Suche
Max E. Ammann
Previous Next
Standpunkt

Von Buxli Weber und Dolly Straumann

24.03.2020 10:24
von  Max E. Ammann //

Als ich letztes Jahr in einem «Standpunkt» über Spitz- oder Kosenamen schrieb, beschränkte ich mich auf Pferdesportpersönlichkeiten der Nachkriegsjahre. Nicht dabei waren so Vorkriegsamazonen wie Buxli Weber und Dolly Straumann, die 1936 respektive 1937 das in jenen Jahren bedeutendste Amazonenspringen Europas, das Championat der Amazonen in Luzern gewannen. In einem Text von Andreas Furger, dem bedeutenden Kutschenhis­toriker, stiess ich kürzlich wieder auf den Namen Buxli Weber als frühere Besitzerin einer Kutsche, gebaut von der in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts bekannten Wagenfabrik Geissberger in Zürich.

Die 1918 in Zürich geborene Buxli Weber hiess eigentlich Elisabeth. Aber von diesem Taufnamen benützte sie nur das E, wenn sie einen Brief nur mit den Initialen EBW unterzeichnete. Sonst hiess sie Buxli. Als Buxli Weber ritt sie in den 30er-Jahren erfolgreich in Dressur- und Springprüfungen. Ihre Dressurausbildung erhielt sie vom Regie-Reitlehrer Hptm. Oscar Frank. Im Springen erhielt sie Unterricht von Major Fritz Müller – wie Frank Reitlehrer an der Regie in Thun. Ihren grossen Sieg in Luzern errang sie denn auch mit Pan, mit dem ihr Lehrer in der Schweizer Equipe mitritt. 1936 hatte Buxli Weber am gleichen Samstagmorgen beim Concours in Thun eine M-Dressur und ein M-Springen gewonnen. Marna-Dolly Straumann war die Tochter des Fabrikanten Thomas Bühler aus Uzwil. 1910 geboren, heiratete sie 1933 den Bauunternehmer C.P. Straumann in Basel. Die Firma heisst heute Straumann-Hipp AG. Mit ihrem eigenen «Pou-du-Ciel» gewann sie 1937 das Amazonenspringen in Luzern. Reitunterricht hatte Marna-Dolly Straumann-Bühler bei Charles Kuhn in dessen Reitanstalt St. Jakob in Zürich erhalten.

Erfolgreiche Amazonen

Buxli Weber und Dolly Straumann gehörten in den 30er-Jahren zu den Schweizer Springreiterinnen, die in den damals populären Amazonenspringen brillierten. Im Rampenlicht stand das Trio Annelies Stoffel-Schuster, Renée Schwarzenbach und Marussia Haecky, das in Luzern, Genf, Aachen, Wien, Rom oder Stresa im Damen- wie im Herrensattel Dutzende von Springen gewann. Daneben gab es weitere Schweizer Erfolgsamazonen, wie Buxli Weber und Dolly Straumann. Einige weitere von ihnen sollen hier ebenfalls vorgestellt werden: Cecile Wiskemann-Fehr, Ursula Schoeller-von Tscharner, Hedwig Kottmann-Schürch und Ingeborg Schürch sowie die bis in die 50er-Jahre erfolgreiche Madeleine Röntgen.
Cecile Wiskemann-Fehr (1915–1974) ritt erfolgreich vor ihrer Heirat 1939 mit Jörg Fehr, dem Olympiaspringreiter von 1936 und späteren Rennreiter. Sie lebten in der Kartause Ittingen im Thurgau, die Jörg Fehrs Urgrossvater Edmund Fehr für dessen Sohn Victor gekauft hatte. Der einstige Chorherrenstift der Augustiner (seit 1150) war 1461 zum Kartäuserkloster geworden und wurde 1848 aufgehoben. 1867 kaufte die St. Galler Bankiersfamilie Fehr die 100 Hektar umfassenden Klosteranlagen. Es wurde ein Landherrensitz und landwirtschaftlicher Musterbetrieb, der Mitte der 70er-Jahre aufgegeben wurde. Heute ist die Kartause Ittingen ein Kongresszentrum mit Hotel und Restaurant und beherbergt das Thurgauer Kunstmuseum.
Ursula Schoeller (1914–1984) war die Tochter von Arthur und Gertrud Schoeller von Planta, den Ini­tianten der Hardwiese, der wunderbaren Reitanlage vor den Toren Zürichs, wo jahrzehntelang pferdesportliche Anlässe durchgeführt wurden. Arthur Schoeller war der Besitzer der Textilgruppe Schoeller & Co., zu dessen Geschäftsleitung auch sein Vetter Walter Schoeller, der Besitzer des Hardturm Areals, gehörte. Nach ihrer reitsportlichen Karriere in den 30er-Jahren heiratete Ursula Schoeller 1941 Johann von Tscharner vom Bündner Schloss Reichenau.
Ingeborg Schürch, später verheiratete Seligmann (1910–2002), war die Schwester des Besitzers der Fabriques de Tabac Réunies S.A. in Neuenburg-Serrières, mit unter anderen der Marke Brunette. Fritz Schürch war als Kavallerieoffizier selbst ein national erfolgreicher Springreiter. Seine Schwester Ingeborg gewann 1930 mit Lony den begehrten Prix des Amazones beim CHIO Genf. In den 30er-Jahren heiratete Fritz Schürch die Amazone Hedwig Kottmann, die in den 30er-Jahren am CHIO Luzern ritt. Deren Tochter, 1938 geboren, ist Vreni Schürch, heute verheiratete Verena Demairé, die in den 50er- und 60er-Jahren zu den erfolgreichsten Schweizer Amazonen gehörte. Sie lebt heute in der Nähe von Neuenburg und ist eng mit der «Manège de Colombier» verbunden.
Madeleine Röntgen war von Mitte der 30er- bis Mitte der 50er-Jahre die wohl erfolgreichste Spring­amazone der Schweiz. In den Nachkriegsjahren gab es in der Schweiz kaum mehr Amazonenspringen. Madeleine Röntgen, wie auch Vreni Schürch und andere Amazonen jener Jahre, musste sich bei den nationalen Concours mit den Offizieren messen. Die erste Amazonen-Europameisterschaft wurde erst 1957 ausgetragen.

Auf allen Plätzen siegreich

Madeleine Röntgen (1921–2016) war die Tochter einer Amerika-schweizer Familie. Mitte der 30er-Jahre kamen sie nach Europa, wo Madeleine Röntgen, deren Vater mit dem Entdecker der Röntgenstrahlen verwandt war, 1935/36 Reitunterricht bei Rittmeister Heinz Brandt erhielt, dem späteren Mannschaftsolympiasieger von 1936. Bereits 1935 hatte sie als knapp 14-Jährige beim CHIO Luzern debütiert – 1936 errang sie ihren ersten Sieg. 1936 siegte Madeleine Röntgen mit Csuzsi im Walkürenpreis in Aachen, 1938 in den beiden Schweizer Amazonenspringen von Luzern (mit Blitz) und Genf (mit Immerglück). 1946 heiratete sie den Baron Imre Rohonczy, nach der Scheidung 1952 den Deutschen Hans Jay, den sie seinerzeit 1935 bei Heinz Brand kennengelernt hatte. Im ers­ten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte die Baronin Rohonczy, dann Mme Jay, zu den erfolgreichsten Teilnehmern auf Schweizer Concoursplätzen, von Amriswil und Frauenfeld bis Yverdon und Morges.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 12/2020)

[...zurück]