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Max E. Ammann
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Standpunkt

Der Wenkenhof und Familie Clavel

04.04.2023 08:23
von  Max E. Ammann //

Im Programmheft des kürzlichen CHI Basel findet man eine Bildreportage über eine «Soirée Hippique» vom September 2022 in der Reithalle Wenkenhof in Riehen. Die Lektüre brachte Erinnerungen an diesen grosszügigen Landsitz und die Besitzerfamilie Clavel. Der Wenkenhof, dieser seit Jahrzehnten der Öffentlichkeit zugängliche einstige Herrschaftsbesitz, beherbergte im letzten Jahrhundert viele pferdesportliche Veranstaltungen: Wettkämpfe, aber noch stärker in der Erinnerung sind Tagungen, Empfänge und Feiern. 1928 trainierte die italienische Springequipe unter anderem mit Alessandro Bettoni und Tommaso Lequio und 15 Pferden vor ihrem Olympiastart in Amsterdam auf dem Wenkenhof. Zweimal gab die Spanische Hofreitschule Vorführungen im Wenkenhof. Leser mögen sich an Besuche in Riehen erinnern und an seinen eleganten Gastgeber, Alexander Clavel, genannt Xanti.

Landsitz Wenkenhof

1917, zwölf Jahre nach seiner Heirat mit Fanny Respinger, kaufte der 1881 geborene Alexander Clavel den Wenkenhof. In der Folge erwarb er weitere Grundstücke um den Park, erstellte neue Bauten und baute um. 1925 entstand so die beeindruckende Reithalle, wo, wie erwähnt, das CHI-Basel-Essen stattfand. In seiner grössten Ausdehnung umfasste der Landsitz Wenkenhof 24 Hektar Land. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden an der Peripherie des Parks Parzellen an künftige Villenbesitzer verkauft.
1954 gründete das Ehepaar Ale-xander und Fanny Clavel-Respinger die Alexander-Clavel-Stiftung. Zweck war, den Wenkenhof nach dem Tod des Stifters der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen: für wissenschaftliche, kirchliche, kulturelle, künstlerische, musikalische, humanitäre, gemeinnützige und gesellschaftliche Anlässe. Die Gebäulichkeiten waren eine Schenkung des Ehepaares Clavel an die Stadt Basel. Für das Land (20000 Quadratmeter) bezahlte der Regierungsrat der Stadt 390000 Franken, also 19.50 Franken per Quadratmeter. Im Gegenzug stellte das Ehepaar für die Umwandlung in eine öffentliche Anlage 250000 Franken zur Verfügung. Die restlichen 40000 Quadratmeter Land auf der Ostseite des Parks wurden von der Gemeinde Riehen erworben.

Vermögen verprasst

Nach dem Tode seiner Frau Fanny im Jahre 1967 heiratete der 86-jährige Xanti die wesentlich jüngere Elisabeth Dyga. 1969 zog er mit ihr in den Tessin. Dort starb Alexander Clavel 1973. Im Jahrbuch von Riehen aus dem Jahre 2017 «Jahrbuch z’Rieche 2017» schrieb Gerhard Kaufmann die Geschichte von Alexander Clavel und dem Wenkenhof. Er schloss seinen Artikel mit dem Satz: «Alexander Clavel starb am 22. November 1973 mittellos im Tessin. Seine zweite Frau hatte sein restliches Vermögen durchgebracht.» Alexander Clavels Grossvater gleichen Namens war 1838 aus Lyon nach Basel gezogen. Zwei Jahre später heiratete er die Witwe des Seidenfärbers Oswald und übernahm dessen Seidenfärberei am Bläsihof an der unteren Rebgasse. 1864 wurde die Fabrik von der Rebgasse an die Klybeckstrasse verlegt. 1902 schloss sich die Firma Oswald mit der Seidendruckerei Lindenmeier zusammen. 1912 wurde die Celanit gegründet, eine Gesellschaft zur Fabrikation von Acetylcellulose als Grundlage von Kunstseide. Durch den Teilverkauf der Farbenfabrikation 1873 an die Firma Bindschedler – später Gesellschaft für die chemische Industrie – ergibt sich ein Bezug zur CIBA, später Ciba-Geigy, heute Novartis.

Drei Brüder

Alexander «Xanti» Clavel hatte zwei Brüder. Xanti, der älteste, galt als König der Modefarben. Er war extravagant, ein Grandseigneur, der seinen Reichtum zur Schau stellte. Der jüngste der drei, René, 1886 geboren, war Doktor der Chemie, mit vielen Patenten. Er gilt als Pionier der Kunstseidefärbung. Dr. Clavel widmete sich auch der Archäologie. Er errichtete das Römerhaus in Augst und schenkte es der Stiftung «Pro Augusta Raurica». Er gehörte zu den Initianten des Antiken Museums in Basel. Als Sportflieger war er auch Mitbegründer des Aero-Clubs der Schweiz. Der mittlere der drei Brüder war Gilbert, 1883 geboren. Nach einem schweren Unfall in seiner Kindheit blieb er kleinwüchsig, bucklig und hatte Tuberkulose. Er war künstlerisch interessiert und zog um 1909 nach Italien. Dort kaufte er in Positano, an der süditalienischen Amalfiküs-te, einen verfallenen Wachturm aus dem 13. Jahrhundert. Mit und um den Turm schuf Gilbert Clavel ein Gesamtkunstwerk, das heute als Torre di Fornillo bekannt ist. Er liess den Turm renovieren und durch Sprengungen in dem über 100 Meter langen Felsen schuf er auf vier Ebenen Räume und Korridore. 1927 starb Gilbert Clavel. Sein Bruder René erbte den Turm. Er verkaufte ihn 1957 an die Prinzessin Santa Borghese Hercolani. Heute ist die ganze Anlage eine Ferienresidenz, die gemietet werden kann.

Denkwürdiger Lunch

Im Buch «Wenkenhof», 1957 von Alexander und Fanny Clavel he-rausgegeben, erinnert sich Xanti an den belgischen Pferdebesitzer Alfred Loewenstein (siehe «PferdeWoche» vom 1. März). Der Grossfinanzier hatte die grosse Zukunft der von Clavels Firma Celanese entwickelten Acetatseide erkannt und wollte die Aktienmehrheit der britischen «Celanese Ltd». Im Buch schreibt Clavel von Loewensteins «unseriösen Machenschaften» und zitiert sich selbst: Er habe an einer Sitzung zu Loewenstein gesagt «a man like you I call a crook». Der Kampf zwischen Loewenstein und Clavel dauerte 20 Jahre vor Gericht. Monica Weier mag sich an die zweite Gattin von Xanti Clavel erinnern. Als sie 1972 als Einzelreiterin bei den nordamerikanischen Hallenturnieren startete, wurde sie von Elisabeth (Lis) Clavel begleitet. Es kam zu einem denkwürdigen Lunch im «Chalet Suisse» in New York mit Monica, Frau Clavel, Bert de Némethy, Kathy Kusner und dem Schreibenden.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 13/2023)

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