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Max E. Ammann
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Standpunkt

Hilfe für die Ukraine

15.03.2022 07:45
von  Max E. Ammann //

Ende Februar hat die FEI nicht nur Russland und Belarus von allen internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen. Gleichzeitig schuf sie einen Hilfsfond von einer Million Franken zur Unterstützung des Pferdesports in der Ukraine. Dieser Doppelbeschluss der FEI weckt Erinnerungen an das rund 50-jährige Mitmachen der Ukraine im internationalen Pferdesport. Allerdings: Die ers­ten 15 dieser 50 Jahre gab es die Ukraine als unabhängigen Staat noch nicht. Das Gebiet war Bestandteil der grossen Sowjetunion und wurde erst 1990 unabhängig.

EM Military 1973 und EM Dressur 1975

1973 hörte man im Pferdesport erstmals von Kiew, der Hauptstadt. Dort wurde die Europameisterschaft der Militaryreiter durchgeführt. Schweizer nahmen daran nicht teil. Der Parcoursbau und der Ausgang machten diese EM speziell. Beim Parcoursbau kritisierte man das Hindernis Nummer zwei, einen klobigen Oxer über einem Graben, zu springen von einem Abhang. 14 der 43 Starter wurden bereits an diesem frühen Hindernis eliminiert. Prinzessin Anne, immerhin Titelverteidigerin, stürzte bei diesem Sprung.
Nach Abschluss der Dreitageprüfung lagen der Sowjetrusse Aleksander Jewdokimov und der Deutsche Herbert Blöcker punktgleich an der Spitze. Der Russe hatte die bessere Leistung im Geländeritt und wurde Europa­meis­ter.
Zwei Jahre später, 1975, organisierte Kiew die EM der Dressurreiter, diesmal mit Schweizer Beteiligung. Christine Stückelberger und Granat holten sich ihren grossen Titel. Es folgten Olympia 76, EM 77, WM 78. Mit Doris Ramseier auf Roch und Ulrich Lehmann auf Widin gab es Mannschaftsbronze.

Erste Weltcupprüfung

2002, zwölf Jahre nach der Unabhängigkeit, wurde in Kiew die erste Weltcupprüfung im Springen ausgetragen. Organisiert wurde das Turnier von der Geschäftsfrau und passionierten Reiterin Irina Musiyenko. Sie galt als zukünftige Präsidentin des ukrainischen Pferdesportverbandes. Dazu kam es nicht. In einem wilden Machtkampf setzte sich einige Monate später der noch wenig bekannte Aleksander Onischenko durch.
Onischenko, der sein Millionenvermögen mit der Erdgas-Handelsfirma «Orion» machte, war beim erwähnten CSI-W Kiew nur Zuschauer, zusammen mit seiner Gattin, Kseniya Kuzmenko, einer früheren Schönheitskönigin der Ukraine. Als Onischenko 2005 als ukrainischer FN-Präsident zusammen mit seiner Gattin die FEI besuchte, waren die Teilnehmer an der Sitzung erstaunt, wie wenig Onischenko zu sagen hatte und wie eloquent und informativ die schöne Kseniya am Gespräch teilnahm.

«Söldner-Equipe»

Zu jener Zeit (2005) hatte Onischenko damit begonnen, eine ukrainische Springequipe aufzubauen. Nicht mit ukrainischen Reitern, sondern mit Söldnern. Zwar war beim erwähnten CSI-W in Kiew mit Oleg Krasyuk ein junger, talentierter Ukrainer aufgefallen. Aleksander Onischenko aber vertraute auf zwei Deutsche und zwei Belgier, die im Schnellverfahren den ukrainischen Pass erhielten. Nur ein Jahr später (2006) ritten die beiden Deutschen Björn Nagel und Katharina Offel und die beiden Belgier Grégory Wathelet und Jean-Claude van Geenberghe bei den Weltreiterspielen in Aachen. Sie wurden sensationelle Vierte, von Deutschland nur knapp von der Bronzemedaille verdrängt. An den Olympischen Spielen von 2008 in Hongkong ersetzte Teambesitzer Onischenko den Belgier Grégory Wathelet, der ausgeschieden und wieder zum Belgier geworden war. Nun wurde die Ukraine nur Zehnte. 2009 starb Jean-Claude van
Geenberghe 46-jährig während eines Turniers in Donezk in der Ostukraine aus ungeklärten Gründen. Für ihn kam der zuvor für Brasilien reitende Cassio Rivetti in die Equipe. An den Olympischen Spielen 2012 in London wurden Nagel, Offel, Rivetti und wieder Onischenko 14. In der Einzelqualifikation gab es für Onischenko Platz 69 in Hongkong und Platz 66 in London. Für Rio de Janeiro 2016 blieb nur noch Rivetti. Neu kamen die Deutschen René Tebbel und Ulrich Kirchhof (der Letztere immerhin Olympiasieger 1996) sowie der Ungar Ferenc Szentirmai in die Equipe. Sie wurden 16.

Anklage wegen Korruption

Zu erwähnen noch, dass der ebenfalls für die Onischenko-Equipe mit ukrainischem Pass angefragte Steve Guerdat darauf verzichtete und stattdessen 2012 mit dem Schweizer Kreuz Olympiasieger wurde. Seit 2012 war Onischenko Abgeordneter im Obersten Rat der Ukraine. 2016 wurde seine Immunität aufgehoben und es wurde wegen Korruption Anklage gegen ihn erhoben. Onischenko verliess die Ukraine und verkaufte 44 Pferde an Paul Schockemöhle. 2019 wurde er in Niedersachsen aufgrund des Haftbefehls aus der Ukraine festgenommen. Er kam in Auslieferungshaft. Im Mai 2020 beschloss das Oberlandgericht Oldenburg, Onischenko nicht an die Ukraine auszuliefern. «Weil die Haftbedingungen in der Ukraine nicht dem Völkerrecht entsprechen.» Onischenko wur­de aus der Haft entlassen. Bereits 2007 war Onischenko in Belgien wegen Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung verhaftet worden. Er war einige Tage in Untersuchungshaft und die belgische Justiz beschlagnahmte drei seiner Springpferde. 2009 liess er sich von seiner Frau scheiden. Seither war er mit einigen Frauen kurzzeitig liiert, darunter auch mit Martina Hingis.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 10/2022)

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