12:41
von  Max E. Ammann //

Seit Monaten lesen wir täglich etwas über Griechenland. Bei der Lektüre träumen wir von dortigen Ferien, der Sonne und den geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeiten wie der Akropolis, Delphi oder Olympia.

Wir erfahren, dass in Griechenland nur wenige Reiche entsprechende Steuern zahlen und dass Politiker ihren Verwandten zu Staatsstellen verholfen haben. Wir lesen von der Handelsbilanz, gemäss der hauptsächlich raffiniertes Erdöl, Oliven und Olivenöl sowie Wein ausgeführt werden, nicht aber andere Industrie- und Gewerbeprodukte. Und wir wundern uns über die EU-Politiker, die nach dem fatalen Prinzip Hoffnung nutzlose Massnahmen «herbeizögern». Und dann die griechische Regierung in ihrer realitätsfremden, verleugnenden Traumhaltung.

Von Olympia und Xenophon

Die Leser der «PferdeWoche» werden sich fragen: Wie steht es um das Pferd und den Pferde­sport in Griechenland? Schliesslich war Griechenland respektive Athen nicht nur, wie es so schön heisst, die Wiege der Demokratie, sondern hielt auch von 776 vor bis 393 nach Christus – vielleicht noch länger – die ersten Olympischen Spiele ab. Über 1000 Jahre lang gab es diese antiken Olympischen Spiele und das Pferd gehörte dazu: Wagen- und Pferderennen standen auf dem Programm.
Dabei spielte zu jener Zeit das Pferd in Griechenland nicht die überragende Rolle wie im restlichen Europa, in der Landwirtschaft, zum Transport, im Krieg. Das hügelige, steinige Land war wenig geeignet für Pferde. In Kriegszeiten war der Nachschub von Wasser und Futter in den heissen und trockenen Sommermonaten, in denen die meisten Schlachten geschlagen wurden, schwierig. Andererseits stammt die erste grosse Reitlehre «Über die Reitkunst» von einem Griechen: von Xenophon. Der Philosoph, Historiker und Soldat lebte von 430 bis 354 vor Christus.
Die Olympischen Spiele der Antike, in Olympia auf dem Peloponnes, wurden nachweislich von 776 vor bis 393 nach Christus durchgeführt, also wäh­rend 1037 Jahren. Es gibt Quellen, die die Spiele bis auf 1953 vor Christus zurückdatieren. Die Spiele dauerten fünf Tage und das Pferd war seit den 25. Spielen von 680 vor Chris­tus mit dabei. In dem speziell erbauten Hippodrom, einer Marmoranlage, 735 Meter lang und 370 Meter breit, gab es Wagenrennen mit vier Pferden. Die «Chariots» waren einachsige Streitwagen mit zwei Rädern. Das Rennen führte über zwölf Runden im Hippodrom, also etwa neun Kilometer.
32 Jahre später (648 vor Christus) wurden Pferderennen eingeführt. Die Pferde waren nicht beschlagen und wurden ohne Sattel und Steigbügel geritten. Das Rennen fand unmittelbar nach dem Wagenrennen statt, über zwei Runden, also 1500 Meter, auf dem von den Chariots aufgewühlten Boden. Kurzfristig wurden nach 520 vor Christus auch Wagenrennen für zwei Pferde und für Fohlen eingeführt, aber bald wieder aufgegeben.
Als Ende des 19. Jahrhunderts der französische Baron Pierre de Coubertin die Olympischen Spiele wiederbelebte und die griechische Hauptstadt Athen für 1896 als erste olympische Austragungsstätte bestimmt worden war, stand der Einbezug des Pferdesports nicht zur Diskussion. Wagenrennen gab es nicht mehr, die Pferderennen galten in den Augen des an den reinen Amateur glaubenden De Coubertin als zu professionell und die heutigen olympischen Pferdesportdisziplinen waren in der Entwicklungsphase: Für Springen und Dressur gab es nur nationale Wettbewerbe, die Vielseitigkeit war noch nicht «erfunden». Erst 1912 in Stockholm, nach einem mageren Versuch 1900, wurde der Pferdesport olympisch.

Nur fünf Reitvereine

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab es in Griechenland kaum pferdesportliche Aktivitäten. Der erste griechische Reitverein, der Hellenic Equestrian Club, wurde erst 1931 von Offizieren der Armee gegründet. Jahrzehntelang gab es in Griechenland weniger als fünf Reitvereine, das Minimum, um einen eigenen nationalen Verband zu gründen. Der Pferde­sport gehörte so bis in die 80er-Jahre als Anhängsel zum Dachverband des griechischen Sportes. Heute gehören dem griechischen Pferdesportverband über 50 Vereine an. 2400 Reiter sind registriert und 1000 Pferde. In ganz Griechenland zählt man rund 27000 Pferde, das ist ein Viertel des Pferdebestandes der Schweiz (Deutschland hat eine Million Pferde, die Niederlande 400000).
Internationale Aktivitäten von griechischen Reitern gibt es erst seit 1968. In jenem Jahr fanden die ersten Balkan-Meisterschaften in Istanbul statt. Beteiligt waren die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien. Die Balkan-Meisterschaften sollten jährlich stattfinden, in allen drei olympischen Disziplinen. Aber dazu kam es nicht immer. Politische Konflikte oder finanzielle Probleme standen dem im Wege. Griechenland war 1973 in Athen erstmals Gastgeber der Balkan-Meisterschaften. Seither fanden sie weitere Male in Athen statt sowie in Thessaloniki und Porto Carras. Jahrzehntelang dominierten Bulgarien und Rumänien diese Meisterschaften. Einige Titel holten Griechenland und die Türkei, nur wenig gab es für Jugoslawien. Erst in diesem Jahrtausend, wohl im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen von 2004 in Athen, erlebte man mehr griechische Erfolge.
Ausserhalb der Balkan-Meisterschaften ist wenig von internationalen Aktivitäten der griechischen Reiter zu berichten. Vor bald vier Jahrzehnten erlebte man einen CSI im Touristenort Porto Carras auf der mazedonischen Halbinsel Chalkidiki und seit 1994 gab es Weltcup und Nationenpreis im Springen auf dem einstigen Militärgelände bei Athen, heute im Besitze des Verbandes.

Antikazidis und Onassis

In Erinnerung bleibt ein CSIO-W Athen vor vielleicht 15 Jahren, als ein offenbar betrunkener Schweizer Equipenchef auf den Tribünenstufen sass und erschöpft die Siegerehrung verpasste. Zu jener Zeit gehörte Heidi Antikazidis mit ihrem Pferd Michaelmas zu den international erfolgreichen Military-Reiterinnen. An den Olympischen Spielen von 2000 in Sydney lag die Tierarzt-Tochter nach dem Gelände an zweiter Stelle. So tauchten vor dem abschliessenden Springen auf dem Pferdesportgelände von Horsley Park ein halbes Dutzend griechischer Journalisten auf, die entdeckten, dass es neben dem Fussball auch noch das Pferd gab. Mit 13 Fehlerpunkten im Springen fiel dann Heidi Antikazidis noch auf Platz sechs zurück.
Nach dieser bisher einzigen griechischen Spitzen-Pferdesportlerin erlebt man seither nur noch Athina Onassis auf dem internationalen Parkett, zuletzt im Dezember beim CSI Genf.

Olympische Heimspiele

Bleiben die Olympischen Spiele von 2004 in Athen, mit den pferdesportlichen Wettkämpfen auf der speziell gebauten, überdimensionierten Anlage von Markopoulo. Die Griechen stellten Teilnehmer in allen drei Disziplinen: Zwei Dressurreiterinnen, die bei 51 Startern die Plätze 47 und 51 belegten; Heidi Antikazidis als einzige griechische Starterin in der Vielseitigkeit, wo es mit Michaelmas dieses Mal nur zu Platz 60 reichte.
Im Springen stellte Griechenland eine Equipe. Ihr Bester war der gebürtige Zypriot Antonis Petris, der im Final Platz 34 erreichte. Die drei andern Griechen schafften den Finaleinzug nicht. Als Equipe gab es Platz 14.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 11/2015)

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