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Jessica von Bredow-Werndl mit der zehnjährigen Stute Zaire.
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Ein Leben für die Pferde

22.07.2014 15:03
von  Alexandra Koch //

Dass es mit Unee einmal so hoch hinausgehen würde, hatten wohl die wenigsten gedacht, die Jessica von Bredow-Werndl, mehrfache Europameisterin der Junioren und Jungen Reiter für Deutschland, 2012 erstmals mit dem Rapphengst beobachten konnten. Doch eine talentierte Reiterin und ein aussergewöhnliches Pferd ergaben langfristig eine bestechende Kombination, an der auch die deutsche Bundestrainerin Monica Theodorescu nicht vorbeikam. Nun geht der Blick Richtung WM – auch dank Béatrice Bürchler-Keller.

Vor kurzem kamen Jessica von Bredow-Werndl und der dunkelbraune zwölfjährige Hol­länder-Hengst Unee (von Starvererber Gribaldi, Vater von Totilas) von den Deutschen Meisterschaften mit einer Bronzemedaille in der Königsdisziplin Kür zurück. Dabei waren die Meisterschaften am Anfang eher eine Achterbahnfahrt für die Reiterin gewesen – ihr Hengst hatte sich im Grand Prix erschrocken und muss­te erst wieder zur gewohnten Form finden: «Das ist noch nie passiert und das hat mich ziemlich irritiert. Die ganze Trabtour bin ich mit angezogener Handbremse geritten. Die Galopptour war super, aber das reichte nicht. Im Spezial war es anders: Die Trabtour war genial und wir lagen danach bei knapp 80 Prozent. Dann kamen die Zweierwechsel und Unee war sich irgendwie sicher, dass wir jetzt in den starken Galopp gehen, dementsprechend sind wir dann in die Wechsel ‘hineinge­rauscht’ und hatten Fehler – teure Fehler. Aber wir konnten uns zumindest um einen Platz nach vorne arbeiten (Platz fünf). Am dritten Tag hat dann alles zusammengepasst: Unee war zu 100 Prozent bei mir und wir haben Bronze gewonnen mit einem neuen Rekordergebnis von 83,6 Prozent. Das stimmt mich positiv für die kommenden Sichtungen für die WM.» 2014 war alles ganz schnell gegangen. Erste grosse Erfolge, Championatskader, Weltcup-Finale. Zunächst konnte sie mit ihrem schicken Hengst das Weltcup-Turnier in Neu­münster mit zwei dritten Plätzen in den wichtigsten Prüfungen beenden. Kurz danach ging es zum Weltcup-Turnier nach Göteborg, von wo Jessica und Unee mit zwei Siegen zurückkehrten.

Jessica von Bredow-Werndl, geboren 1986, die im bayrischen Aubenhausen auf dem Hof ihrer Eltern lebt und trainiert, berichtete kurz nach den Siegen: «Es ist ein tolles Gefühl, auch wenn ich glaube, dass ich es noch gar nicht vollkommen realisiert habe. Aber es kommt so langsam.» Was aber vor allem noch zusätzlich folgte, war ein Anruf von Klaus Roeser, dem Vorsitzenden des deutschen Dressurausschusses: «Am Sonntag, als ich aus Göteborg zurückkam, habe ich noch ein paar Pferde geritten und als ich in meine Wohnung kam, klingelte mein Telefon: Klaus Roeser war dran. Er gratulierte und überbrachte mir die tolle Botschaft. Es ist unglaublich. Ich träumte jahrelang davon, irgendwann einmal dazuzuge­hö­ren. Ich kann es noch gar nicht fassen.» Bruder Benjamin ist selbst hoch erfolgreicher Dressurreiter. Momentan ist er für seine Schwester Jessica neben deren Ehemann Max von Bredow (die beiden heirateten 2013) die grösste Unterstützung.

Ehemann Max von Bredow beobachtet das Gymnastiktraining.

Nach der Berufung in den Championatskader folgte Von Bredow-Werndls erste Teilnahme an einem Weltcup-Final: «Mit dem siebten Platz im Final bin ich zufrieden. Zwischen dem letzten Weltcup und Lyon lagen sechs Wochen und ich nutzte die Zeit, um mit Unee an seiner Kraft zu arbeiten. In Lyon hatte Unee schon sehr viel Kraft – so viel mehr, dass ich dort noch nicht optimal damit umgehen konnte. Das hat mich zwar einerseits gefreut, auf der anderen Seite sind uns dadurch blöde Fehler unterlaufen und das hat uns doch einige Punkte und auch Plätze gekostet. Alles ist eben ein Prozess und wir sind mittendrin.»

Ein Pferd aus der Schweiz

Bekannt wurde Unee BB schon mit neun Jahren als Dritter des Nürnberger-Burgpokal-Finals 2010 unter Jasmine Sanche-Burger. Damals liess das Schweizer Paar die Fachwelt aufhorchen, da sich Unee schwungvoll und talentiert zeigte. Schon 2005 liess er als Zuchthengst aufhorchen und verliess die Süddeutschen Hengsttage als Prämienhengst. Danach deck­te er eine Saison auf der Station Wadenspanner in Niederbayern und ging dann nach Holland zu­rück, bevor ihn 2009 Béatrice Bürchler-Keller, bekannt unter anderem als internationale Dressurrichterin, kaufte. Immer wieder gern erinnert sich Jessica von Bredow-Werndl daran zurück, wie sie Unee Anfang 2012 unter den Sattel bekam: «Ich war Anfang Januar zwei Tage bei Béatrice zu Besuch. Unsere ers­te Begegnung war irgendwie komisch, denn ich hatte Unee vorher noch nie live gesehen. Er war mir gegenüber sehr miss­trauisch und nicht so motiviert am ersten Tag. Am zweiten Tag hab ich ihn ohne Sattel geritten, das fand er irgendwie spannend und war schon ein bisschen aufgeschlossener mir gegenüber. Ich mochte ihn, mein Gefühl sagte mir, ich sollte Unee reiten. Und das hab ich dann zu Béatrice gesagt. Im Februar bezog er seine Box bei uns in Aubenhausen.» Doch wie kam es überhaupt, dass die Schweizerin und Jessica von Bredow-Werndl zusammenfanden? «2009 kaufte Béatrice ein Pferd bei uns, das wir bis zur Grand-Prix-Reife ausgebildet hatten.» Jenes Pferd trägt den Namen Lancôme und begeis­terte die neue Besitzerin sofort: «Es ist wunderbar, ein so toll und reell ausgebildetes Pferd mit einem Traumcharakter, seinen fantastischen Bewegungen und seinem grossen Talent für Piaffe und Passage reiten zu dürfen. Man merkt ihm an, dass er nur Gutes erlebt hat und dass sein Vertrauen in Menschen fast grenzenlos ist.» «Kur­ze Zeit später bekamen wir von Béatrice den damals vierjährigen Florencianer in Ausbildung. Es waren auf jeden Fall diese geschäftlichen Beziehungen, die auch eine Freundschaft entstehen liessen», so Jessica. «Seit vielen Jahren haben meine Familie und ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Béatrice. Kontakt haben wir fast täglich und sie kommt in der Regel mit zu den Turnieren, bei denen Unee am Start ist. Bei der Turnierplanung vertraut sie mir und meinem Gefühl, was für Unee und mich das Bes­te ist. Darüber bin ich sehr froh und dankbar. Das ist nicht für alle Pferdebesitzer selbstverständlich.»

Jessica von Bredow-Werndl und Unee BB sind ein unzertrennliches Paar.

 

Ihren ersten grossen Erfolg feierten Jessica und Unee bei den Munich-Indoors Ende 2012. Damals zeigte die Reiterin sich überwältigt: «Ich habe schon immer an das Potential von Unee geglaubt, aber dass wir es schon so schnell in der Prüfung zeigen können, damit habe ich nicht gerechnet.» Mittlerweile ist das Paar ein eng zusammengeschweiss­tes Team: «Unee habe ich ja nicht von Anfang an selbst ausgebildet, aber ich bin stolz auf unsere Entwicklung der letzten Jahre. Ich glaube, das haben uns die wenigsten zugetraut und darüber freue ich mich sehr. Unee ist ein echter Kumpel, wir haben so viel Spass zusammen. Er hat viel mehr Kraft bekommen, die Arbeit fällt ihm deutlich leichter und er hat echt Freude daran, unterwegs zu sein. Auf den Turnieren geniesst er die Aufmerksamkeit. Er liebt grosses Publikum.»

«Bei seinem Training lege ich sehr viel Wert auf Abwechslung, denn ich möch­te, dass er motiviert bleibt. Er geht einmal pro Woche Longe, hat seine Wellness-Ausreittage und ich versuche bei fast jedem Wetter auf dem Aussenplatz oder der Galoppbahn zu trainieren. Lektionen übe ich eher selten, vielmehr stehen gymnastizierende Übungen mit vielen Übergängen auf dem Programm», so Jessica über ihre tägliche Arbeit mit dem Hengst.

Pferdeparadies Aubenhausen

Aubenhausen, die Heimat von Jessica von Bredow-Werndl, wo sie mit Bruder Benjamin, Ehemann Max von Bredow und ihren Eltern Micaela und Klaus Werndl lebt, mauserte sich in den vergangenen Jahren, auch im Zuge der Erfolge der jungen Reiter, zu einem echten Pferdeparadies. München, Rosenheim und der Chiemsee sind nicht weit entfernt – wo könnte man besser leben?

Jessica und ihr Bruder Benjamin sind ein eingespieltes Team.

Der Familienzusammenhalt ist gross: «Max begleitet mich immer öfter auf die Turniere. Er ist eine tolle Stütze und ich freue mich immer, wenn er dabei ist.» Bruder Benjamin ist auch ein wichtiger Berater am Ran­de des Vierecks sowie moralische Unterstützung: «Mein Erfolg ist auch der Erfolg meines Bruders und umgekehrt. Wir arbeiten sehr eng zusammen und haben die gleiche Ausbildungsphilosophie.» Neben Unee ist Jessica mittlerweile auch mit Nachwuchspferden erfolgreich. Der wohl bekanntes­te ist die zehnjährige KWPN-Stute Zaire. «Ich glaube fest daran, dass sie einmal ganz ‘oben’ mitmischen kann. Sie ist eine echte Ballerina und gewinnt immer mehr an Selbstvertrauen und Ausstrahlung.»

Ein junges Talent auf dem Weg nach oben

Schon früh hatte Jessica von Bredow-Werndl gezeigt, was in ihr steckt – und schnell dabei auch den Bruder in den Schatten gestellt. 2002 wurde Jessica auf Bonito Doppel-Europameisterin der Junioren. Schon mit 17 Jahren wechselte sie ins Lager der Jungen Reiter, wo sie fortan auch die Stute Duchess gross herausbrachte. 2003 gab es Gold mit der Mannschaft und Silber im Einzel, 2004 Einzelgold und Mannschaftssilber und 2005 Doppelgold mit Duchess. Über diese Zeit resümiert Jessica: «Zu den schönsten Erlebnissen meiner reiterlichen Karriere gehören sicherlich die gemeinsamen Medaillen bei der EM mit meinem Bruder.»

Familien-Clan von Bredow-Werndl mit (v. l) Benjamin, Jessica, Micaela und Klaus.

Schon ab 2006 sagte die junge Dame den Jungen Reitern «Adieu», um sich fortan auf die Ausbildung neuer Pferde für die Grosse Tour zu konzentrieren – dabei wurden sie und Benjamin, der einen ähnlichen Weg nahm, jedoch auch mit den Schwierigkeiten des Übertritts zu den Senioren konfrontiert: «Mit unseren damaligen Junioren/Junge Reiter-Pferden hätten wir den Sprung zur Elite nicht geschafft, und wir entschieden uns, junge Pferde zu kaufen. Seit gut zweieinhalb Jahren trainieren wir nun vermehrt mit Jonny Hilberath. Wir haben in dieser Zeit viele Höhen und Tiefen erfahren und natürlich ist es ruhig um uns geworden – doch was wir gelernt haben, können wir umsetzen und der Erfolg gibt uns recht.»
In jener Zeit absolvierte Jessica neben dem Reiten auch ein Studium: «Nach meinem Studium (Bachelor in Marketing und Kommunikation bei der School of Management and Innovation) habe ich noch eine Ausbildung zur Ernährungstrainerin gemacht. Das Thema hat mich sehr interessiert und ich glaube, da ist noch eine kleine Wissenslücke im Reitsport. Seit etwa einem Jahr widme ich mich nahezu 100 Prozent dem Reitsport und leite mit meiner Mutter und meinem Bruder unsere Reitanlage in Aubenhausen. Mein Bruder ist nur den halben Tag im Stall, am Nachmittag arbeitet er bei unserem Vater in der Immobilienbranche.»

Jessica blickt positiv und voller Tatendrang in die Zukunft. Auf den Lorbeeren kann man sich nicht ausruhen. Solange Unee gut in Form ist, kommt das für die Amazone auch nicht in Frage: «Das Verrückte ist, dass es ja immer weiter geht. Jetzt möchte ich natürlich meinen Platz im Championatskader bestätigen und erst recht gute Leis­tungen bringen.» Erstmal geht der Blick Richtung Weltreiterspiele in der Normandie: «Ich werde mein Bestes geben. Deutschland hat aber sehr viele gute Paare und es wird eine grosse Herausforderung, es unter die Top Vier zu schaffen.» Und wenn es nicht klappt, gibt es da ja auch noch das grosse Ziel Olympische Spiele, möglicherweise 2016 in Rio de Janeiro: «Mein grosser Traum ist natürlich einmal Olympische Spiele zu reiten.»

Doch auch wenn das nicht klappen sollte, ihre Pferde werden in Jessica von Bredow-Werndls Leben immer die Hauptrolle spielen – ob nun die grossen Dressur­cracks oder aber die Mini-Shetland-Ponys Resi und Rosi, die sie sich auf der Anlage einfach zum Spass und als Kumpel hält: «Pferde sind für mich die edelsten Geschöpfe der Erde, sie tun nie etwas aus Böswilligkeit, sie wollen nur verstehen und verstanden werden. Sie sind einfach mein Leben!»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 29/2014)

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