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Markenzeichen Augenbrauen: Olaf Petersen.
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«Ich möchte noch möglichst lange bauen»

10.10.2017 14:51
von  Birgit Popp //

Olaf Petersen wird im November 80 Jahre alt? – Diese Zahl löst allerorts ungläubiges Erstaunen aus. Wer den deutschen Parcoursdesigner, der den Hindernis- und Parcoursbau im Springsport in den 80er- und 90er-Jahren revolutionierte und neue Massstäbe setzte, auf einem Turnier wie der Pferd International in München-Riem agil und energiegeladen erlebt, der kann es kaum glauben. Von Ruhestand oder einen Schritt langsamer tun kann keine Rede sein! In Deutschland hat sich der Wahl-Bayer zwar mit dem Donaueschinger Reitturnier 2005 als Parcourschef verabschiedet, doch im Ausland sind es immer noch rund 20 Turniere im Jahr, auf denen er für die Parcoursgestaltung verantwortlich ist. «Ich suche mir die schönsten Turniere aus», so Olaf Petersen, der mit seiner zweiten Frau Daniela, einer niedergelassenen Internistin, und der gemeinsamen Tochter Louisa in Pähl am Ammersee lebt. Für ihn sind dies Veranstaltungen wie in Peking, Jakarta, New York oder Sofia. Sein Lieblings­turnier ist und bleibt aber die Pferd International in München-Riem, bei der er bis 2005 die Parcours gestaltet und seine heutige Ehefrau, die damals dort als Turnierärztin arbeitete, 1991 kennengelernt hat. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt seit vielen Jahren in der Ausbildung von internationalen Parcoursbauern. «Ich gehöre dem Kreis der rund zwölf FEI Course Directors an, die im Auftrag der FEI die Lehrgänge für internationale Parcourschefs geben. Diese werden heute in vier Levels von eins bis vier eingeteilt. Nach den fünf- bis sechstägigen Lehrgängen für Level eins bis drei finden Prüfungen statt. Für die Einstufung in Level vier gibt es keine Lehrgänge, sondern man wird vom FEI Jumping Committee auf diesen Level berufen. Ich gebe rund sechs Lehrgänge im Jahr, immer gemeinsam mit einem zweiten Level-4-Course- Director, häufig mit Werner Deeg, der heute bei der Pferd International die Parcours gestaltet.» Einer seiner erfolgreichs­ten Schüler ist sein Sohn Olaf Petersen jun. Der 51-Jährige gehört heute selbst dem erlesenen Kreis von rund 30 Level-4-Parcours­chefs an, was den Vater mit grossem Stolz erfüllt. «Wir sind die einzige Familie, in der Vater und Sohn den höchsten Level im Parcoursbau erreicht haben.» Und, Olaf Petersen ist der einzige Parcourschef, der bis heute mit Seoul 1988 und Athen 2004 bei zwei Olympischen Spielen die Springkurse gestaltet hat. Genaugenommen war auch der Venezolaner Leopoldo Palacios mit Sydney 2000 und Hongkong 2008 für die Parcours zweier Olympischer Spiele verantwortlich, allerdings teilte er die Verantwortung in Hong­kong mit dem US-Amerikaner Steve Stephens. Bis heute das einzige Mal, in dem ein Team für die Gestaltung der olympischen Parcours zuständig war. Hinzu kommen bei Olaf Petersen neben den ersten Weltreiterspielen 1990 in Stockholm weitere kontinentale Meis­terschaften inklusive fünf Europameis­terschaften und fünf Weltcupfinals. 

Petersen baute gemeinsam mit Werner Wüthrich 2005 am CSIO St. Gallen. 

Auf den Spuren des Vaters

Auch beruflich ist Olaf Petersen jun., der mit seiner mexikanischen Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern, der reitbegeisterten Milena (11) und dem fussballspielenden Luca (8), in München lebt, in die Fussstapfen seines Vaters getreten und heute Geschäftsführer eines Briefumschläge produzierenden Unternehmens in Polen mit 200 Mitarbeitern. Allerdings nicht im Unternehmen seines Vaters, sondern bei der Konkurrenz. Da auch sein Bruder Jens kein Interesse daran hatte, den väterlichen Betrieb zu übernehmen, wurde dieser verkauft. Unternehmer ist Olaf Petersen sen. dennoch geblieben und entwirft und fertigt Parcourshindernisse mit seiner Firma «Olaf Petersen Equestrian Jumps and Course Design» mit Sitz in Pähl an. Damit führt der Träger des Goldenen Reiterkreuzes der deutschen FN fort, was er 1988 mit den Parcours für die Olympischen Spiele in Seoul, damals noch mit dem Einzelspringen am Schlusstag der Spiele im Hauptstadion, begonnen hat: die Gestaltung themenbezogener Hindernisse! Damals hatte sich der Müns­teraner lange mit der Geschichte und Kultur Südkoreas auseinandergesetzt, um entsprechende Themenhindernisse zu entwerfen. Die Kreativität ist es auch, was ihn bis heute an Hindernis- und Parcoursgestaltung fasziniert und herausfordert. «Der Reiz liegt in den besonderen Anlässen, wenn man noch kreativ sein und themenbezogene Hindernisse entwerfen kann. Nach Seoul kam der Veranstalter für die Weltreiterspiele in Stockholm auf mich zu und wollte unbedingt einen Schweden-Parcours, den ich dann mit Wikingerschiffen, bunten Dalarnapferden, Mittsommernachts-Hindernissen und schwedischen Schmetterlingen gestaltet habe. Seoul und Stockholm brachten eine Wende in der Hindernisgestaltung grosser Turniere. In den Folgejahren hatten die Parcours grosser Turniere ihre eigenen Charaktere. Heute sind sie fast alle gleich, das liegt vor allem an den Werbehindernissen. Die persönliche Note entfaltet sich heute meist nur noch bei Championaten, aber auch dort sind mittlerweile vier, fünf Sponsorenhindernisse erlaubt. Bei den Olympischen Spielen in Seoul oder den Weltreiterspielen 1990 in Stockholm war das noch nicht der Fall. Und, wie im Fuss­ball und Tennis, ist heute bei den reitsportlichen Grossereignissen die rotierende Bandenwerbung die Normalität. Aus der Sicht des Hindernisbauers sehe ich dies nicht als Fortschritt an, denn die Schönheit und das Ästhetische ist damit unterbrochen, aber ich respektiere es, weil ich weiss, dass es sein muss.» Umso mehr freut sich Petersen, der selbst in Springprüfungen der schweren Klasse erfolgreich war, dass er seine Kreativität erneut für ein Championat zur Entfaltung bringen kann. Genau 30 Jahre nach Seoul führt ihn sein aktueller Auftrag für die Asian Games 2018 in der indonesischen Hauptstadt Jakarta wieder nach Asien. «Wie die Olympischen finden auch die Asienspiele alle vier Jahre statt und sind sowohl von der Anzahl der Sportarten als auch der Athleten noch um ein Drittel grösser als die Olympischen Spiele, so werden rund 15000 Sportler in 40 Sportarten teilnehmen.»

Petersen 1988 an den Olympischen Spielen in Seoul mit seinen eigens kreierten Themenhindernissen.

Entwicklung

Auch wenn Olaf Petersen die Individualität vieler Parcours vermisst, mit der Entwicklung des Parcoursbaus und des Springsports ist er generell aber zufrieden. «Wir sind Künstler und ein Künstler entwickelt sich weiter. Auch der Reit­sport hat sich weiterentwickelt. Ich baue seit Mitte der 70er-Jahre Parcours. Damals waren die Reiter Amateure, heute sind sie alle Profis. Ich kann mich noch erinnern, wie Hartwig Steenken vor 40 Jahren in Walldorf zu mir kam und sagte ‘Ich bin der erste Profi im Reitsport Deutschlands!’. Damals wie heute gilt es, als Parcourschef die Spreu vom Weizen zu trennen. Wir wollen nicht, dass alle null bleiben, aber wir wollen natürlich auch keine Stürze.» Und, so Petersen weiter, der zu denen zählte, die als erste das reiterliche Können und die Rittigkeit der Pferde mit Distanzaufgaben, Linienführung und engen Wendungen abfragte: «Im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren sind die Abstände zwischen den Hindernissen weiter geworden. Die Zucht hat das nach vorne galoppierende Pferd hervorgebracht. So, wie ich 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul gebaut habe, wäre es heute viel zu eng, da würden alle meckern. Heute ist ‘the free forward movement’, die Vorwärtsgaloppade, gefragt, die hier und da verkürzt wird, aber man möchte die Pferde frisch nach vorne galoppieren und nicht so häufig zurückgenommen sehen. Das Springvermögen des Pferdes ist heute immer da. Für uns Parcourschefs ist es wichtig, dass wir unsere Klientel genau kennen. Mein Vorteil ist, dass ich viel durch die Welt reise. Ob in den USA oder in China, die Pferde sind heute auf der ganzen Welt ziemlich gleich. Sie kommen fast alle aus Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Deutlicher sind die Unterschiede in der Ausbildung der Reiter. Die Top­reiter trainieren zwar fast alle in Europa, einige auch in den USA, aber, wenn man in den nicht-europä­ischen Ländern etwas mehr aufs Land kommt, dann muss man zum Beispiel mit viel mehr Zeitfehlern rechnen.»

Familienmensch: Olaf Petersen mit seiner Gattin Daniela und Tochter Louisa. 

Gras ist die «Königin»

Sinnvolle Regeländerungen, so Olaf Petersen, der von 1993 bis 1997 stellvertretender und von 1997 bis 2005 selbst Vorsitzender des FEI Springkomitees war, habe es seitens der FEI in der Zwischenzeit auch gegeben. «1988 galt die olympische Regel, dass sowohl ein Steilsprung als auch ein Oxer mindestens 1,70 Meter hoch sein muss­te, aber selbst im Grossen Preis von Aachen sind die Hindernisse nicht höher als 1,60 Meter. Auch in der Leichtathletik müssen 100 Meter 100 Meter sein und nicht auf einmal, weil es Olympische Spiele sind, 110 Meter. Wir haben in der FEI dann auch für Olympische Spiele als Maximalhöhe 1,60 Meter festgeschrieben. Die Zucht liefert heute aber eine Vielzahl von Pferden, die locker 1,60 Meter und höher springen können, und so sehen wir in vielen Grossen Preisen mehr Teilnehmer im Stechen als früher. Nach meiner Meinung ist die Zeit reif, die Abmessung für Steilsprünge – und zwar nur für Steilsprünge – wieder zu erhöhen. Auf Drängen der Parcoursbauer wird die FEI jetzt die Regeln wohl wieder ändern. In Zukunft soll bei den Olympischen Spielen wieder höher als 1,60 Meter gesprungen werden.» Eine erste Bewilligung diesbezüglich erteilte die FEI den Organisatoren des CSIO Spruce Meadows in Calgary (CAN) vor rund einem Monat. Der Grand Slam Grand Prix wurde erstmals auf 1,70 Meter ausgeschrieben. Ganz traditionell eingestellt ist Olaf Petersen, der 1995 auch die Europameis­terschafen in St. Gallen baute, wenn es um die Frage Gras- oder Sandboden geht: «Heute bieten immer mehr Topturniere Sandböden an, die bei schwierigen Wetterbedingungen auch viel einfacher zu kontrollieren sind. Trotzdem sage ich, wie die meisten Parcoursdesigner ‘Grass is the queen of ­grounds’ und auf Gras baue ich am liebsten. Es ist der natürliche Boden, auf dem Pferde in den ersten Lebensjahren aufwachsen, und es ist einfach ästhetisch schön, ein Pferd auf Gras galoppieren und springen zu sehen. Bei grossen, traditionellen Turnieren wie Aachen, Dublin, Hickstead und St. Gallen finden die CSIOs bis heute auf Gras statt. Bei allen diesen Turnieren habe ich mit Freude die Parcours gebaut. Besonders gern erinnere ich mich auch an den Schweizer Parcoursdesigner Werner Wüthrich, der damals in St. Gallen mein sehr tüchtiger und netter Assis­tent war.»

Enkelin Milena beim Turnier in München.

Familienmensch

Für den reiterlichen Nachwuchs im Parcours hat Olaf Petersen wie schon zuvor mit Olaf jun. auch mit Tochter Louisa ebenfalls gesorgt. Bereits im Pony­sport war die heute 16-jährige Gymnasiastin im Springen international erfolgreich und im bayerischen Ponykader. Vor zwei Jahren wurde sie bayerische Vizemeisterin. «In der Zwischenzeit ist sie auf Grosspferde umgestiegen und hat mit der 15-jährigen, belgischen Stute Carlanda seit einem Jahr einen guten Lehrmeister und ein  Umsteigepferd im Stall», so der stolze Vater. Im Mai hat Louisa, die nach ihrem Abitur im nächsten Jahr mit einem Jurastudium beginnen möchte, ihren ers­ten M-Sieg erritten. «Mit diesem Sieg hat sie sich eine Startgenehmigung für die Munich Indoors gesichert.» Trainiert wird Louisa Petersen bereits seit einigen Jahren von dem bayerischen Jugend-Landestrainer Martin Schäuf­ler, auf Turnieren begleitet und betreut wird sie jedoch vor allem von ihrem Vater, der es sichtlich geniesst, möglichst viel Zeit mit seiner Tochter zu verbringen, Chauffeurdienste wie die morgendliche Fahrt zur Schule oder ins Kino eingeschlossen. Aber auch bei Enkeltochter Milena ist Olaf Petersen hilfreich zur Stelle. Nachdem sein Sohn am selben Wochenende wie die Pferd International die Parcours beim Turnier im kanadischen Vancouver baute, stand Olaf Petersen sen. beim Final des Jugend­reiter-Wettbewerbs der Kids Tour in München-Riem auch seiner Enkelin zur Seite, die sich mit seiner Unterstützung den Finalsieg sicherte. Ebenfalls bei der Pferd International erläuterte er erstmals für die persönlichen Mitglieder der FN den Parcoursbau. Etwas, was er als Parcours­chef regelmässig auch für Journalisten und Sponsoren getan hat, um seinen Sport zu promoten. Bei so vielen Aktivitäten bleibt da noch etwas, was Olaf Petersen gerne noch in seinem Leben tun würde? «Eigentlich gibt es da nichts, was ich noch gerne machen würde, was ich noch nicht getan habe. Eine Altersbeschränkung seitens der FEI gibt es für Parcoursbauer nicht, das regelt der Markt, und ich hoffe, dass es meine Gesundheit zulässt, noch möglichst lange zu bauen. Grundsätzlich kann man sagen, noch mehr gemeinsame Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Daniela und ich haben uns vor zwei Jahren ein Wohnmobil mit Kupplung für den Pferdeanhänger gekauft. Damit wollen wir mit unserer Tochter auf die Turniere fahren oder gemeinsamen Urlaub mit der ganzen Familie machen und ein biss­chen das Zigeunerleben geniessen.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 40/2017)

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