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Die Trainkolonne 9 absolviert derzeit im st. gallischen Wartau einen Wiederholungskurs.
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Die unauffälligen Pferdestärken

10.11.2015 15:28
von  Corinne Hanselmann //

In der Gemeinde Wartau im St. Galler Rheintal findet derzeit ein Wiederholungskurs der Trainkolonne 9 der Schweizer Armee statt. Rund 190 Soldaten üben während drei Wochen militärische Manöver und verrichten mit den knapp 70 Pferden Transportarbeiten. Die «PferdeWoche» begleitete die Soldaten und ihre Freiberger bei einem Einsatz.

In Reih und Glied stehen die Freiberger der Train-kolonne 9 angebunden vor den Stallzelten. Sie werden von den Soldaten gestriegelt, die bei der Festung Magletsch in Oberschan ihren WK absolvieren. Es ist sieben Uhr morgens und der Kolonnenkommandant, Hauptmann David Hauri, erteilte den Trainzügen soeben Aufträge. Nun gilt es, die Pferde zu satteln und zu zäumen. Für einen weiteren Zug stehen heute Schiessübungen an. Das benötigte Material packen sie auf die Pferde und machen sich zu Fuss auf den Weg.

Brennholz für die Alphütte

Zwei Züge haben ihre Pferde am Vortag an ihrem vorgezogenen Standort auf der Alp Riet unterhalb des Gonzen, einem zur Alvierkette gehörenden Berggipfel, eingestallt. Mit Mannschaftsfahrzeugen geht es deshalb direkt dorthin. Sorgfältig bereiten die Männer die Ausrüstung und die Pferde für den bevorstehenden Auftrag vor. Kritisch kontrolliert Kommandant Hauri die Sattelung und die Zäumung der Tiere und lässt beim einen oder anderen etwas korrigieren, bevor es losgeht. «Wir verwenden hier 71er-Bastsättel», erklärt er. Das sei zwar ein älteres Modell mit relativ hohem Eigengewicht, das sich aber durch eine sehr gute Lastverteilung und Passform auszeichne und viele Befes­tigungsmöglichkeiten bie­te. Jedes Pferd trägt am Sattel zudem zwei kleine Ledertaschen, in denen eine Haferration, Putzzeug und ein Wassersack untergebracht sind. Wäh­rend ein Teil der Soldaten Material für die Verbesserung eines Wanderwegs transportiert, sind die anderen um Brennholz für die Alp­hütte besorgt. 20 Ster Holz sollen für die Alp­genossenschaft aus dem etwas unterhalb gelegenen Schutzwald zur Hüt­te auf 1578 Meter über Meer transportiert werden. Zu bewältigen sind an die 100 Höhenmeter in unwegsamem Gelän­de.

Auf dem Weg vom Stallzelt zum Putzplatz werden die Pferde getränkt.

In Teamwork werden die Pferde mit den 71er-Bastsätteln gesattelt.

Kommandant David Hauri kontrolliert Sattel und Zaum.

 

Gelassene Freiberger

Die Soldaten machen sich an die Arbeit. Eine Gruppe ohne Pferde hat bereits die metallenen Lastgeschirre mit Holz bepackt. Wäh­rend ein Mann das Pferd hält, hieven vier andere vorsichtig die Last auf den Rücken. «Wir laden rund 100 bis 120 Kilogramm pro Pferd und achten darauf, dass das Gewicht gleichmässig verteilt ist», so Hauri. Obwohl viele der Freiberger diese Arbeit nur ein- bis zweimal jährlich während der WK machen, nehmen sie das geschäftige Treiben mit Gelassenheit hin. Die Pferdeführer danken es ihnen mit gutem und geduldigem Umgang. Auf dem steilen, teils sumpfigen Weg zur Hütte gönnen sie den Vierbeinern auch mal eine kurze Verschnaufpause. Zur optimalen Betreuung der Tragtiere gehören zwei Tierärzte und vier Hufschmiede zur Kolonne 9. Sie sind bei Bedarf immer abrufbar. «Der Train kommt dort zum Einsatz, wo das Rad nicht mehr drehen kann», erklärt Hauri. Die Soldaten üben in diesem WK unter anderem die Einsätze des Pferdes als Tragtier bei unterschiedlichen Gegebenheiten sowie die Verschiebungen von Tieren, Soldaten und Material von einem Standort zum anderen. «Das Gelände dieser Region eignet sich sehr gut für diese Übungen», so der Kommandant. Im militärischen Ernstfall könnte der Train zum Beispiel Funk­antennen oder Waffen in unwegsames Gelände oder im hohen Gebirge transportieren oder Munition an abgelegene Stellungen liefern. «Die Pferde kommen praktisch überall durch, sind zudem unauffällig und fast lautlos», so Hauri. «Sie stellen, zusammen mit den Trainsoldaten, einen echten Mehrwert für das Militär dar.»

Wo das Rad nicht mehr dreht, kommen die Pferde zum Einsatz.

 

Sinnvolle Transporte

Übungen, die sonst meist mit militärischem Material gemacht werden, setzt die Trainkolonne 9 teilweise mit Rundholz, Brettern, Kies oder Bodenbefestigungsplatten um. «So nützt der Transport jemandem und ergibt mehr Sinn», erklärt der Kommandant. Und trotzdem ist es eben Militär: «Normalerweise tragen die Soldaten bei allen Übungen die Kampf­ausrüstung und Sturmgewehr», sagt Hauri. Aus Sicherheitsgründen verzich­te er bei diesen ausserordentlichen Verhältnissen mit schwierigem Gelände darauf. Das Material liege aber in unmittelbarer Nä­he griffbereit. Ein Grossteil der Trainangehörigen sind Landwirte oder Handwerker und haben bereits bei der Rekrutierung gewünscht, dieser Truppengattung zugeteilt zu werden. Auch bei Kommandant Hauri war dies der Fall: «Ich bin mit Pferden aufgewachsen und für mich war klar, wenn Militärdienst, dann beim Train.» Diese Tätigkeit gefiel ihm und er wurde bereits nach wenigen Wochen in der Rekrutenschule zum Offizier vorgeschlagen. Mittlerweile sind die schwer beladenen Freiberger mit ihren Führern bei der Alphütte angekommen. Die Soldaten arbeiten Hand in Hand – rasch sind die Pferde entladen, das Holz gestapelt. Auf gehts auf eine weitere Runde. Mit dem Wetter hatten die Männer (und wenigen Frauen) im WK in der Region Wartau bisher grosses Glück. «Ich habe in den höheren Lagen mit Schnee gerechnet», sagt Hauri. «Deshalb sind auch Gebirgsspezialisten aufgeboten worden, die nun andere Aufträge ausführen.»

Ende Oktober hat die Kolonne 9 die Fahne übernommen, heute wird sie in Chur um 16 Uhr abgegeben. Danach erfolgt das Defilee durch die Altstadt. Bis zum 13. November verrichten die Trainsoldaten und die Freiberger ihren Dienst und «schaffen einen echten Mehrwert», wie der Kommandant sagt.

Die Trainkolonne 9 absolviert derzeit im st. gallischen Wartau einen Wiederholungskurs.

 Ziel erreicht: Bei der Alphütte wird das Holz abgeladen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 44/2015)

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