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Heulage wird immer mehr verfüttert.
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Heulage – ein pferdegerechtes Futtermittel?

27.06.2017 12:42
von  Alexandra Koch //

Zunächst: Ein grundsätzliches Nein zur Heulagefütterung, wie es ab und zu propagiert wird, sehen Experten als nicht gegeben. Sowohl beim Heu als auch bei der silierten Form des Grundfuttermittels steht die Qualität an erster Stelle. Auf selbige muss in beiden ­Fällen penibel geachtet werden. Doch gehen von Heulage bei schlechter Qualität grössere Gefahren aus. Ein Blick auf das Für und Wider der Heulagefütterung.

Grundlage jeder artgerechten Fütterung bei Pferden ist das Raufutter. Es sollte rund 70 Prozent des gesamten Futters ausmachen. Alle Strömungen, die eine geringere Raufutterbasis in den Fokus stellen, können in seltenen Fällen zwar sinnvoll sein, sollten jedoch bei gesunden Freizeitpferden mit Skepsis gesehen werden. Ein in der Natur lebendes Pferd würde seine Nahrungsaufnahme über den gesamten Tag verteilen und möglichst struktur- und faserreiches Futter aufnehmen. Die durch das Grobfutter begünstigte, langsame Aufnahme von Futtermittel sorgt für eine optimale Verdauung. Bei der Fütterung von übermässig grossen Anteilen an Kraft- oder Saftfutter drohen Verdauungsbeschwerden bis hin zu Koliken. Ein ungefährer Anhaltspunkt, wie viel Raufutter einem normal genutzten Warmblüter pro Tag gefüttert werden sollte, sind 1.5 Kilo Trockensubstanz pro 100 Kilogramm Körpermasse. «Die Fütterung von pferdegerechtem Heu als Grundfutter für Leistungspferde und als weitgehendes Alleinfutter für hobbymässig genutzte Freizeitpferde ist durch kein anderes Raufutter voll und ganz ersetzbar», betont Biologe und Pferdeexperte Ingolf Bender. «Jeder komplette oder teilweise Heuersatz ist ein Kompromiss.»

Heulage als Alternative

Ernährungswissenschaftlerin Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand, die sich auf Futtermittel für Pferde spezialisiert hat, kann sich mit der Fütterung von Heulage kaum anfreunden: «Der grundsätzliche Nachteil von Heulage als vergorenem Produkt sind vor allem die durch den Fermentierungsprozess entstehenden biogenen Amine wie Histamin, Cadaverin und Putrescin. Ihr Abbau erfolgt aus­schliess­lich physiologisch, das heisst über den Leberstoffwechsel. Wir haben folglich bei der Fütterung von Heulage immer eine – bei sehr guter Qualität nur leicht – erhöhte Leberbelastung.» Ingolf Bender betont, dass die Gefahr einer Verseuchung des Futtermittels durch Listerinen und die noch weitaus gefährlicheren Erreger des meist tödlich verlaufenden Botulismus, Clostridium botulinum, relativ hoch einzustufen ist. Der pH-Wert darf bei Heulage nicht über 4,2 liegen, sonst lauert im Produkt Gefahr in Form von Sporen bildenden Bakterien, den sogenannten Clostridien. Bei der Heulage-produktion darf das Gras auf keinen Fall zu kurz gemäht werden, da Clostridien sonst über die Erde leicht in das Heulageprodukt gelangen können. 

Auch Heulagehersteller Stephan Bucheli kann die Gefahr nicht leugnen, hält sie jedoch für sehr gering: «Seit über 20 Jahren produzieren wir Heulage und mir ist kein einziger Fall bekannt. Wichtig ist die Schnitthöhe. Jeder Arbeitsschritt muss sorgfältig und qualitätsorientiert durchgeführt werden.» Sein Kollege Willi Lüscher (Sugra Heulage) pflichtet dem bei: «Botulismus kann auch durch einen Tierkadaver im Heu, Stroh oder Silo hervorgerufen werden. Auch in Futtermischwagen oder bei Verunreinigungen im Gras kann bei selten gereinigten Futterraufen Botulismus auftreten.» Einen Vorteil sieht Ruedi von Niederhäusern vom Nationalgestüt in Avenches im teilweise geringeren Gehalt von Fruktan: «Bei der Heulageproduktion findet durch den Gärprozess ein stärkerer Zucker- und Fruktanabbau statt.» Heulage wird von etlichen Wissenschaftlern als Futter der Zukunft gehandelt. Grund: Bei der Herstellung von Heulage ist der Landwirt deutlich wetter­unabhängiger als bei Heu. Wichtig ist jedoch in jeder Hinsicht die Beschaffenheit des Endproduktes.

Heulageballen werden in verschiedenen Grössen hergestellt. 

Vorteile in der Herstellung

Von Heulage spricht man, wenn das Produkt «TS-Gehalte von über 50 Prozent, hohe Rohfasergehalte von 25 bis 30 Prozent sowie einen hohen Gräseranteil hat», erklärt Von Niederhäusern. «Dieses Futter entspricht den Bedürfnissen der Pferde optimal, stellt aber hohe Anforderungen an die Pflanzenbestände sowie an die Produktion. Hier muss alles korrekt ablaufen. Minderwertige Grasbestände, hohe Anteile an grobstängeligen Kräutern, stark verholzte Futtergräser und viel Klee sind keine geeigneten Vo­raussetzungen. Raygräser eignen sich dagegen sehr gut.» Nach etwa zwei bis drei Tagen der Trocknung wird die Heulage mit Spezialfolie luftdicht umwickelt, sodass kein Luftaustausch mehr stattfindet. Zuvor wird das Schnittgut sehr stark maschinell gepresst, damit keinerlei Hohlräume entstehen, die mit Luft gefüllt sind. Ist Luft vorhanden, wäre die Heulage für die Vermehrung von aeroben Bakterien und Hefepilzen geradezu ideal. Besonders wichtig ist daher ein sorgsamer Transport der Ballen, da die Folie auf keinen Fall reissen oder platzen darf. Während Heu in einer Scheune getrocknet werden muss, kann die verpackte Heulage oder Silage auch draussen – unter Vo­raussetzungen wie Schatten, Schutz vor Vögeln und einem möglichst befestigten Platz – getrocknet werden. Heulage sollte schneller verbraucht werden als Heu. Bereits nach mehr als zwei Tagen Lagerung im geöffneten Zustand können sich Schimmelpilze ausbreiten. Beim Öffnen einer Heulageballe muss das Futter frisch säuerlich riechen und sollte weder Schimmelpilze noch weissliche Hefepilze aufweisen. Jeder muffig-modrige Geruch muss sofort hellhörig machen. Das Produkt darf in diesem Fall nicht mehr verfüttert werden. Auch Heulage ist aufzuschütteln. Dabei können auch etwaige Fremdkörper entdeckt werden, wie etwa Kadaver, die die Verbreitung der Botulismuserreger ungleich wahrscheinlicher machen. In geschlossenem Zustand kann Heulage ohne Probleme etwa ein Jahr gelagert werden.

Heuverknappung als Ursache

In der Landwirtschaft ging in den vergangenen Jahren ein zunehmender Wandel vor sich. Viele Landwirte haben nur noch wenige Grasflächen, die zur Heuernte dienen. Vielmehr werden Mais oder Raps angebaut. Der Klimawandel hält viele Bauern zudem davon ab, sich auf die lange Trocknungsperiode von Heu einzulassen. Sie setzen lieber auf die schnell herstellbare Heulage. Heulage als Ergänzung zu Heu ist aus diesen Gründen häufig unvermeidbar geworden. Doch sollte in diesen Fällen zumindest besonders genau auf sehr hohe Qualität geachtet werden. Weyrauch-Wiegand rät ausserdem zu «hochwertigem Stroh in Kombination mit Trockengrünprodukten, die weniger in Richtung Grünmehl als in Richtung Grünfaser gehen». 

Qualität entscheidet

Bucheli weiss, dass viele Pferdehalter skeptisch reagieren, weil sie Heulage mit Silage verwechseln, welche deutlich mehr Säure beinhaltet. «Heulage ist nur leicht säuerlich, sehr bekömmlich und absolut problemlos in der Pferdefütterung einzusetzen. Wegen des tieferen TS-Gehalts als Heu ist die Heulage noch leicht feucht und vor allem für Staubal­lergiker geeignet. Der Gehalt ist ebenbürtig wie Heu. Somit kann teilweise auf Kraftfutter verzichtet werden. Lüscher hat sein Heu und Heulage konkret ver­glichen: «Bei der Produktion unserer Heulage achten wir darauf, dass wir das Futter im gleichen Wachstumsstadion wie Heu ernten, damit kann der Nährwert sehr gut mit dem von Heu verglichen werden. Auch die Gräserbestände werden ähnlich dem von Pferdeheu angepasst. Durch den höheren Feuchtigkeitsgehalt der Heulage beim Ernten ist das Gewicht von Heulage grösser als von Heu, was aber nur durch den Wassergehalt zu erklären ist und keinen grösseren oder geringeren Nährstoffgehalt verursacht. Man füttert halt mit Heulage etwas mehr Wasser mit dem Futter. Beim Einkauf der Heulage auf Qualität achten – es kann vorkommen, dass Ballen beschädigt werden oder Fehlgä­rungen aufweisen. Zuverlässige Lieferanten tauschen schadhaf­te Ballen problemlos um», betont Lüscher.

Heulage sollte innert kürzester Zeit nach dem Öffnen verfüttert werden. 

Vorsicht vor Jakobskreuzkraut

Mittlerweile ist allgemein die Gefährlichkeit des Jakobskreuzkrautes bekannt. Bereits 40 bis 80 Gramm Frischmasse pro Kilogramm Körpergewicht können für Pferde tödlich sein. Natürlich klingt diese Men­ge zunächst einmal nach übermässig viel. Denn wohl kaum ein Pferd würde während eines Weideganges 20 und mehr Kilogramm der Pflanze fressen. Doch da kommt die Tücke ins Spiel. Das Jakobskreuzkraut und die darin enthaltenen Pyrrolizidin-Alkaloide werden vom Pferdekörper nicht abgebaut. Folglich lagern sich die Giftstoffe an und sorgen über eine lange Zeit hinweg für die Zufuhr von Gift. Schliesslich drohen irreversible Leberschäden, die zum Tode führen. Besonders Jungtiere fressen die unbekannte Pflanze, wäh­rend sie von Älteren eher gemieden wird, da sie un­angenehme Gerüche verströmt und bitter schmeckt. In Heu und Heulage, also getrockneter Form, ist die Pflanze ihres Geschmackes und Geruches beraubt und wird von Pferden aufgenommen. Darum lauert hier das Jakobskreuzkraut auf besonders tückische Art und Weise. Wer die Gelegenheit als Futterkäufer hat, sollte nachkontrollieren, ob auf den verwendeten Grasflächen Jakobs­kreuzkraut wächst. Dieses Heu ist dann unbedingt zu meiden und auch andere Halter über den Sachverhalt zu informieren.

Unterschiede in der Fütterun
g

Bei der Fütterung von Heu und Heulage ist darauf zu achten, dass beide Produkte unterschiedliche Anteile an Trockensubstanz haben, das heisst, die Futtermenge für das Pferd, 1.5 Kilo Trockensubstanz pro 100 Kilo Körpermasse, variieren. Der Trockensubstanzgehalt von Heu liegt bei 86 Prozent, bei Heulage sind es nur 70 Prozent. So muss deutlich mehr Heulage als Heu verfüttert werden. Die Unterschiede können sogar bis rund drei Kilo betragen. Pferde empfinden Heulage übrigens Studien zufolge als recht wohlschmeckend, was von der Milchsäuregärung her­rühren könnte. Die Umstellung von Heu auf Heulage sollte nicht von heute auf morgen vonstattengehen. Stephan Bucheli rät: «Will man auf Heulage umstellen, sollte dies langsam geschehen, damit sich die Darmbakterien daran gewöhnen können. In der Praxis könnte das folgendermassen aussehen: Eine Woche lang morgens Heu, mittags Heulage, abends Heu und danach langsam mit dem Heu zurückfahren.» Willi Lüscher fügt hinzu: «Die Umstellung kann durchaus zehn Tage dauern, man sollte nichts überstürzen. Eine Kombination von Heu und Heulage kann dauerhaft bei Pferden gefüttert werden, die keinerlei Atemwegsproblematik haben.» Fazit: Heulage stellt gerade in der heutigen Zeit unter den Gesichtspunkten von immer geringerer Heuproduktion oftmals eine sinnvolle Alternative dar. Allerdings sollte auf wirklich einwandfreie Qualität geachtet werden. Jegliche Schadstoffe und Verunreinigungen beeinflussen die Qualität teilweise dramatisch. 

Bei nur wenigen Pferden eignen sich kleinere Ballen.

Die in Folien verpackten Ballen können auch draussen gelagert werden.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 25/2017)

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