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Max E. Ammann
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Standpunkt

Über Polo

17.07.2018 13:31
von  Max E. Ammann //

Im Juni 2015 las man, dass sich der Inter­nationale Polo Verband (FIP) formell darum beworben habe, Polo als Zusatzsport ins Olympiaprogramm von Tokio 2020 auf­zunehmen. Daraus wurde nichts, und so endet die olympische Geschichte des Polos weiterhin 1936 in Berlin.

Dass die olympische Pologeschichte 1936 endete, ist aus zwei Gründen verständlich, aus einem dritten Grund erstaunlich. Denn nach dem Kriegsunterbruch fanden die nächsten Olympischen Spiele von 1948 in London statt, der europäischen Heimat des Polosports. Dort war und ist der Hurlingham Polo Club im Stadtteil Fulham zu Hause, der nicht nur ers­ter Olympiasieger im Polo war (1900 in Paris), sondern auch das olympische Poloturnier von 1908 organisierte und seit der Gründung 1875 wesentlich an der Führung des Polo­sports mitbeteiligt war.
Das vor 143 Jahren gegründete «Hurlingham Polo Committee» wurde 1925 in «Hurlingham Polo Association» umgetauft und ist heute, in Kooperation mit dem Weltverband FIP, zusammen mit der «Asociación Argentina de Polo» und der «US Polo Association» für das Poloregelwerk verantwortlich wie auch für die Klassierung im Handicap.
Dass es 1948 trotz dieser dominierenden Stellung von Hurlingham nicht zu einer Fortsetzung der olympischen Pologeschichte kam, hatte zwei Gründe: einmal die hohen Reise- und Aufenthaltskosten (eine Equipe besteht mindestens aus vier Spielern mit acht Poloponys). Aus diesen finanziellen Gründen verzichteten die USA und Irland, zwei der damals grossen Polonationen, 1936 auf eine Teilnahme in Berlin. Am Start waren fünf Länder von massiv unterschiedlicher Stärke: Argentinien, Grossbritannien und Mexiko als starke Länder, Deutschland und Ungarn als schwächere. Dies führte zur der in Retrospekt bizarren Formel, dass einerseits die drei «Grossen» untereinander die zwei Finalisten ausmachten, andrerseits die zwei «Kleinen» gegeneinander den Gegner des dritten der drei Grossen ausmachten.
Wie gewaltig die Klassenunterschiede waren, zeigen die Resultate von 1936: Argentinien siegte im Final gegen Grossbritannien mit dem «Stängeli Skore» von 11 zu 0. Die Briten ihrerseits hatten die etwa gleichstarken Mexikaner nur 13 zu 11 besiegt. Die beiden «Schwachen» spielten zuerst unentschieden, 8 zu 8, dann siegte Ungarn über die Heimequipe mit 16 zu 6. Im Spiel um den dritten Platz siegte der schwächste der drei «Grossen», Mexiko, gegen den besten der «kleinen», Ungarn, mit 16 zu 2.

Grosse Unterschiede

Diese gewaltigen Leis­tungsunterschiede bestehen noch heute: In der Handicapskala des Polosports, von –2 bis +10, gibt es unter den 10-Goal-Spielern nur Argentinier. Von den beiden Mexikanern, die vor Jahren ebenfalls Handicap 10 aufwiesen, ist einer zurückgetreten, der andere auf 8 abgestuft worden.
Man rechnet, dass rund zwei Drittel aller Polospieler weltweit ein Handicap von 2 oder darunter aufweisen. Zu den argentinischen 10-Goal-Spielern gehören nicht weniger als vier aus der verzweigten Familie Heguy, wozu noch zwei Heguys mit je 9 Goals kommen. Eine andere argentinische Familie, die Pieres, verzeichnet drei 10-Goal-Spieler. Der letzte Brite mit einem 10-Goal-Handicap geht auf die 50er-Jahre zurück.

Gemischte Teams

Am Poloturnier von 1900 im Rahmen der Weltausstellung im Parc de Bagatelle in Paris, das nachträglich als olympisch bezeichnet wurde, nahmen fünf Klubs teil. Klubteams, keine Ländervertretungen. Das heute übermächtige IOC war damals, im Lande des Präsidenten Baron de Coubertin, praktisch ohne Einfluss auf das «Olympiaprogramm». So ritten im Jagdspringen auch Berufsreiter mit, und im Polo spielten Klubteams mit gemischten Nationalitäten.
Poloolympiasieger 1900 wurde das bereits erwähnte englische Hurlingham, das mit zwei Briten und zwei US-Amerikanern antrat. Platz zwei belegte eine weitere gemischte Equipe mit zwei Briten, einem Franzosen und einem Amerikaner. Platz drei teilten sich drei durch einen Briten ergänzte Franzosen und drei durch einen Amerikaner verstärkten Mexikaner.
Das Problem mit fünf Teams löste man, indem man zuerst die als schwächste Equipe aus Compiègne gegen Hurlingham antreten liess. Als die vier aus Compiègne wie erwartet verloren, schloss sich ihr bes­ter Spieler dem Team von Bagatelle an. Aber auch Bagatelle verlor gegen Hurlingham. Die beiden andern Teams, der Polo Club Rugby und die drei Mexikaner, ermittelten den zweiten Finalis­ten, mit 8 zu 0 für Rugby. Im Final siegte Hurlingham mit 3 zu 1.
Bei der zweiten Olympiateilnahme, 1908 in London, belegten die beiden britischen Klubteams von Roehampton und Hurlingham die beiden ersten Plätze. Bronze ging an eine irische Equipe, damals noch zum britischen Weltreich gehörend. Nur diese drei Teams nahmen teil.
1920 in Antwerpen nahmen vier Länder teil. Die Briten siegten erneut, geführt vom legendären Frederick Barret. Spanien und die USA wurden Zweite und Dritte, für die Gastgeber Belgien blieb Platz vier.
1924 tauchte erstmals Argentinien auf, das dann auch gewann. Auf Platz zwei die USA, mit dem damals populären Tommy Hitchcock. Dann erst als Dritte die Briten, vor Spanien und Gastgeber Frankreich. 1936 wiederholte, wie erwähnt, Argentinien seinen Sieg.

Keine Aufnahme in die FEI

In der 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts, als der Reihe nach Endurance, Voltigieren und Tent Pegging in die FEI aufgenommen wurden (Tent Pegging nur für einige Jahre), wurde auch immer wieder die Frage nach Polo gestellt. Der damalige FEI-Präsident Prinz Philip, selber ein guter Polospieler mit einem soliden Amateurhandicap, winkte ab. Er wusste, dass es im internationalen Polo mit dem Weltverband FIP und den drei grossen Landesverbänden aus Argentinien, Grossbritannien und den USA bereits genügend Konflikte gab. Dazu kam die Problematik der gewaltigen Leistungsunterschiede zwischen den Nationen, die die seit 1987 respektive 1993 ausgetragenen WM und EM mit ihren Handicap-beschränkungen problematisch machte.
Auch in der Schweiz wird Polo gespielt. Bereits 1898 wurde in St. Moritz Bad ein erstes Polofeld erstellt. Nach ereignislosen Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg begann in den 50er-Jahren eine Polorenaissance mit dem St. Moritz Polo Club und den Wettkämpfen auf dem gefrorenen St. Moritzersee. Auch in Ascona, Bern und Genf wurde und wird Polo gespielt sowie in Zürich und in Gstaad im Berner Oberland.
Die engste Verbindung zwischen Polo und dem olympischen Pferdesport erlebt man in Palm Beach, Florida. Dort, in Wellington, hatte der Geschäftsmann und 7-Goal-Polospieler William Ylvisaker Mitte der 70er-Jahre begonnen, den heute riesigen «Palm Beach Polo & Country Club» aufzubauen. Auf der grossen Anlage erhielt 1979 das von Gene Mische geleitete «Winter Equestrian Festival» Gast­recht. Seither sind dort Dutzende von Weltcupspringen ausgetragen worden neben ebenso vielen Poloturnieren.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 28/18)

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