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Max E. Ammann
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Standpunkt

Preisgeld und Pferdepreise

29.03.2022 09:55
von  Max E. Ammann //

Zur Einführung in das Thema eine Anekdote von 1970 in den USA. In jenem Jahr startete zum ersten Mal seit 1958 wieder eine deutsche Equipe im nordamerikanischen «Fall Circuit» der Turnierfolge Harrisburg, Washington, New York und Toronto. Einer der vier Reiter (Hans Günter Winkler, Hartwig Steenken, Gerd Wiltfang, Lutz Merkel) kam einige Tage früher in die USA, um sich nach Pferden umzusehen. In Virginia wurde ihm, Gerd Wiltfang, ein vielversprechendes Pferd zu einem eher niedrigen Betrag angeboten. Wiltfang schlug freudig ein. Als es ums Bezahlen ging, fiel der Handel auseinander. Der Verkäufer hatte in US-Dollar angeboten, der etwas naive Deutsche in DM gedacht! (Damals war der Dollar rund viermal mehr wert als die Deutsche Mark).

Von 15000 zu 330000 Franken

Als 1977/1978 die Einführung des Weltcups der Springreiter diskutiert und ein Reglement erstellt wurde, betrug das Preisgeld des Grossen Preises bei einem grossen CSIO oder CSI zwischen 15000 und 20000 Franken. Als wir für die erste Saison 1978/79 des von Volvo gesponserten Weltcups den Qualifikationsturnieren ein minimales Preisgeld im Weltcupspringen von 25000 Franken vorschrieben, glaubten wir, grosszügig zu sein. Hätte im Januar 2022 der CHI-W Basel stattgefunden, wären im Weltcupspringen 330000 Franken ausbezahlt worden – 13-mal mehr als 1978. Ein anderer Vergleich: Meteor, der Holsteiner von Fritz Thiedemann, gewann in seiner Laufbahn 150 Springen. Seine Totalgewinnsum­me betrug 177112 Deutsche Mark (Thiedemann hatte Meteor für 2250 Mark gekauft). Shutterfly, mit dem Meredith Michaels-Beerbaum dreimal den Weltcupfinal gewann (2005, 2008, 2009), hatte eine totale Gewinnsumme von 3.5 Millionen Euro, also rund 20-mal so viel wie Meteor.

Miss Budweiser

In den Jahrzehnten, als der internationale Pferdesport vom Militär beherrscht wurde, sprach man nicht über die Preise der Pferde oder über Preisgeld. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Pferdepreise und Preisgelder zum Thema. Den Anfang machten, keine Überraschung, die Amerikaner. 1951 wurde die erfolgreiche Schimmelstute Circus Rose von der grossen Bierbrauerei Busch (Budweiser) gekauft, für Schlagzeilen machende 30000 Dollar. Die Brauerei taufte das Pferd auf Miss Budweiser um und stellte es der damals besten US-Amazone Carol Durand zur Verfügung. Als die FEI sich nicht durchringen konnte, bereits 1952 Amazonen olympisch teilnehmen zu lassen, ging der Beritt an Arthur McCashin. Er ritt Miss Budweiser in Helsinki, gewann eine Mannschaftsbronzemedaille und der neu gewählte IOC-Präsident Avery Brundage liess seinem Landsmann den kommerziellen Werbenamen durchgehen.

Das «100000-Dollar-Pferd»

Anfangs 1966 kaufte der amerikanische Besitzer Patrick Butler den Wallach Jacks or Better und gab ihn Neal Shapiro in den Beritt. Auch hier wurde der Kaufpreis bekannt: 100000 Dollar. Shapiro fuhr im Sommer 1966 mit der USET-Spring­equipe nach Europa, wo sie auch beim CHIO Aachen starteten. Einer der beiden Aachener Tageszeitungen war der Start von Jacks or Better so wichtig, dass er auf der Frontseite in breiten Lettern angekündigt wurde: «Das 100000-Dollar-Pferd in Aachen». In Europa wurde im Juni 1971 der Verkauf des Schimmels Askan an Paul Schockemöhle bekannt, für 450000 DM hiess es. Das Pferd wurde dann an Josef Kun weiterverkauft (für 650000 DM), der es Gerd Wiltfang zur Verfügung stellte. Das Paar wurde zum grossen Favoriten der Olympischen Spiele von 1972 in München, enttäuschte aber mit Platz 16 im Einzelspringen (4+28.75 Fehlerpunkte). Im Mannschaftsspringen gab es die Goldmedaille. 1972 kaufte der in Belgien lebende Pferdebesitzer Leon Melchior von Derek Ricketts den zehnjährigen Beau Supreme für 90000 Pfund. Das waren damals rund 900000 Schweizer Franken oder 750000 Deutsche Mark. Im Jahre 1970 hatten die drei erfolgreichsten Pferde im deutschen Beritt nicht einmal 50000 Mark verdient: Donald Rex 48968, Simona 47504, Goldika 41311 Mark. In den Jahrzehnten seither stiegen die Preisgelder und als Folge davon die Preise für Spitzenpferde.

Millionen-Grand-Prix

Im Weltcupfinal 2022 werden in Leipzig für die drei Prüfungen 550000 Euros ausbezahlt. Noch drastischer war es im kanadischen Spruce Meadows, dem Turnier der Familie Southern in Calgary. Dort wurde schon vor Jahrzehnten beim September-CSIO im Grossen Preis erstmals um eine Million kanadische Dollar geritten. Aachen folgte 2013 mit einer Million Euro (etwas mehr als die kanadische Dollar-Million). Der anfangs erwähnte Shutterfly ist nicht das einzige Pferd, das in seiner Laufbahn über drei Millionen verdiente. ET von Hugo Simon, Weltcupfinalsieger 1996 in Genf und 1997 in Göteborg, kam auf 3.2 Millionen Euro. Millionäre sind auch, unter anderen, Walzerkönig von Franke Sloothaak und Deister von Paul Scho­ckemöhle. Ratina von Ludger Beerbaum schaffte es mit 920000 Euro nicht ganz.

Tinka’s Boy, Calvaro und Nino des Buissonnets

Von den drei wohl erfolgreichsten Springpferden der Neuzeit in Schweizer Besitz verdienten Tinka’s Boy und Calvaro je über zwei Million Franken. Tinka’s Boy von Markus Fuchs, der im Januar dieses Jahres 33-jährig starb, hatte eine Gewinnsumme von über 2.5 Millionen Franken. Calvaro, der Holsteiner Schimmel von Willi Melliger, der 2003 eingeschläfert werden musste, kam auf rund zwei Millionen. Der 2018 verstorbene Melliger hatte Calvaro 1995 als Achtjährigen für eine Million Dollar gekauft. Es heisst, dass während seine Erfolgsjahre ein Kaufangebot von 5.5 Millionen vorlag. Nino des Buissonnets, das Olympiasiegerpferd von Steve Guerdat, hatte im August 2014 eine totale Gewinnsumme von 908079 Franken. Bis zu seiner Verabschiedung zwei Jahre später beim Concours in Genf kamen weitere Preisgelder dazu, um Ninos Gewinnsumme deutlich über eine Million zu bringen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 12/2022)

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