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Lorenzo de Luca und der 15-jährige Oldenburgerhengst Armitages Boy.
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Forza Italia

11.07.2017 16:11
von  Alexandra Koch //

Lorenzo de Luca, der in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feierte, erscheint als wirklich zufriedener Zeitgenosse. Stets zeigt er sich ebenso fröhlich wie zielgerichtet. Das mag an seiner italienischen Mentalität liegen und an der Tatsache, dass er mit den belgischen «Stephex Stables» den idealen Partner für grosse Erfolge gefunden hat. Seit er dort als Bereiter tätig ist – unter anderem als Kollege von Daniel Deusser – schnellten die Siege sprunghaft nach oben. Mittlerweile ist De Luca schon die Nummer drei der Welt, war beim Weltcupfinal in den Top Ten und gewann unter anderem in diesem Jahr die Etappe der Global Cham-pions Tour in Shanghai.

Die Nummer drei der Welt, Lorenzo de Luca. 

Lorenzo de Luca mit Ensor de Litrange (Nabab de Rêve – Mr. Blue) am Weltcupfinal von Omaha.

Die Vorzeichen für Lorenzo de Lucas Reitsportkarriere standen anfänglich überhaupt nicht auf Erfolg. Zum einen stammt er aus einem Land, das zwar in den 50er-Jahren mit den D’Inzeo-Brüdern durchaus Erfolge im Springsport feiern konnte, zwischenzeitlich aber nur noch zweitklassig war. Als wäre das nicht genug, hatte seine Familie ursprünglich auch kein grosses Interesse am Reitsport. «Ich war neun Jahre alt, als der ‘Reitsportvirus’ mich befiel», erinnert sich der sympathische Italiener heute. «Keiner aus meiner Familie hatte eine Beziehung zu Pferden oder war regelmässig geritten. Ich war der Einzige, der schon immer von den Tieren fasziniert war. Es war Liebe auf den ersten Blick, ich weiss auch nicht, wie das kam. Deshalb bekamen mich meine Eltern auch nie mehr los von den Pferden. Ich fragte, ob ich Reitstunden nehmen dürfte und bekam diese dann geschenkt. Niemals hatte ich seitdem eine Phase, in der ich nicht geritten bin.» Die Faszination «Turnierreiten» liess ebenfalls nicht lange auf sich warten: «Mein ers­tes Turnier habe ich mit zwölf Jahren geritten. Dann folgten einige kleine Veranstaltungen und so ging es immer weiter. Für mich ist Springreiten eine der bes­ten Sportarten überhaupt. Es hat eigentlich alles, was einen guten Sport ausmacht: Spannung, Adrenalin und immer ein guter Wettkampf und Stimmung unter den Teilnehmern.» Dennoch musste der junge Mann noch eine ganze Weile warten, bevor er seinen Traum, Profireiter zu werden, verwirklichen konn­te. Denn zunächst musste ein ordentlicher Schulabschluss her, darauf legten die Eltern grossen Wert. «Als ich den in der Tasche hatte, habe ich gleich begonnen, als Profireiter zu arbeiten. Ich konnte mir nichts anderes vorstellen, schon während der Schulzeit nicht. Ich hatte einige Kontakte, also zog ich nach Norditalien und arbeitete dort einige Jahre für unterschiedliche Pferdehändler.»

 Lorenzo de Luca auf Armitages Boy (Armitage – Feo), am Nationenpreisturnier von Rotterdam.

Ein «Alien»?

Doch auch wenn er in Italien schnell Erfolge feiern konnte, der Schritt gen Europa und die grosse weite Springsportwelt war noch lange nicht getan. Nicht nur einmal hatte Lorenzo de Luca dabei auch das Gefühl, dass er aufgrund seiner Herkunft und grossen Träume als Reiter einer zweitklassigen Reit­sportnation belächelt wur­de. «In der Tat war es anfangs etwas schwierig. Eigentlich hat Italien ja eine lange und reiche Spring­sportgeschichte, die mich auch immer fasziniert und motiviert hat. Man denke nur an die D’Inzeo-Brüder, die über Jahrzehnte hinweg das Springreiten prägten. Doch danach hatten wir kein wirklich konkurrenzfähiges Team mehr und so konnte sich Italien nicht oben halten. Also habe ich es natürlich so erlebt, dass ich erst einmal misstrauisch auf den Turnierplätzen beäugt wurde. Wenn man in die Hochburgen wie Belgien oder Deutschland kommt, ist es ganz normal, dass man ein wenig wie ein ‘Alien’ wahrgenommen wird. Aber ich habe meine Chance ergriffen. Durch harte Arbeit und Respekt, den ich allen Menschen entgegenbrachte, habe ich es geschafft, dass ich heute ganz viel von ihnen zurückbekomme.» Spätes­tens als er 2014 erstmals an den Weltreiterspielen teilnahm, horchte so mancher Konkurrent auf. Zu diesem Zeitpunkt war Stephen Conter aus Belgien bereits auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihm einige Pferde seiner «Stephex Stables» zur Verfügung gestellt. 2015 wurde Lorenzo de Luca fester Reiter von Stephex. «Der Umzug zu Stephex bedeutete einen Riesenschub nach vorne. Vielleicht grösser, als ich ihn je erwartet hatte. Es ist ein super Ort für Reiter und Pferde. Die Pferde werden bestens behandelt und geniessen jeden Komfort. Auf uns Reiter wird immer eingegangen, wir werden gefördert und auf den richtigen Weg gebracht. Bei Stephex lieben sie einfach die guten Pferde und den grossen Sport», beschreibt Lorenzo de Luca den für ihn aktuell besten Ort der Welt.

Für jeden Spass zu haben: das Team «Jingle Boys» mit Lorenzo de Luca und Olivier Philippaerts (l.) am Kostümspringen in Mechelen (BEL).

Lorenzo de Luca wird von der italienischen Luftwaffe unterstützt und startet darum in deren Uniform.

Grosse Liebe

Denn an diesem besten Ort lebt auch Ensor de Litrange, das Pferd, dem er aktuell die grössten seiner Erfolge zu verdanken hat. «Er ist für mich einfach fantastisch und der Beste. Ich bin sehr glücklich, dass ich ihn reiten darf», schwärmt der Reiter über das Pferd, in dessen Sattel er auch beim diesjährigen Weltcupfinal Platz nahm. «Ensor hat den besten Charakter, den man sich vorstellen kann. Er ist einfach im Umgang, hat unglaubliches Vermögen und ist dabei noch sehr vorsichtig. Jos Lansink hat ihn ja in den Sport gebracht und bis 2015 geritten. Die beiden waren schon sehr erfolgreich, von daher kann ich mich nur glücklich schätzen hinsichtlich Jos toller Vorarbeit mit ihm. Wir haben nun seit Anfang 2016 eine wirklich fantastische Partnerschaft und das ist es auch, was die besten Paare der Welt immer ausmacht. Ensor springt wirklich phänomenal. Ich war sehr zufrieden mit ihm. Er ist einfach perfekt und das kann mich nur zu einem glücklichen Menschen machen.» Neben Ensor stehen Lorenzo de Luca Armitage’s Boy, Balou de Coeur Joye, Limestone Grey und Halifax, mit dem er jüngst ein hochkarätiges Springen beim GCT-Turnier in Paris gewann, für Turniere auf Fünfsternniveau zur Verfügung. Alle Pferde unter seinem Sattel sind für ihn etwas Besonderes und er möchte bestmöglich auf sie eingehen und ihnen etwas zurückgeben. Denn der Italiener weiss um das Glück, das er mit ihnen hat: «Das gibt mir viele Startmöglichkeiten, weil ich auf so viele erstklassige Pferde zurückgreifen kann.» Ausserdem bereitet er einige sieben- und achtjährige Pferde auf den grossen Sport vor und hofft auch unter ihnen den einen oder anderen Kracher hervorzubringen. «Nach all den Reisen durch die ganze Welt – vom Weltcupfinal in Omaha nach Shanghai – bleibe ich nun aber erst einmal in Europa. Das High­light soll in diesem Jahr die Europameis­terschaft in Göteborg werden, wo ich hoffe, sehr gut abzuschneiden. Das ist mein grösstes Ziel. Ausserdem möchte ich Italien helfen, in der Super League zu bleiben. Das ist sehr wichtig für unseren Reitsport. Auch die Global Champions Tour steht bei mir hoch im Kurs. Sie machen fantas­tische Turniere an tollen Orten mit Preisgeld, von dem man sonst nur träumen kann.» In Sachen Super League kann man sich momentan übrigens nur staunend die Augen reiben. Denn der «Verbleib» in der Spring­sportserie sollte überhaupt kein Problem mehr darstellen. Nach den ersten fünf Stationen führt Italien haushoch. Man hatte in Rom und St. Gallen gewonnen. In Rotterdam und Lummen wurden die Plätze drei und vier herausgesprungen. Bis auf Lummen immer dabei: Lorenzo de Luca, der für sein ganzes Team einen gehörigen Ruck nach vorn verursacht hat. Denn von «zweitklassig» kann aktuell wahrlich keine Rede mehr sein...

Starkes Nationenpreisteam: Italien mit (v. l.) Luca Maria Moneta, Teamchef Roberto Arioldi, Piergiorgio Bucci, Lorenzo de Luca und Daniele Augusto da Rios.

Alltagsglück

Wenn er über sein tägliches Glück sprechen soll, denkt Lorenzo de Luca sofort an seine Pferde: «Sie bedeuten mir alles! Wirklich alles an ihnen ist speziell! Es sind fantastische Tiere! Wir dürfen bei ihnen vor allem nicht vergessen, dass sie für uns wirklich alles tun. Es ist unglaublich. Daher müssen wir sie mit Respekt und so einfühlsam wie möglich behandeln.» Das stellt er auch im täglichen Ablauf immer oben an. «Ich reite nor­ma­lerwei­se täglich etwa acht Pfer­de», beschreibt er. «Neben dem Reiten übernehme ich gerne alle organisatorischen Aufgaben rund um mein Team. Ich kümmere mich gern um die Freizeit meiner Pferde, wann der Tierarzt oder der Schmied kommen muss. So habe ich an den Tagen ohne Turnier immer gut zu tun. Turnier bedeutet bei mir momentan vor allem viel Reisen. Zum Glück habe ich ein super Team, dank dem dies erst möglich wird.» Wenn er mal nicht im Sattel sitzt, ist Relaxen auf dem Sofa nur selten der Fall. «Ich bin ein Sportmensch und muss immer aktiv bleiben. Bewegung macht mir unglaublich Freu­de. Ich spiele und schaue gerne Fussball. Ich spiele ausserdem manchmal Tennis oder trainiere im Fitnessstudio», erklärt De Luca. Reiterlich möchte er ebenfalls täglich an sich feilen, von nichts kommt nichts. «Ich bin der Ansicht, dass man immer etwas verbessern kann und muss. Es darf keinen Stillstand geben, denn das wäre ein Rückschritt», betont der 30-Jäh­rige. «Also versuche ich immer, meine Pferde noch professioneller zu managen. Ich probiere, noch besser auf ihnen zu sitzen und an meiner Dressurarbeit zu feilen. Und nicht zuletzt versuche ich, noch schneller zu werden, um im Stechen öfter eine Chance zu haben.» Im Stechen ist er mittlerweile aber ohnehin schon gefürchtet und auch wenn es richtig schwierig im Parcours wird, hat ihn die Konkurrenz immer auf der Liste. Da scheint sein erklärtes Ziel «Olympia» wahrlich nicht mehr so weit entfernt. Denn Tokio, das wäre schon ein Traum. Dennoch weiss Lorenzo de Luca aber, dass es Wichtigeres im Leben gibt als Medaillen und dass er ohnehin schon mehr erreicht hat, als er sich je hätte träumen lassen. «Im Grunde habe ich aktuell alles, was ich mir nur wünschen kann. Ich arbeite mit einem super Team, tollen Pferden. Und nun habe ich obendrein die Möglichkeit, an viele wunderbare Orte auf der ganzen Welt zu reisen. Über­all gibt es fantastische Turniere und uns bietet sich die Möglichkeit, andere Kulturen kennenzulernen und unseren Sport dort bekannter zu machen. Das ist alles ziemlich perfekt. Ich denke, ich bin ein sehr glücklicher Mensch.»

Schlagkräftiges Team von «Stephex Stables» (v. l.): Lorenzo de Luca, Stephan Conter (Besitzer von Stephex), Daniel Deusser.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 27/2017)

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