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Candrian gehört ein Reit-, Ausbildungs- und Handelsstall in Sevelen.
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Glück, Ruhe und Lebensqualität gefunden

13.11.2012 12:44
von  Peter Wyrsch //

In Sevelen im St. Galler Rheintal und in Vaduz, dem Hauptort des Fürstentums Liechtenstein, hat Bruno Candrian sein Glück, seine Ruhe und seine Lebensqualität gefunden. Der einstige Weltklasse-Springreiter hat vor zehn Jahren seine Ruth, eine Spezialärztin der Inneren ­Medizin und Dressurreiterin, geheiratet. Er ist Grossvater einer springsport­begeisterten Ladina (12) und hat ­wohlüberlegt seinen letzten Lebensabschnitt eingeleitet.

«... und Bronze geht in die Schweiz zu Bruno Can­drian auf Van Gogh.» So schepperte es 1981 in München an den Europameis­terschaften der Springreiter durch den Lautsprecher bei der Siegerehrung im Einzelklassement. Der nur 1,62 m kleine Bündner Bruno Candrian hatte sich hinter dem damaligen deutschen Überflieger Paul Schocke­möhle mit Deister und dem Briten Malcolm Pyrah mit Towerlands Anglezarke Einzel-Bronze gesichert und seine dritte EM-Medaille gewonnen. Zwei Tage zuvor hatte er mit der Schweizer Equipe Team-Silber erhalten. Und bereits 1975, ebenfalls in München, war er mit Golden Shuttle Mitglied der Schweizer Silber-Equipe, die damals vom unverwüstlichen Elgger Paul Weier angeführt wurde.

Candrian und Van Gogh beim CSI in Wien.

Es folgten zwei Olympia-Einsätze, nachdem er 1968 Ersatzreiter in Mexico-City gewesen war. 1976 ritt Candrian als Einzelreiter mit Golden Shuttle in Montreal (25. im Einzel) und 1984 mit Slygof in Los Angeles (Fünfter im Einzel und in der Mannschaft). Insgesamt bestritt der ruhige und nervenstarke Reiter 33 Nationenpreise, wurde 1981 mit Van Gogh Schweizermeister und gewann unter anderem die Grossen Preise in Genf, Luzern und Paris. 1990 beendete er seine internationale Karriere. Am CSIO Luzern verabschiedete er sich mit mit einem Sieg auf Alemao im Grossen Jagdspringen, einem zweiten GP-Rang mit der Stute Frimella und dem zweiten Platz im Nationenpreis hinter Frankreich.

Slygof war sein bestes Pferd

Bruno Candrian hat für seine einstigen, inzwischen verstorbenen Mentoren, Mäzen und Sponsoren Arthur Schmid und Jürg Moggi zahlreiche Spitzenpferde international erfolgreich vorgestellt. Es seien nur Nosostros, Golden Shuttle, Slygof, Lampire oder Van Gogh erwähnt. «Slygof war das beste Pferd, das ich 1984 leihweise reiten durfte. Ich wurde mit dem äusserst vorsichtigen und vermögenden Superspringer Olympiafünfter und muss­te das Pferd nach den Spielen in Los Angeles leider wieder an Thomas Fuchs zurückgeben, der als Profi für Olympia damals gesperrt war», erzählt Can­drian. Wenige Wochen später verschied der noch nicht zehnjährige Slygof nach einem Sturz in der Halle.

Bruno Candrian 1990 mit Frimella am CSIO Luzern.

Auch als Jockey machte Candrian eine gute Figur. Anfang der 70er-Jahre tauschte der kleine und ­damals leichtgewichtige Bündner kurzfristig für acht Renntage die Pferdesättel und gewann 1972 den GP der Schweiz in Luzern. Doch das alles sind (Zitat Candrian) «Tempi passati» – vergangene Zeiten.

Der Rentner in Sevelen

Seit dem 21. Mai dieses Jahres ist Bruno Candrian AHV-Rentner. Der Bündner aus Sagogn könnte sich zur Ruhe setzen. Er hätte es verdient und könnte es sich leisten. Er ist selbständig und unabhängig. Wohl ist er in den letzten Jahre etwas rundlicher geworden, umtriebig ist er aber geblieben. Candrian ist in seinem geliebten Rheintal sesshaft geworden und seit der Jahrhundertwende Reitstallbesitzer am Grabenweg. Er beschäftigt einen slowakischen Stallchef und eine Bereiterin, legt aber häufig auch selbst Hand an.

Seit dem 21. Mai offiziell in Pension: Bruno Candrian.

Selbst sitzt der einstige Weltklassereiter nicht mehr im Sattel. «Das überlasse ich den Jüngeren und Ehrgeizigeren», bemerkt er zufrieden lächelnd. «Un­tätig bin ich aber nicht. Täglich bin ich frühmorgens in meinem Reit-, Ausbildungs- und Handelsstall, erteile Reitstunden oder sitze genüsslich in meinem Pony-Zweispänner. Pony-Fahren ist mein neues Steckenpferd, nachdem ich jahrzehntelang in Springreit- und Rennsätteln herumgerutscht bin.»

Als Trainer im Amt

Seit einigen Monaten ist Candrian, der in Zizers aufgewachsene Sohn einer Maurerfamilie, Trainer der talentierten Vorarlberger Schwestern Theresa (18) und Laura Sutterlüty (16). «Dreimal pro Woche kommen sie zum Training. Und ich begleite sie zu den Turnieren. Lauras Crack Liquidor Z ist bei mir in Sevelen untergebracht.» Mit ihm wurde sie schon Fünfte an der Children-EM in Jardy.

Candrians Lebensabschnitte

Pferde sind sein Leben. Früh entdeckte er seine Leidenschaft für edle Vierbeiner, als er mit zehn Jahren die Reitschule in Maienfeld besuchen durfte. Mit 19 Jahren wurde Can­drian bei Arthur Schmid Profireiter. 1970 machte er sich bereits selbständig, mietete sich zunächst im Stall Ahorn in St. Gallen ein, wo später Markus Fuchs hauste, und baute 1974 in Biessenhofen, wo heute Paul Bücheler und Beat Mändi hausen, einen Reitstall. Diesen verkaufte er 1990 an Bücheler, der seine Anlage in den Folgejahren markant renovierte und erweiterte.

«Mein Leben hatte zahlreiche Abschnitte. Ich wollte immer Ordnung in meinem Leben haben, privat und geschäftlich. Wenn etwas für mich nicht mehr stimmte, änderte ich dies. So schmerzlich und mit Rückschritten verbunden das auch zeitweise war. Denn ich bin ein Egoist. Ich bin und war mir stets der Nächste.»

Bis 20 Jahre erfüllte er sich seinen Bubentraum. «Ich wollte Turnierreiter werden und in die Stapfen der Winkler und d’Inzeos treten. Bis 40 gab ich mir Zeit, eine Existenz aufzubauen. Ich wollte Erfolge im Pferdesattel feiern und Geld verdienen. Nach 40 zog ich nach Irland. Ich weilte sechs Jahre in Kildare, rund 70 Kilometer von Dublin entfernt. Ich habe dort ein Gestüt gekauft und gezüchtet. Dann wurde es mir zu karg. Ich war irgendwie unflexibel, und das trübe Wetter schlug auf meine Moral. Der nächste Lebensabschnitt begann. Ich zog wieder heim; heim in mein geliebtes Rheintal.»

Zunächst mietete sich Candrian während rund drei Jahren in Sevelen ein. Dann kaufte er 1990 das Objekt am Grabenweg, renovierte und erweiterte. Er sog wieder die vertraute Luft ein und war nahe den Bergen, die er so vermisste. «Ich habe die Lebensqualität gefunden, die ich suchte. Rundum bin ich glücklich. Ich bin gesund, obwohl ich rauche, habe eine tolle Frau, einen tollen Hund, willige Reitschüler, eine eigene Reitanlage und ein Einfamilienhaus in Vaduz. Was will ich mehr?»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 45/2012)

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