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Max E. Ammann
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Standpunkt

Wachtablösungen der 70er-Jahre

05.12.2017 13:45
von  Max E. Ammann //

Vor einigen Jahren hat der CSI Basel das Quintett von Schweizer Springreitern geehrt, das in den 70er-Jahren ins internationale Rampenlicht trat und innert weniger Jahre eine ­aussergewöhnliche Wachtablösung an der Spitze des Schweizer Springsports bewirkte. Markus und Thomas Fuchs, Willi Melliger, Walter Gabathuler und Philippe Guerdat sind die fünf, die zwischen 1973 und 1976 zur internationalen Elite stiessen.Kürzlich habe ich mich während des CSI-W Helsinki mit Hervé Godignon unterhalten, dem Trainer der finnischen Springreiter. Wir erkannten, dass es eine ähnliche Ablösung durch ein Quartett auch in Frankreich gab, allerdings einige Jahre später, zwischen 1975 und 1979. Die vier Reiter waren Hervé Godignon, Frédéric Cottier, Christophe Cuyer und Patrick Caron.

USA

Auch in den USA gab es in den 70er-Jahren Wachtab­lösungen. Allerdings in zwei Schüben, und – anders als in der Schweiz und in Frankreich – als direkte Folge von Massnahmen des USET. In den nacholympischen Jahren 1969 und 1973 führte das «United States Equestrian Team» landesweite Talentsuchen durch. In einer ersten Phase fuhr Bert de Némethy durchs Land und begutachtete Jungtalente, die ihm aufgefallen oder gemeldet worden waren. Die besten dieser Talente wurden zur zweiten Phase nach Gladstone ins Trainingszentrum des USET in New Jersey eingeladen. 1969/70 trainierten Joe Fargis, Conrad Homfeld, Robert Ridland, Steve Stephens und Jared Brinsmade in Gladstone. Der Letztere, hochtalentiert, kam 1969 zu ersten Nationenpreisstarts, aber aus persönlichen Gründen stoppte er seine internationale Karriere. Steve Stephens erkannte seine Limitationen und wandte sich dem Parcoursbau zu, wo er es zur Meisterschaft brachte. Aber Fargis, Homfeld und Ridland fanden permanente Aufnah­me in Bert de Némethys Nationenpreisequipe. Joe Fargis wurde 1984 Olympiasieger und Conrad Homfeld gewann zweimal den Weltcupfinal. Robert Ridland bestritt 1976 die olympische Springprüfung, wandte sich später der Organisation von Turnieren zu und ist heute Trainer des USET-Springteams. 1973/74 trainierten wieder ein halbes Dutzend Jungtalente in Gladstone, das von Bert de Némethy in seiner landesweiten Suche ausgewählt worden war. Zu ihnen gehörten Michael Matz, Melanie Smith, Buddy Brown und Mac Cone. Die drei Ersten wurden schnell in die US Springequipe integriert. Mac Cone schaffte einige Nationenpreise, wechselte dann aber ins Lager der Parcoursbauer. Diese beiden Schübe von US-Neu­talenten in den 70er-Jahren von 1970 bis 1975 hatten ihre bescheideneren Vorgänger im Jahrzehnt zuvor. In den 50er-Jahren blieb die USA-Nationenpreisequipe mit Bill Steinkraus, Frank Chapot, Hugh Wiley und George Morris praktisch unverändert. Erst ab 1961, nach dem Rücktritt von Wiley und dem Theaterabstecher von George Morris, kamen mit Mary Mairs (später Mrs. Chapot) und Kathy Kusner sowie gelegentlich Carol Hofmann und Bill Robert­son neue Reiter ins Team. Ab 1965 kamen Chrystine Jones (heute Mrs. Tauber) und Neal Shapiro dazu.

Frankreich

Zurück zu den Wachtablösungen der 70er-Jahre in Frankreich und in der Schweiz. 1976 waren die vom Chevalier d’Orgeix geführten Franzosen in Mont­real Olympiasieger geworden: mit den zwei bewährten Teamstützen Marcel Rozier und Hubert Parot sowie den zuvor wenig aufgefallenen Marc Roguet und Michel Roche, die mit Belle de Mars und Un Espoir allerdings vorzüglich beritten waren. Nicht in Montreal dabei waren Janou Lefèbvre-Tissot, Daniel Constant und Gilles Bertran de Balanda, die in den frühen 70er-Jahren zur französischen Equipe gehörten. Janou war noch 1974 letzte Weltmeisterin der Amazonen geworden. Die­se bewährten Reiter muss­ten ab 1977 den erwähnten Jungen Platz machen: Der D’Orgeix-Schüler Christophe Cuyer hatte bereits 1975 seinen ersten Nationenpreis geritten, Her­vé Godignon folgte 1977, Frédéric Cottier 1978 und Patrick Caron 1979. Von diesen ist Cuyer nach einigen Erfolgsjahren von der Szene verschwunden. Godignon ist finnischer Nationaltrainer, Cottier ein bewährter Parcoursbauer und Caron war einige Jahre lang Equipenchef. Zu erwähnen noch, dass auch Pierre Durand – mit Jappeloup Olympiasieger 1988 – im Jahre 1975 sein Nationenpreisdebüt gab: im polnischen Olsztyn, und zwar im gleichen Nationenpreis wie John Whitaker bei seinem ersten Einsatz (die Bundesrepublik Deutschland gewann diesen polnischen Nationenpreis).

Schweiz

Bei den Schweizern hatten Paul und Monica Weier, Arthur Blickenstorfer, Max Hauri, Hans Möhr und Frank Lombard jahrelang den Stamm der Schweizer Nationenpreisreiter gebildet. Später kamen, unter anderem, Ernst Eglin, Jürg Friedli, Bruno Candrian, Kurt Maeder, Gerhard Etter oder Francis Racine dazu. 1973 debütierten Willi Melliger und Walter Gabathuler, 1974 Markus Fuchs und Philippe Guerdat, 1976 schliesslich Thomas Fuchs. Aber 1976, im Vorfeld der Olympischen Spiele von Montreal, lief es den Schweizern nicht wie gewünscht. Nach enttäuschenden Resultaten in Aachen und Luzern entschied der Schweizer Verband, auf die Entsendung einer Springequipe zu verzichten. Nur Bruno Candrian flog mit Golden Shuttle nach Montreal, wo er im Einzelspringen in Bromont Platz 25 belegte – immerhin ex aequo mit Titelverteidiger Graziano Mancinelli, Piero d’Inzeo und dem Niederländer Antoon Ebben. Aber in den Jahren danach etablierten sich die Schweizer permanent an der Weltspitze – sichtbar an den acht Medaillenplätzen der Equipe an allen Europameisterschaften von 1981 bis 1995: Gold 1983, 1993 und 1995, Silber 1981 und 1985, Bronze 1987, 1989 und 1991.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 48/2017)

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