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Trinkwasserinitiative: Pferdebranche in Gefahr!

20.05.2021 13:22
von  Aline Wicki //

Am 13. Juni 2021 stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über fünf Vorlagen ab. Darunter die «Volksinitiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung», kurz «Trinkwasserinitiative», und die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide», auch «Pestizidfrei-Initiative» genannt. Welche Auswirkungen hätte eine Annahme der Agrarinitiativen, insbesondere die Trinkwasserinitiative, auf die Pensionspferdehaltung in der Schweiz?

Gerade weitläufiges Weideland würde durch die Initiativen massiv bedroht. Muss sämtliches Futter selbst produziert werden, ist es nicht abwegig zu behaupten, dass Weideland der Produktion weichen müsste.

Zugegeben, «Volksinitiative für sauberes Trinkwasser», ein geschickt gewählter Name. Sauberes Wasser möchten wir alle. Sind die Agrarinitiativen der richtige Weg und welche Auswirkungen haben sie auf die Pferdebranche? 2018 wurde der Schweizer Equidenbestand gemäss Daten der Tierverkehrsdatenbank auf 111922 Tiere geschätzt. Rund drei Viertel davon werden auf landwirtschaftlichen Betrieben gehalten. Um den Zusammenhang der Pferdebranche mit der Landwirtschaft zu verdeutlichen, erklärt Hannah Hofer, Leiterin Geschäftsbereich Energie und Umwelt des Schweizer Bauernverbands und selbst leidenschaftliche Reiterin und Pferdehalterin: «Der Zusammenhang der Pferdehaltung und der Landwirtschaft ist grösser, als auf den ers­ten Blick erahnen lässt. Fast jeder fünfte Landwirtschaftsbetrieb hat Pferde.»

Was sagt der Initiativtext der «Trinkwasserinitiative»?

Die «Trinkwasserinitiative» hat zum Ziel, dass nur noch Betriebe Direktzahlungen erhalten, die Antibiotika weder regelmässig noch vorbeugend einsetzen, die pestizidfrei produzieren und die in der Lage sind, alle Tiere mit Futter zu ernähren, das sie auf ihrem Hof produzieren (siehe Box Seite 3, Initiativtext).

Wer erhält Direktzahlungen?

Rund 2,8 Milliarden Schweizer Franken fliessen jährlich in Form von leistungsgebundenen Direktzahlungen in die Landwirtschaft. Diese sind aufgeteilt in Kulturlandschafts-, Versorgungssicherheits-, Biodiversitäts-, Landschaftsqualitäts-, Produktionssystem-, Ressourceneffizienz- und Übergangsbeiträge. Damit sind die Direktzahlungen ein zentrales Steuerelement der Agrarpolitik und gelten die durch die Landwirte ausgerichteten und in der Verfassung verankerten gemeinwirtschaftlichen Leistungen ab. Nebst einigen formellen Kriterien, beispielsweise Ausbildung und Alter, ist nur direktzahlungsberechtigt, wer den sogenannten «Ökologischen Leis­tungsnachweis» (ÖLN) auf dem gesamten Betrieb erbringt. Hält ein Landwirt Pensionspferde, hat er auch für diesen Betriebszweig den ÖLN zu erfüllen. Der ÖLN regelt bedarfsgerechte Düngung, angemessener Pflanzenschutzmitteleinsatz, Mindestflächen für den ökologischen Ausgleich, geeignete Fruchtfolge oder Bodenschutzmassnahmen. Geld erhält also nur, wer diese «Spielregeln» einhält.

Der Initiativtext fordert wörtlich, dass Tiere auf Landwirtschaftsbetrieben nur noch mit betriebseigenem Futter gefüttert werden dürfen. Fotos: Aline Wicki

Verdrängung des Pferdes aus der Landwirtschaft

Dem Initiativtext ist zu entnehmen, dass eine Annahme die landwirtschaftlichen Betriebe mit Pferdehaltung vor eine Grundsatzentscheidung stellen würde: Entweder sie strukturieren den Betrieb so um, dass sie die Forderungen erfüllen und Direktzahlungen erhalten oder aber sie treten aus dem ÖLN aus und verzichten damit auf die Direktzahlungen. Letzteres hätte beispielsweise zur Folge, dass die wichtigen Mehrleistungen im Tierwohl, der Förderung der Biodiversität und dem Umweltschutz nicht mehr erfüllt werden müssten, aber auch ein Teil des Einkommens wegfällt. «Die Ini­tiative hätte zur Folge, dass wir kein Raufutter mehr aus dem Ausland und vom Nachbarn zukaufen könnten. Ohne dieses müssten wir den Pferdebestand reduzieren. Ich denke, wir müssten wohl oder übel aus dem ÖLN aussteigen», erklärt Hans-Jürg Schumacher, der gemeinsam mit Ruth Schumacher «Schumis Hof» betreibt, eine möglichst naturnahe und pferdegerechte Weidehaltung. Dem muss auch Hofer zustimmen: «Viele Betriebe müssten sich entscheiden, entweder die Anzahl Pferde zu reduzieren oder aus dem ÖLN auszusteigen. Das heisst, das Angebot der Pensionsställe würde deutlich kleiner und damit auch teurer. In einem weiteren Schritt kommen dann noch Probleme mit der Raumplanungsgesetzgebung hinzu.»

Rückschritt im Tierwohl

«Wir haben im Bereich des Tierwohls in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht, die Initiative bezweckt einen riesigen Rückschritt darin. Wird das Pferd aus der Landwirtschaft verdrängt, verlieren wir auch die tierfreundlichen und streng kontrollierten Haltungsformen mit viel Weidegang und pferdefreundlicher Umgebung», äussert sich Stefan Krähenbühl vom Biohof «Hof am Murtensee» und ergänzt, «wird die Initiative angenommen, steigen wir mittelfristig aus der Pensionspferdehaltung aus. Einerseits wegen dem nötigen Futterzukauf, aber vor allem auch wegen den Regulierungen im Hinblick auf die Abgabe von Medikamenten. Ich als Tierhalter kann und möchte meinen Kunden nicht vorschreiben, wie sie ihr Tier zu behandeln haben. Antibiotika wird beispielsweise bei Verletzungen vorbeugend zur Vermeidung von Bakterieninfektionen verwendet. In dieser Hinsicht ist also der gezielte prophylaktische Antibiotikaeinsatz durchaus tierwohlsteigernd.»

Nur wer das gesamte Futter auf dem eigenen Betrieb produziert, wäre nach einem Ja noch direktzahlungsberechtigt.

Die Argumente des Ja-Komitees

In einer Stellungnahme argumentiert Fitnesstrainerin und Ini­tiantin der «Trinkwasserini­tiative», Franziska Herren, Reit- und Hobbypferde seien keine landwirtschaftlichen Nutztiere und daher von der «Trinkwasserinitiative» in keiner Weise betroffen. «Die Initiative enthält keine Bestimmungen über die Fütterung von Reit- und Hobbypferden, auch nicht betreffend Import von Spezialfutter aus dem Ausland», argumentiert sie. Dies sieht Hofer anders, denn folge man dem Wortlaut, sei nur noch betriebseigenes Futter, also auch kein regionaler Zukauf, gestattet. Den Ausweg des Futteraustausches über die Gründung einer Betriebsgemeinschaft sieht sie wenig pragmatisch. «Die organisatorischen und juristischen Hürden für eine Betriebsgemeinschaft sind sehr hoch. Das wäre, als ob man zwei Firmen zwingt, zu fusionieren», so Hofer. Das Ja-Komitee argumentiert weiter, dass die private Pferdehaltung mit Steuergeldern subventioniert werde, obwohl keinerlei Lebensmittelproduktion stattfindet. Diese Aussage ist schlichtweg falsch, erklärt Hofer: «Man muss hier klarstellen, dass es in den Direktzahlungen allgemein keine Tierbeiträge mehr gibt (Anm. der Autorin: diese wurden mit der AP14-17 per 1.1.2014 aufgelöst). Es gibt Beiträge für besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS) und regelmässigen Auslauf im Freien (RAUS), welche die Anforderungen an Tierschutz übertreffen, unabhängig vom Heim- oder Nutztierstatus. Bei der Diskussion um den Bezug von Direktzahlungen geht es aber um die gesamtbetriebliche Betrachtung und die zusätzlichen Leis­tungen, beispielsweise im Bereich der Biodiversität oder Tierwohl, welche den Landwirten mit Direktzahlungen entschädigt werden. Pferde passen gut in dieses System, da sie in vielen Bereichen auch ergänzende Funktionen haben. So fressen unsere Pferde beispielsweise das Ökoheu, welches für unsere Kühe zu wenig Energie aufweist. Vielen Pferdebesitzern sind die Zusammenhänge und die Abhängigkeit von der Landwirtschaft leider zu wenig bewusst.»

Pferdebranche gegen Agrarinitiative

Auch die Organisationen der Pferdebranche sehen in den beiden Initiativen grosse negative Auswirkungen auf die schweizerische Pferdehaltung und den Pferdesport. Sie präsentieren gemeinsam ein Argumentarium. Unterzeichnet wur­de das Schreiben vom Schweizerischen Verband für Pferdesport SVPS, den Regionalverbänden OKV, ZKV, FER, PNW, FTSE, dem Schweizerischen Freibergerverband, dem Zuchtverband CH-Sportpferde, der Vereinigung Pferd sowie dem Verband Swiss Horse Professionals (SHP).

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 19/2021)

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