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Max E. Ammann
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Standpunkt

«Grand Prix Jumping» in den USA

28.03.2023 08:09
von  Max E. Ammann //

Der 25. Juli 1965 war für die Geschichte des Springsports in den USA ein historischer Tag. Zum ers­ten Mal wurde in den USA ein Grosser Preis über einen «europä-ischen Parcours»  ausgetragen. Dies geschah am Schlusstag der traditionellen «Chagrin Valley PHA Horse Show» im Cleveland Metroparks. Das Preisgeld betrug 3000 Dollar. Es siegte Mary Chapot auf Tomboy vor ihrem Ehemann Frank auf Manon und dem Profireiter Rodney Jenkins auf Gustavus. Diese Premiere führte zu einem fast totalen Umdenken im Parcoursbau in den USA. Zuvor waren die Springparcours bei den amerikanischen Turnieren von der Linienführung wie vom Hindernismaterial eher langweilig und aufforderungslos gewesen. Die Parcours waren kürzer als in Europa. In der Halle, so im Madison Square Garden in New York, bestanden sie aus zweimal rund um die Arena und einmal über die sich kreuzenden Diagonalen (wie eine Acht). In Anlehnung an die populären Hunterprüfungen wurde zu viel Bedeutung auf ein akkurates Reiten gelegt. Es gab zu jener Zeit in den USA noch Prüfungen, bei denen bereits das Touchieren als Fehler zählte. Im Parcours standen vor allem leicht gebaute Steilsprün­ge, Tore, eine Mauer, aber keine Oxer, keine Triplebarre und keine Wasserhindernisse. Die Parcours glichen sich von Turnier zu Turnier. Diese Unterschiede störten die US-Offiziere nicht, die bis 1948 die USA international vertraten. Aber die Zivilreiter des 1950 gegründeten «United States Equestrian Team» (USET) wunderten sich auf ihrer Europareise 1952. Als nach dem Desaster der US-Springreiter an den Panamerikanischen Spielen von 1955 der einstige ungarische Nationenpreisreiter Bertalan de Némethy zum Teamcoach ernannt wurde, bekamen sie eine Stimme, die sie unterstützte.

Lernen in Europa

Da sich in den USA zu jener Zeit niemand fand, der den Mut, den Willen oder die finanziellen Mittel besass, um «europäische Parcours» einzuführen, blieb der Ausweg nur das Lernen in Europa. Mit Bert de Némethy fuhr die amerikanische Springreiterequi­pe praktisch jedes Jahr für mehrere Wochen nach Europa – nach Aachen natürlich, aber auch nach Luzern oder Dublin. Der amerikanische Pferdesportverband AHSA war eine träge Bürokratie, das vitale USET hatte andere Aufgaben und widmete sich dem Aufbau von Equipen in den drei olympischen Disziplinen.
So dauerte es zehn Jahre, bis es, dank Privatinitiativen, zum erwähnten GP von Cleveland in Chagrin Valley über einen «europä-ischen Parcours» kam. Mit Bert de Némethy und Bill Steinkraus, dem Captain der USET-Spring­equipe, als Unterstützer, war es der Reitlehrer und Parcoursbauer D. Jerry Baker, dem das gelang. Mit Laddie Andahazy – wie De Némethy ein ungarischer Immigrant –, dem Direktor des Reitprogramms am benachbarten «Lake Erie College» in Ohio, konnte Baker die Cleveland «Professional Horsemen’s Association» (PHA) überzeugen, einen «europä-ischen Grand Prix» während der «Chagrin Valley PHA Horse Show» auszutragen. Es wurde ein durchschlagender Erfolg. Ende des Jahres 1965 erhielt Jerry Baker den «AHSA Course Designer of the Year Award».

«American Grand Prix Association»

In den folgenden Jahren gab es ers­te Nachahmer. Da aber nicht alle Grands Prix Bakers Vorstellungen entsprachen, schuf die AHSA ein Grand-Prix-Komitee. Jerry Baker und Bill Steinkraus schrieben die Richtlinien für den Parcoursbau. Nach dem Grand Prix von Cleveland wurde 1966 der GP von Oak Brook in Illinois der zweite anerkannte Grand Prix nach dem neuen Reglement. Der dritte war 1967 der GP von Long Island, auf dem Gelände des Post College in Brookville. In den darauffolgenden Jahren vergrösserte sich die Zahl der «europäischen Grands Prix»: Santa Ana, Pasadena und San Diego in Kalifornien kamen dazu, Ox Ridge, Portmouth, Upperville, Atlantic City und Lake Placid an der Ostküs­te. Dann begann, um 1973, der «Florida Circuit», zuerst mit Grand Prix in Winterhaven und Jacksonville, später in Palmetto, Tampa, Palm Beach und Ocala. Der «Florida Circuit» versammelt seither Amerikas Springreiter – und auch Nichtamerikaner wie Beat Mändli – alljährlich für drei Monate. Bald schlossen sich diese GP-Turniere zur «American Grand Prix Association» (AGA) zusammen. Der grösste Förderer war Gene Mische, der mit seiner Firma «Stadium Jumping Inc.» auch eine grosse Anzahl von Grands Prix organisierte. Heute sind es über 30 GP, die jährlich ausgetragen werden.

«Gold Cup», «Invitational» und «Jumping Derby»

1970, 1973 und 1976 wurden drei grosse Prüfungen geschaffen: 1970 der «American Gold Cup», 1973 das «American Invitational» und 1976 das «American Jumping Derby». Sie waren lange Jahre die drei begehrtesten Trophäen des US-amerikanischen Springsports. Vor allem das «American Invitational» im Footballstadion von Tampa wurde zum Höhepunkt. D. Jerry Baker erhielt seine ersten europäischen Eindrücke 1954 bis 1957 in Deutschland, zuerst als Angehöriger der US Militärpolizei, dann als Zivilist im Düppels Reitstall in Zehlendorf. Jerry Baker erwähnte zwei dortige Reitlehrer: Wolfgang Speis und Albert Kohler. Zurück in den USA wurde er Manager des Stalles von J. Basil Ward in Gates Mills, Ohio. Danach arbeitete er für Fitz Eugene Dixon in Philadelphia, wo er den später unter Michael Matz erfolgreichen Jet Run herausbrachte. Später wurde der 1935 geborene Baker Trainer in Mexiko. Dort starb er 1995 unter nie ganz geklärten Umständen, man spricht von Mord im Sexmilieu.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 12/2023)

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