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Max E. Ammann
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Standpunkt

Reiter aus arabischen Ländern

21.02.2023 10:34
von  Max E. Ammann //

Die ersten Reiter aus einem arabischen Land, die bei Olympischen Spielen starteten, waren 1952, 1956 und 1960 fünf ägyptische Offiziere. Vier von ihnen brachten es danach zum General in der ägyptischen Armee. Von 1988 bis 2004 kam der ägyptische Rotrock André Sakakini zu vier Olympiastarts. Erst 1996 wagten Reiter aus anderen arabischen Ländern einen Olympiastart. Die ersten waren Springreiter aus Saudi-Arabien, die von 1996 bis 2012 bei fünf Olympischen Spielen starteten. 2000 ritten zwei Jordanier in Sydney, darunter Prinzessin Haya, die Tochter des jordanischen Königs und spätere FEI-Präsidentin. Ebenfalls am Start in Sydney war der gebürtige Iraner Ali Nilforoshan, der damals in den USA lebte und trainierte. 2008 in Hongkong ritt erstmals ein Reiter aus den Emiraten bei Olympia – 2012 in London waren es ein Syrer und ein Marokkaner. Letzterer war der ers­te arabische Dressurreiter bei Olympia. 2016 kam es schliesslich zur erstmaligen Teilnahme einer Springequipe aus Katar.

Saudische Bronzemedaillen

Bei diesen Olympiastarts arabischer Reiter gewannen sie zwei Medaillen: 2000 wurde der Saudi Chalid Al-Eid Dritter im Einzelspringen. Zwölf Jahre später, 2012 in London, wurde die Springequipe von Saudi-Arabien Dritte. Mit zu dieser Equipe gehörte Abdullah al Sharbatly, der zwei Jahre zuvor, 2010 bei der WM in Lexington, im Pferdewechselfinal der vier Besten sensationell Zweiter geworden war!

Ausdauer gut – Cross schlecht

Der erste internationale Start von arabischen Reitern erfolgte allerdings viel früher: 1919 bei den Interalliierten Spielen in Paris. Diese waren nach Ende des Ersten Weltkrieges von den Siegermächten unter Führung der US-Amerikaner organisiert worden. Am Start waren auch Reiter aus dem damaligen haschemitischen Königreich Hedschas (Hejaz). Es lag entlang des Roten Meeres auf der Arabischen Halbinsel. Fünf Jahre später wurde Hedschas von den im Inneren Arabiens lebenden Nadschd (Najd) erobert. Der König der Nadschd war Abd al-Aziz ibn Saud, ein Vorfahre der heutigen saudischen Könige. 1932 wurden die beiden Königreiche Hedschas und Nadschd zum heutigen Königreich Saudi-Arabien vereinigt. So kamen auch Mekka und Medina unter die Kontrolle des Hauses Saud. An den Interalliierten Spielen von 1919 in Paris bestritten drei Reiter aus Hedschas das «Championat du Cheval d’Armes», die 1902 erfundene Vorgängerin des «Three-Day-Event». Mit ihren Vollblutarabern konnten sie im 50-Kilometer-Dauerritt mithalten. Aber im Crosscountry scheiterten sie an den ein Meter hohen Hindernissen. Ihr Bester, Captain Fawzi, war mit dem Araberschimmel Masaud Siebter nach den 50 Kilometern, schied aber im Cross aus, wie seine beiden Mitstarter.

Marokko

Nach den drei Olympiastarts der ägyptischen Offiziere in den 50er-Jahren (mit einem neunten Einzelrang vom kürzlich verstorben General Mohamed Zaki 1956 und dem vierten Mannschaftsplatz 1960 in Rom) dauerte es bis in die 70er-Jahre, bis wieder arabische Reiter auf Europas Turnierplätzen auftauchten. Es waren Springreiter aus Marokko, die ab Ende der 70er-Jahre und in den 80er-Jahren beim Weltcup-CSI in Bordeaux starteten. Unter ihnen war Lyazid Charrat, der später erster Kommandant der erst in den 90er-Jahren erbauten marokkanischen Königlichen Kavallerieschule in Temara wurde. Die afrikanische Pferdekrankheit beendete diese marokkanischen Besuche in Bordeaux.

Katar

Zu jener Zeit wurde der französische Springreiter Jean-Michel Gaud zum Nationaltrainer Springen von Katar verpflichtet. Von Gaud, der für Frankreich zu zehn Nationenpreiseinsätzen gekommen war und der für seine Redseligkeit bekannt war, hiess es, er habe beim ersten Besuch in der Heimat nach einigen Monaten in Katar erzählt, bei seinem Antrittsbesuch in Doha habe er vier Springpferde, drei Reiter, zwei Zäume und einen Springsattel vorgefunden. Wenn nicht wahr, so doch gut erfunden. Nach einiger Zeit kehrte Gaud aus Katar zurück. Erst zwei Jahrzehnte später wurde Katar wieder aktiv. Zuerst 1999 mit der Ausrichtung der FEI-GV, dann mit dem Aufbau einer Spring-equipe. (Vor rund zehn Jahren wurde Markus Fuchs Trainer der Katari, für die teure Pferde gekauft wurden.)

Libyen

Nie zu einem Olympiastart kamen die Reiter Libyens. Aber in den 70er- und 80er-Jahren hatte das erst 1970 der FEI beigetretene Libyen denkwürdige CSIs in der Hauptstadt Tripolis organisiert und Libyens Springreiter nahmen an europäischen Turnieren teil. Muammar al-Gaddafi, der Diktator, hatte nach seiner Machtübernahme verkündet, Fussball als Sport der Massen und der Pferdesport als reiterliche Tradition seines Beduinenvolkes müssen gefördert werden. So wurde in der Nähe des Flughafens von Tripoli ein Reitzentrum gebaut, wo die CSI Tripolis stattfanden. Die europäischen Pferde wurden mit einer Frachtmaschine eingeflogen.

Saudi-Arabien

Ein erstes Interesse Saudi-Arabiens erlebte man 1992 anlässlich des Weltcupfinals in Del Mar. Das Reitzentrum Albert Court in Rancho Santa Fe lud zur Besichtigung. Es war das 1989 eröffnete Trainingszentrum der saudi-arabischen Springreiter. Trainer war das Ehepaar Bernie und Chris­tine Traurig. Das Jahr zuvor war Abdullah Al Saud, aus der königlichen Familie, zum Mitglied des FEI-Bureaus gewählt worden. Heute ist Al Saud Erziehungsminis­ter des Königreichs. 2000 kam dann der erwähnte Medaillengewinn von Al-Eid in Sydney und 2012 die Teambronzemedaille in London. Nach sechs Jahren in den USA, in Albert Court nördlich von San Diego, waren die Saudis 1995 zu Paul Scho-ckemöhle gezogen. 1996 qualifizierten sie sich für die Olympischen Spiele in Atlanta. Neben den Olympiastarts gab es für die Springreiter auch Erfolge an den Panarabischen Spielen 2011. Bei der zwölften Austragung in Katar gewann Saudi-Arabien die Mannschaftsgoldmedaille vor Ägypten, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Weltcup in Arabien/Nordafrika

Seit Anfang dieses Jahrtausends gibt es auch zwei arabische Ligen des Springreiterweltcups: eine für die Staaten auf der Arabischen Halbinsel, die andere für Nordafrika. Es war Prinzessin Haya, damals noch nicht FEI-Präsidentin, die mir im August 2004 auf dem Handy den Start der arabischen Liga mitteilte. Ich weilte gerade in Stadl-Paura an der WM der Voltigierer. Zu erwähnen ist noch das kurzzeitige Engagement von Kuweit, das die talentierten Al-Mutawa-Schwestern förderte, bis das Inte-resse erlosch.

Springsport im Hotelgarten

Mehrere Jahre gab es die beliebten Einladungsturniere von Kairo. Es war der pensionierte Polizeichef von Kairo, Ihab Abdel Aziz, nun Sicherheitschef der Mövenpick-Hotels in Ägypten, der Ende der 80er-Jahre die Idee hatte, im Garten des Mövenpick-Hotels in Heliopolis, in der Nähe des Flughafens von Kairo, ein Turnier zu veranstalten. Eingeflogen wurden die Reiter, die Pferde wurden von den teilnehmenden ägyptischen Reitern zur Verfügung gestellt. Viele der Topreiter nahmen teil – das Turnier wurde jeweils am Freitag unterbrochen und all die Eingeladenen flogen nach Luxor zu den dortigen Tempeln und Königsgräbern.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 7/2023)

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