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Anthony Bourquard: Auf den Spuren von Steve Guerdat

19.02.2019 11:30
von  Oriane Grandjean //

Anthony Bourquard, seit 2015 in der im Zürcherischen gelegenen Reitanlage von Steve Guerdat tätig, hat eine glänzende Saison 2018 hinter sich. Wo liegt der Schlüssel zu seinem Erfolg? Hier: Lernen können im Umfeld eines der besten Reiter der Welt, von seinen Ratschlägen, seiner Organisation und seiner Anlage profitieren dürfen. Der 22-jährige Jurassier scheint den idealen Platz gefunden zu haben für die Fortsetzung seines Aufstieges im Spring­sport. Der junge Mann ist sich seines Glücks bewusst und arbeitet hart, um das höchste Niveau zu erreichen. Anthony Bourquard vertraut auf seinen Alltag an der Seite der Nummer eins der Welt.

Basierend auf seinem zu Beginn des Jahres 2017 bezogenen neuen Wohnsitz in Elgg hat Steve Guerdat zudem einen traumhaften Ort für den Spitzensport geschaffen. «Die Anlagen sind ideal», hebt Anthony Bourquard hervor. «Alles ist wirklich perfekt, für die Pferde wie auch für uns. Wir haben das Glück, für das Springen über einen grossen Rasenplatz zu verfügen, aber wir arbeiten nicht immer dort, damit er in gutem Zustand bleibt. Es gibt auch ein Paddock, den wir mehr für das Gymnastizieren verwenden. Während der Indoorsaison profitieren wir von der grossen Halle, in der sich gut Parcours stellen lassen. Die Pferde haben viel Abwechslung, wir können mit ihnen auch in den Wald gehen. Vor der Arbeit drehe ich jedes Mal draussen eine kleine Runde, um das Pferd auf andere Gedanken zu bringen.»

Goldenes Personal

Wie alle anderen Angestellten des Olympiasiegers von London lebt An­thony Bourquard in Elgg. «Wir wohnen alle, Steve inbegriffen, im Gebäude mit den Stallungen, in denen seine sechs Spitzenpferde stehen. Das ist ideal, weil wir gleich neben den Boxen sind; wenn es ein Problem gibt, sind wir gleich vor Ort.» Die von Bourquard gerittenen Pferde stehen in den Stallungen bei der Halle, gleich neben dem Haus.
Auf dem Betrieb gibt es kein langes Ausschlafen: «Alle beginnen mit der Arbeit zwischen 6.30 und 7.00 Uhr», präzisiert der Schweizermeister der Jungen Reiter 2017. «Wir mis­ten die Boxen aus, füttern die Pferde, dann steigen wir in den Sattel. Am Nachmittag kümmern wir uns um die Anlagen. Im Durchschnitt reite ich sechs Pferde täglich. Insgesamt müssen 20 bis 25 Pferde geritten werden, die wir uns aufteilen zwischen Steve, seiner Lebensgefährtin Fanny Skalli und mir. Die vier Grooms reiten auch ein wenig, wenn es nötig ist, und da ist auch noch der Freiburger Mi­chael Clerc, der hier in der Lehre ist. Es ist von grosser Wichtigkeit, seriöses Personal zu Hause zu haben, zumal wir oft an Turnieren sind. Man muss sich auf das in den Stallungen verbliebene Personal verlassen können.»

Steve Guerdat reist rund ums Jahr um die Welt, mit Turniereinsätzen an fast jedem Wochenende. «Deshalb nutzt der Champion aus dem Jura seine Anwesenheit in Elgg von Montag bis Mittwoch, um sein Team zu führen», wie sein Protegé erläutert: «Am Morgen erstellt Steve den Arbeitsplan für alle Pferde. Er bestimmt, wer welches Pferd reitet und was mit ihm zu arbeiten ist, aber dann entscheide ich, wie ich dies tue, da lässt er mir freie Hand. Man gestaltet das so, dass die Pferde in der bestmöglichen Form sind für die Turniere. Der Arbeitstag ist dann gegen 18 Uhr beendet. Es kommt vor, dass wir am Abend alle gemeinsam essen. Da Steve aber nicht oft zu Hause ist, hat er da gerne seine Ruhe, das ist verständlich.»

Unter dem Auge des Meisters

Täglich mit Steve Guerdat zu arbeiten, inspiriert An­thony Bourquard: «Ich beobachte stets, wie er arbeitet, um mir ein Beispiel an ihm zu nehmen, um zu versuchen, mich zu verbessern und meine Pferde zu fördern», verrät der aus Glovelier stammende Reiter.

Bourquard mit seinem derzeitigen Spitzenpferd Janus. Foto: Fabienne Bujard

«Ich glaube, man lernt viel durch das Beobachten. Wir arbeiten immer zusammen. Wenn er sieht, dass etwas nicht klappt oder dass ich anders vorgehen sollte, dann sagt er es.» Oftmals fragt der Meister beim Springen auch nach der Meinung des Schülers. «Es ist ein ständiges Austauschen, er ist wirklich sehr sympathisch. Ich bin nie allein gelassen in meiner Ecke.»

Neben den erstklassigen Einrichtungen profitiert Anthony auch von den beiden besten Trainern, die man sich vorstellen kann: «Wenn ich zu Hause springe, ist Steve immer dabei und hat ein Auge auf mich. Es kommt aber auch vor, dass Thomas Fuchs uns hilft. Will heissen: Ich bin wirklich bestens betreut!» 

Traumhafte Stallungen

In diesem optimalen Rahmen haben sich die Erfolge gehäuft, mit schönen Siegen in Grossen Preisen in der Schweiz wie Maienfeld oder Chalet-à-Gobet, aber auch an CSIs wie dem CSI3* Humlikon oder jenem am CSI2* in Gorla Minore. «Es war meine bes­te Saison, ich habe dieses Jahr meine ersten grossen Siege gefeiert. Ich hoffe, das ist nur ein Anfang.» Sagt man nicht, der Appetit komme beim Essen? «Das muss ein Sprungbrett sein. Ich hatte das Glück, mehrere sehr gute Pferde zu reiten, was mir die Teilnahme an vielen Grossen Preisen erlaubte, ich konnte reichlich Erfahrungen sammeln, ich glaube, dass das für die Zukunft sehr wichtig ist.»

Im Aufwind: Anthony Bourquard. Fotos: Clément Grandjean

Als Bereiter des Stalles von Steve Guerdat kann er sicher sehr gute Pferde reiten, aber gewisse davon sind für den Verkauf bestimmt. «Ich habe einige Pferde für die Turnierteilnahme wie Be Happy und mehrere junge, aber das sind Handelspferde. Immerhin habe ich auch meine fest zugeteilten wie Janus, mein Crack, der Steve gehört, in Gemeinschaft mit einem Besitzer, der einen Anteil erworben hat für mich. Also weiss ich, dass ich ihn behalten kann. Manchmal kümmere ich mich auch um die Pferde von Steve, wie zum Beispiel Corbinian, um sie wieder in Form zu bringen. Da Steve oft an Fünfsternturnieren teilnimmt, kann er nicht immer die gleichen einsetzen, und Pferde müssen in Form gehalten werden. Es ist eine Teamarbeit.»
Seit Indiana des Abattes CH, die langjährige Komplizin von Anthony Bourquard, im Oktober in die wohlverdiente Rente gegangen ist, ist Janus sein Spitzenpferd. Der Mitbesitzer, der Jurassier Patrick Vernier, hatte ihm bereits Indiana anvertraut. «Er ist immer für mich da gewesen; wenn ich ein Pferd benötigte, hat er mich immer unterstützt. Es ist wichtig, treue Besitzer zu haben. Er setzt mich nie unter Druck, er lässt mich machen.» Und Janus bestätigt die Hoffnungen, die Guerdat, Bourquard und seine Entourage in ihn setzen. Erst zehnjährig, ist dieser Wallach, Nachkomme von A Namelus-R und Darco, ein ausgezeichnetes Nachwuchspferd für den Jurassier.

Ein bereichernder Austausch

Da Steve Guerdat an den grössten Turnieren der Welt teilnimmt, ist er nur selten anwesend, wenn das junge Talent Anthony Bourquard selbst einreitet. Sie tauschen sich per Telefon aus und der Meister begutachtet die Videoaufnahmen seines Schülers. «Steve verfolgt meine Ritte am Fernsehen, wenn er kann. Er hat immer ein Auge auf mich, aber er hat auch Vertrauen, also kann ich mein Programm reiten. Dieses Vertrauen ist in meinen Augen das Allerwichtigste.»

«Chef» Steve Guerdat und «Lehrling» Anthony Bourquard. Foto: Privat

Manchmal befinden sich die beiden am gleichen Turnier, wie in Gorla Minore, wo Anthony den Grossen Preis gewonnen hat. «Auf dem Abreitplatz stellt er die Stangen für mich und ich tue dasselbe für ihn, wir helfen uns gegenseitig. Es gibt mir etwas Zusätzliches, wenn er auf dem Platz ist. Mit seiner Erfahrung weiss er stets, was zu sagen ist. Er spricht wenig, aber immer mit den passenden Worten.»

Steve Guerdat ist Spitzenreiter seit bald 20 Jahren, aber er würde nie Druck auf seinen Reiter ausüben. «Er kennt den Sport, weiss, dass es manchmal klappt und manchmal eben nicht. Den Druck, den setze ich mir schon selbst. Ich habe nie erlebt, dass Steve mir gesagt hätte, ich müsse eine Nullrunde hinlegen oder ich müsse gewinnen, das ist sehr angenehm.»

Eine freundschaftliche Beziehung

Dass der kürzlich an der Weltmeisterschaft mit der Bronzemedaille Ausgezeichnete ein guter Lehrer sein werde, hatte man allgemein vermutet, aber was er seinem Protegé vermittelt, beschränkt sich bei Weitem nicht darauf. «Es gibt ja nicht nur den technischen Aspekt, da ist auch noch all das andere», verrät Bourquard. «Der optimale Einsatz der Pferde  und deren Förderung, die Beziehungen zu den Besitzern, die Sponsoren und ganz allgemein das Umfeld. Das ist wichtig, denn es genügt nicht, sich mit den Pferden auszukennen, um in dieser Welt Fortschritte zu machen. Ich nehme ihn mir zum Vorbild. Ich weiss auch, dass er immer für mich da sein wird, sollte ich einmal ein persönliches Problem haben. Er hat ein grosses Herz.»

Was sich da zwischen Bourquard und seinem Idol entwickelt hat, ist weit mehr als ein Verhältnis zwischen Patron und Angestelltem. Aber wie ist er denn im Alltag, der Olympiasieger? «Er ist äusserst ernst, wenn er auf dem Pferd sitzt. Er ist ganz in seiner Welt, konzentriert. Aber nachher ist er sehr sympathisch. Es ist mehr als ein Arbeitsverhältnis, es ist eine Freundschaft.»

Eine vielversprechende Zukunft 

Seine Zukunft erhofft sich Anthony Bourquard an der Seite von Steve Guerdat. «Ich möchte weiter von ihm lernen und die Qualität meiner Pferde verbessern. Mit Janus darf ich auf eine gute Saison 2019 hoffen. Ich weiss nicht, wie weit wir kommen werden, aber ich möchte Fortschritte verzeichnen. Ich möchte keine präzisen Ziele formulieren, ich erlebe ja derzeit den Übergang von den Jungen Reitern zur Elite. Ich muss Erfahrungen sammeln in den schwers­ten Prüfungen, ich möchte gerne einige CSI5* reiten.»

Gemeinsamkeiten

Man erkennt den Einfluss des Meisters, wenn Bourquard im Parcours ist: gleiche Bewegungen, gleicher Blick, gleiche Reitweise. Aber der Olympiasieger hat den jungen jurassischen Hoffnungsträger noch weiter beeinflusst. Man fühlt aus den Worten des Letztgenannten jene Weisheit, die die Stärke von Steve ausmacht: die besondere Aufmerksamkeit gegenüber seinen Pferden, die zweifelsohne zum beeindruckenden Leis­tungsausweis und zur langen Dauer der Spitzenleistung des Olympioniken inmitten der Weltelite beiträgt. «Steve beobachtet die Pferde sehr genau. Er wird nie etwas verlangen, was ein Pferd nicht leis­ten kann. Er wird nie das Schicksal herausfordern durch eine Prüfung, die nicht in unserer Reichweite liegt. Er denkt viel an die Zukunft, er wird also niemals ein Pferd verheizen.»

Anthony Bourquard ist sich der Chance bewusst, die ihm geboten ist, und er packt sie. Aber er vergisst nie, seinem Mentor zu danken: «Ich habe grosses Glück, und ich danke Steve dafür, dass er sich so viel Zeit nimmt für mich, dass er diese Geduld aufbringt und möchte, dass ich Erfolg habe. Er ist mein Patron, aber er tut alles für meine Karriere.»

Übersetzung: René Pezold. Dieser Artikel erschien im offiziellen Programm des CHI Genf 2018. Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers «PIM Sportsguide SA».

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 7/2019)

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