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Max E. Ammann
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Standpunkt

Erinnerungen an La Baule

03.05.2022 09:55
von  Max E. Ammann //

Mehrere Male wurde ich gebeten, meine angenehmsten und liebs­ten Turnierbesuche zu nennen. Bei den Freiluftanlässen entschied ich mich für drei, die erstaunlicherweise alle zu Beginn eines Jahrzehnts stattfanden: 1970 die WM der Springreiter in La Baule, 1990 die ersten Weltreiterspiele in Stockholm, 2000 die Olympischen Spiele in Sydney.
Die Olympischen Spiele von Sydney 2000 waren, nicht nur in Bezug auf die pferdesportlichen Wettbewerbe, die angenehms­ten, freundlichsten und kompetentesten der acht Spiele, die ich von 1972 bis 2004 besucht habe. Die Weltreiterspiele von Stockholm 1990 wurden dank einer beispielhaften Vorbereitung und der Erstmaligkeit einer derartigen Grossveranstaltung des Pferdesports von keiner Nachfolgeveranstaltung erreicht – Aachen 2006 vielleicht ausgenommen.

Entwicklung des Pferdesports

La Baule 1970 war ein Juwel in jeder Hinsicht: Sport, Atmosphäre, gesellschaftliches Programm; dies in einer Gegend mit grossartigen Stränden, Schlössern und geschichtsträchtigen Städtchen. Die Springreiter-WM von 1970 in La Baule war aber auch wichtig in der Entwicklung des internationalen Pferdesports. Nachdem in den 60er-Jahren die drei wichtigs­ten Anlässe (OS 64–68, WM 66) ausserhalb Europas stattgefunden hatten und bei der Springreiter-EM von 1966 in Luzern und der Military-WM ebenfalls 1966 in Burghley wegen der afrikanischen Pferdepest viele Länder nicht teilnehmen konnten, war La Baule 1970 der erste Grossanlass auf europäischem Boden seit den Olympischen Spielen von Rom 1960.
Das Interesse war gross: Neben den US-Amerikanern kamen erstmals auch die kanadischen Springreiter nach Europa – 1968 waren sie in Mexico City Mannschaftsolympiasieger geworden. Auch die Medien kamen von überall. Selbst die grossen deutschen Tageszeitungen entsandten ihre eigenen Leute nach La Baule. Vieles, was in den 70er-Jahren im internationalen Pferdesport passierte: die Gründung der internationalen Pferdejournalisten-Vereinigung (1974), die Gründung des internationalen Springreiterclubs (1977), die Einführung des Weltcups und der Computerliste respektive heutige Weltrangliste (1978) kann man auf die Tage in La Baule zurückführen.
La Baule ist ein hochklassiger Badetouristenort an der Atlantikküs­te, in der französischen Bretagne, mit 16000 Einwohnern. Unvergesslich, die schöne Bucht mit dem kilometerlangen Sandstrand. Zehn Kilometer entfernt sind die historischen Städtchen Guérande und Le Croisic. Guérande mit seinen Befestigungsmauern und den Salzgärten, Le Croisic als Zentrum der Krabbenfischerei. In der Nähe ist auch Schloss Bretesche, wo 1970 mit einem gewaltigen Feuerwerk die WM gefeiert wurde. Zu erwähnen das luxuriöse Turnierhotel, das Hermitage.

Derby als Höhepunkt

Das «Jumping Internationale de La Baule» wurde 1963 erstmals durchgeführt. Höhepunkt jener Jahre war das Derby, konzipiert vom damals bedeutendsten französischen Parcoursbauer, Loic Hamon. 1963 siegte die erst 18-jährige Janou Lefèbvre am Anfang ihrer Karriere, während der sie zweimal Weltmeisterin der Amazonen wurde und dreimal an den Olympischen Spielen teilnahm. Janou Lefèbvre, später verheiratete Tissot, gewann das Derby von La Baule noch zweimal. 1975, als in La Baule der ers­te Grosse Preis ausgeschrieben wurde, gewann sie auch diesen. Zwei Schweizer siegten im letzten Jahrhundert im Derby von La Baule: 1983 Thomas Fuchs mit Willora Carpets ex Tullis Lass, 1990 Alois Fuchs mit Traunstein. Markus Fuchs gewann 1986 auf Puschkin den Grossen Preis.
Der Concours von La Baule wird von der «Société des Concours Hippiques de La Baule» durchgeführt, seit Anbeginn in einem neu erstellten, seither immer wieder ausgebauten Stadion, Stade François André, mit einem 160 mal 100 Meter Grasboden. Das erwähnte Hotel Hermitage befindet sich weniger als einen Kilometer entfernt. Langjähriger Präsident des OK war der 2012 verstorbene René Pasquier.

Hochkarätiger WM-Pferdewechselfinal

Nach der Springreiter-WM von 1970 fand in La Baule 1974 die letzte Springreiter-WM der Amazonen statt. 1991 folgte als dritter FEI-Championatsanlass die EM der Springreiter, mit Eric Navet auf Quito de Baussy als Sieger. Das Jahr zuvor war Navet in Stockholm bereits Weltmeister geworden. An der WM 1970 kam es zum Pferdewechselfinal von vier Grossen: Es siegte David Broome vor Graziano Mancinelli (der dann 1972 Olympiasieger wurde), Harvey Smith und dem enttäuschenden Alwin Schockemöhle.
An dieser WM 1970 wurde auch ein separater Nationenpreis ausgetragen. Es siegten die Kanadier, mit der durch Moffat Dunlap ergänzten Equipe, die 1968 Olympiasieger geworden war (Jim Elder, Tom Gayford, Jim Day). In jenen Jahren war der Konkurrenzkampf der französischen Turniere um den CSIO relativ intensiv. So kam es bis 1993 nur zu drei weiteren Nationenpreisen in La Baule. Erst seit 1993 wird der CSIO alljährlich in La Baule ausgetragen, dieses Jahr vom 5. bis 8. Mai.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 17/2022)

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