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Max E. Ammann
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Standpunkt

Zwei Medaillen für Schweden

12.09.2017 12:33
von  Max E. Ammann //

Zwei Medaillen gewannen Schwedens Springreiter bei der EM zu Hause in Göteborg. Es war die Krönung einer Entwicklung, die in den 80er-Jahren begann und ab 2000 erste Früchte trug. Peter Eriksson, Rolf-Göran Bengtsson, Maria Gretzer, Malin Baryard, Helena Lund­bäck, Peder Fredricson, Lisen Bratt, Jens Fredricson und Henrik von Eckermann sind die, die dafür in erster Linie verantwortlich sind.

Drei von ihnen tragen heute den Namen Fredricson: Jens, der ältere der beiden Brüder, 1967 geboren, ritt 2012 bei Olympia. Peder, 1972 geboren, kam zu drei Olympiastarts: 1992, 2004, 2016. Lisen Bratt, 1976 geboren, die 2000 und 2012 für Schweden olympisch ritt, ist die Ehefrau von Peder, der nach zweimal Olympiasilber, 2004 mit der Mannschaft und 2012 im Einzelklassement, nun in Göteborg Europameister wurde und Silber mit der Mannschaft gewann. Peder und Jens sind die Söhne von Ingvar und Stina Fred­ricson. Der Vater ist Veterinärprofessor und war langjähriger Direktor von Flyinge, allgemein «Fredric» genannt. Peder debütierte vor seinem Bruder Jens international. Als 20-Jähriger bestritt er 1992 in Barcelona die olympische Military. Ich erinnere mich, wie er in El Montanya versuchte, seinem Pferd eine passable Dressur abzuringen. Es gelang nicht. Peder und Hilly Trip belegten im Feld der 82 Starter nur Platz 78. Aber im Gelände legten sie los. Hinter den späteren Medaillengewinnern Matt Ryan und Blyth Tait schafften sie das drittbeste Geländeresultat. Dank null Fehlern im Springen gab es in der Endabrechnung immerhin Platz 14.

Schwedisches Revival

Das nun bald 20-jährige Zugehörigsein der schwedischen Springreiter zur Weltspitze erinnert an die erste Glanzperiode der schwedischen Springreiter: von 1912 bis Mitte der 30er-Jahre. Dazwischen, also 1936 bis Ende des letzten Jahrhunderts, waren sie bes­tenfalls Mittelklasse, mit ersten An­näherungen an die Spitze in den 90er-Jahren. Die erste Glanzperiode der schwedischen Reiter – im Springen, Military und in der Dressur – begann an den Olympischen Spielen von 1912 in Stockholm, den ersten mit Reitwettbewerben (1900 war kaum mehr als eine Fussnote). 1912 gewannen die schwedischen Springreiter Mannschaftsgold, drei Schweden gewannen die Dressurmedaillen und die Militaryreiter holten zweimal Gold. Dieser Erfolg (mit vier der fünf Goldmedaillen) basierte auf einer minutiösen und intensiven Vorbereitung in den Kavallerieregimentern, unter Führung des Grafen Clarence von Rosen, dem Stallmeister des Königs. 1920 in Antwerpen wiederholten die Schweden den Stockholm-Triumph: Wiederum gewannen sie alle drei Dressurmedaillen, dazu beide Goldmedaillen in der Military und Mannschaftsgold und Einzelsilber im Springen. Die Basis war wiederum die Vorbereitung im kriegsverschonten Schweden, nun geleitet von dem aus Russland geflüchteten General Alexander Rodzianko – selber Olympia­reiter von 1912.

Schwedens Abstieg

1924 gab es noch zwei Goldmedaillen: Springen Team (vor der Schweiz) und Dressur. 1928 wurde es bereits schwieriger: noch Teambronze im Springen, Einzelsilber in der Dressur und Bronze in der erstmals ausgeschriebenen Mannschaftsdressur. 1932 waren die Schweden, neben drei niederländischen Milita­ry­reitern, die Einzigen, die über den Atlantik und durch die USA nach Los Angeles fuhren. Dort gab es Mannschaftssilber in der Dressur und Einzelbronze in der Military durch Clarence von Rosen junior, den Sohn des Verantwortlichen von 1912. Der Sohn gewann auch noch Einzelbronze im Springen, wo alle drei Equipen in einem unverantwortlich schwierigen Parcours ausschieden.
Bereits vier Jahre später, 1936 in Berlin, war der Abstieg spürbarer. Nur noch Mannschaftsbronze in der Dressur wurde von Schweden gewonnen. Die Spring- wie die Militaryequipe schieden aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang den schwedischen Dressur- und Militaryreitern ein Come­back an die Weltspitze, mit mehreren gewonnenen Olympia-, WM- und EM-Medaillen. Aber die Springreiter hatten den Anschluss verloren. 1948 und 1956 schied die schwedische Equipe aus, 1952 und 1960 wurde sie elfte res­pektive 14. Erfolgreichster schwedischer Springreiter jener Jahre, fast alle noch in Uniform, war Anders Ger­nandt, der später als Pferdesportkommentator des schwedischen Fernsehens fast zur Kultfigur wurde. 1964 und 1968 verzichtete Schwedens Springreiter auf einen Olympiastart – 1972 und 1976 ritt nur je ein Schwede olympisch mit. 1976 in Montreal war es Jana Wannius, seit vielen Jahren der Organisator des CSIO Falsterbo. 1980 verzichtete Schweden – wie die Schweiz – darauf, Reiter nach Moskau zu entsenden.

Startplätze im Weltcup

1977 wurde in Göteborgs Scandinavium-Arena erstmals ein internationales Hallenturnier ausgetragen. Zwei Jahre später fand dort der erste Weltcupfinal statt und Volvo wurde für 20 Jahre Sponsor des Weltcups. Bei den ersten Weltcupfinals der Springreiter war kein Schwede am Start: sie waren zu schwach. Erst als das Weltcupkomitee eine «Wildcard» für das Land des Organisators eines Finals einführte, ritten ab 1982 jeweils ein oder zwei Schweden, zumindest dann, wenn der Final in Göteborg stattfand. Platz zehn im Jahre 1991 und Platz sechs im Jahre 1995 für Peter Eriksson – sowie Platz sieben für Malin Baryard 1996 in Genf waren die bes­ten schwedischen Finalresultate der Jahre bis zur Jahrhundertwende.

Von Gretzer bis Fredricson

Peter Eriksson, der Bruder von Tomas, dem zweifachen Viererzugweltmeis­ter, war der erste schwedische Springreiter, der zur erweiterten Weltspitze gehörte. Bald kamen die erwähnte Malin Baryard, dann Maria Gretzer. Rolf-Göran Bengtsson ritt mehrere Jahre diskret im Mittelfeld, bevor er zur Spitze vorstiess. Mitte der 90er-Jahre kamen die Brüder Fredricson, dann Lisen Bratt und Helena Lundbäck. Die Letztere, Tochter von Hans, der 1984 den sechsten Weltcupfinal bestritten hatte, erregte internationales Aufsehen, als sie sich 2002 bei den Weltreiterspielen in Jerez de la Frontera für den Pferdewechselfinal qualifizierte und zusammen mit Peter Eriksson, Royne Zettermann und Malin Baryard Mannschaftssilber gewann. Bereits das Jahr zuvor hatte Helena Lundbäck zur schwedischen Silberequipe bei der EM in Arnheim gehört. Neben den Mannschaftsmedaillen der Schweden bei der EM 2001 in Arnheim, bei der WM 2002 in Jerez de la Frontera und bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen gewann Rolf-Göran Bengtsson EM-Einzelsilber 2001 mit Pialotta und Olympiasilber 2008 in Hongkong mit Ninja und wurde Europa­meister 2011 in Madrid. Die letzten Medaillen vor Göteborg waren EM-Mannschaftsbronze 2013 in Herning und olympisches Einzelsilber durch Peder Fredricson 2016 in Rio.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 36/2017)

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