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Max E. Ammann
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Standpunkt

Vergangene Dressurperlen

27.08.2019 14:43
von  Max E. Ammann //

Die Rede ist hier nicht von Pferden oder Reitern, sondern von Dressurturnieren. Plätze, die in den 70er- und 80er-Jahren zu den schönsten Turniererlebnissen zählten. Da war Goodwood in England, Schoten
in Belgien, Mondorf in Luxemburg und Chalet-à-Gobet oberhalb Lausanne. Was ist aus ihnen geworden, warum haben sie aufgehört, wunderbare Dressurturniere zu sein?

Goodwood und Schoten hatten Schlösser als Kulisse – das süd­englische Goodwood um einiges prachtvoller als das bescheidene Schoten. Das Dressurviereck von Mondorf lag hinter einem Casino-Neubau, allerdings mit Stil. Und Chalet-à-Gobet war noch profaner, eine Reitschule und daneben eine Hotelfachschule. Aber sie alle waren denkwürdige Dressuranlässe. Wie bei allen Anlässen, die aus der Masse herausragen, standen sichtbar und prominent Menschen dahinter: in Goodwood das Ehepaar Lord und Lady March, in Schoten die internationale Dressurrichterin Mariette Withages, in Mondorf der Architekt (Erbauer des Casinos) und Vater einer Dressurreiterin Paul Kayser und in Chalet-à-Gobet der Lausanner Hotelier René Häberli, dessen Interesse am Pferdesport in der Fondation Myriam et René Häberli bewahrt wird. Drei der vier Turniere organisierten FEI-Dressurchampionate: Goodwood 1978 die WM, 1980 das «Festival» als Ersatz-OS und 1987 die EM. Mondorf 1989 und 1995 die EM, Chalet-à-Gobet 1982 die WM. Prominent und erfolgreich bei diesen Championaten war Chris­tine Stückelberger. Mit Granat wurde sie in Goodwood Weltmeis­terin und Festivalsiegerin, in Chalet-à-Gobet WM-Zweite. In Schoten gewann sie 1986 mit Gauguin de Lully Grand Prix und Spécial und in Mondorf 1985/1986 mit Rubelit von Unkenruf Grand Prix res­pektive Spécial.

Goodwood

Die älteste der vier erwähnten «Turnierperlen» war Goodwood, auf dem Besitz von Lord und Lady March, dem zehnten «Duke of Richmond». 1973 fand der erste Anlass statt. 21 Jahre lang wurde auf der Prachtsanlage Dressur geritten, bis 1994, als der Sohn, der elfte «Duke of Richmond», den Besitz übernahm und, seinem Interesse folgend, zum Motorsport wechselte. Die Dressuranlage wurde zerstört. An der dortigen WM 1978 siegten Stü­ckelberger auf Granat und die Schweizer Equipe mit ihr, Ueli Lehmann und Claire Koch gewann Teamsilber. Zwei Jahre später, als die FEI für die den Olympischen Spielen von Moskau fernbleibenden Nationen sogenannte «Festivals» als Olympiaersatz anbot, siegten Stückelberger und Granat erneut und auch die Schweizer Equipe wiederholte den Silbermedaillengewinn, mit Amy-Cathérine de Bary anstelle von Claire Koch. 1987, beim dritten Championatsanlass in Goodwood, gewannen die Schweizer mit Christine Stückelberger, Daniel Ramseier, Ueli Lehmann und Otto Hofer erneut Teamsilber.

Schoten

1978 organisierte die belgische Dressurrichterin Mariette Withages in Brasschaat, nördlich von Antwerpen, einen CDI. Es gab, dank Ueli Lehmann und Widin, gleich einen Schweizer Sieg im Grand Prix. 1980 gewannen Stückelberger und Granat Grand Prix und Spécial und 1981 teilten sich Granat und Widin die Siege in den beiden Prüfungen. 1984 wechselte der belgische CDI von Brasschaat ins benachbarte Schoten, wo er zum jährlichen Spitzenanlass wurde. Die Organisatorin, Mariette Withages, wurde später Präsidentin der FEI-Dressurkommission, bis sie 2008 unter Nebengeräuschen zurücktrat.

Chalet-à-Gobet

Die internationale Geschichte der Dressur in Chalet-à-Gobet begann 1982 mit der Durchführung der fünften WM. National begann es anfangs der 60er-Jahre, als der «Cercle de la Cravache» in der «Manège de la Maison Blanche» in Prilly den ersten «Concours de Dressage de la Suisse Romande» durchführte. Fast gleichzeitig wurde 1963 in Chalet-à-Gobet der «Centre Equestre Lausannois» eröffnet. 1980 wechselte der «CDN de la Suisse Romande» nach Chesseaux und schliesslich kam es 1982 zur WM in Chalet-à-Gobet. Stückelberger und Granat siegten dort im Grand Prix; im Spécial um den WM-Titel wurden sie Zweite. Mit Claire Koch und Doris Ramseier gab es auch Mannschaftssilber.
Der Lausanner Hotelier René Häberli (Victoria und Mirabeau) war der Förderer dieser WM. Zu erwähnen, dass er, neben der Organisation der WM durch den «Cercle de la Cravache» in Chalet-à-Gobet, die Direktorin des Kunstmuseums Lausanne, Erika Billeter, davon überzeugte, in ihrem Museum eine Ausstellung über «Das Pferd in der Kunst» zu präsentieren. In den darauffolgenden 80er-Jahren kam es zu gut besetzten CDIs in Chalet-à-Gobet, darunter auch das internationale Debüt der unbekannten Nicole Uphoff mit dem späteren Olympiasieger Rembrandt.

Mondorf-les-Bains

Mondorf-les-Bains organisierte sein erstes Dressurturnier 1985. Der damals führende Architekt Luxemburgs, Paul Kayser, hatte in Mondorf ein eindrucksvolles Casino gebaut. Als Vater einer ambitionierten Dressurreiterin schlug Kayser den Casino-Betreibern vor, im Rahmen ihrer Promotionsaktivitäten Dressur- und Springturniere zu organisieren. Hinter dem Casino stand dafür Land zur Verfügung. 1985 fand der erste CDI Mondorf statt, gleich mit einem Schweizer Sieg im Grossen Preis durch Stückelberger auf Rubelit von Unkenruf. 1989 und 1995 wurde in Mondorf-les-Bains um EM-Ehren geritten. 1989 gewann das Schweizer Quartett Otto Hofer, Daniel Ramseier, Samuel Schatzmann und Ueli Lehmann Teambronze – 1999 gab es keine Medaillen für die Schweiz. Heute ist das einstige Dressurviereck «versteppt».

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 34/19)

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