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Alain Jufer.
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Jufers WM-Uhr schlägt «Tic Tac»

29.05.2018 10:17
von  Text: Peter Wyrsch / Fotos: Chantal Kunz/Dirk Caremans //

Der Höhepunkt der Saison der Springreiter nähert sich, ist aber dennoch weit entfernt. Bis zu den Weltreiterspielen Mitte September in Tryon (North Carolina, USA) sind es noch dreieinhalb Monate. In dieser Zeit kann viel passieren. Dennoch tickt die Uhr für die WM-Selektion unaufhaltsam. Die Schweizer Springreiter sind ausgezeichnet in die Saison gestartet – auch der gebürtige Jurassier Alain Jufer mit dem zehnjährigen Belgierwallach Rahmannshof Tic Tac. Derzeit hat Equipenchef Andy Kistler die Qual der (Selektions-)Wahl. Mit Jufer steht nun ein Name mehr auf seiner Liste.

Seit dem CSIO in La Baule an der französischen Atlantikküste besitzt auch Alain Jufer, der erfahrene Bereiter bei Gian-Battista Lutta im freiburgischen Lossy, die Chance auf ein WEG-Ticket. Mit dem zehnjährigen Belgier Tic Tac blieb er im Nationenpreis des Fünfstern-CSIO in La Baule als einziger Schweizer Reiter fehlerlos. Der Jurassier überschritt nur einmal knapp die erlaubte Zeit.

Alain Jufer (Mitte) bei einem seiner grössten Erfolge, dem Sieg im Nationenpreis des CSIO5* in Spruce Meadows, Calgary (CAN), mit (v. l.) Werner Muff, Nadja Peter Steiner, Steve Guerdat und Equipenchef Stéphane Montavon.

Mit dem braunen Wallach (Contact vd Heffinck – Fuego du Prelet) aus dem Gestüt Rahmannshof in Essen im Ruhrgebiet brachte sich der gelernte Automechaniker sowohl ins Gespräch für ein Nationenpreisaufgebot für den CSIO St. Gallen in dieser Woche als auch für die WM in den USA.

«Ich spüre keinen Druck»
Am Sonntagnachmittag befand sich Jufer noch an der Atlantikküste in Frankreich, am Pfingstmontag schon am nationalen Turnier in Zug und am Mittwochmorgen empfing der Lebensgefährte der Springreiterin und Psychologiestudentin Aurelia Loser die Besucher der «PferdeWoche». «Unsere Nationenpreisparcours in La Baule waren hocherfreulich. Tic Tac war souverän und wurde immer lockerer. Das Pferd hat vor nichts Angst, ist mutig, aufmerksam, vermögend und sehr ehrgeizig. Tic Tac hat Kraft, Ausdauer und wird jeweils in einem zweiten Umgang gelassener und dadurch immer besser.»

 

Der gebürtige Jurassier auf Tic Tac auf der Anlage im freiburgischen Lossy.

Mit seinem Resultat in La Baule hievte sich der GP-Dritte von St. Moritz im vergangenen Sommer ins WM-Rennen. «Ich mache mir keinen Druck. Wir haben in La Baule wohl etwas Tolles geleistet, müssen uns aber nun bestätigen. Die Konkurrenz in unserem Land ist gross. Ich verstehe, dass ich für St. Gallen nicht für die Equipe nominiert wurde. Ich war ja auch nicht vorgesehen. Unsere Chance kommt noch, wenn wir weiterhin Spitzenresultate liefern.»
Während des Gesprächs in Lossy lauscht Pferdehändler Gian-Battista Lutta, seit 13 Jahren der Chef von Alain Jufer und seit sieben Jahren auch der Impresario des Franzosen Séverin Hillereau, aufmerksam und lächelnd zu. Dank Jufers Glanzresultat ist die Nachfrage bei seiner Kundschaft für Tic Tac sprunghaft gestiegen. Lutta ist einer der grössten Schweizer Pferdehändler, ein Arrivierter mit ausgezeichneten internationalen Kontakten und namhafter Kundschaft. Er vermittelte schon Cracks wie Nino des Buissonnets, Jalisca Solier (beide zu Steve Guerdat), Paloubet d’Halong, Bonne Chance und Uptown Boy (Janika Sprunger), Quorida de Treho (Romain Duguet), Indigo und Dsarie (Beat Mändli), Rufus (Rodrigo Pessoa), und er beherbergt derzeit Pferde des Kanadiers Eric Lamaze. «Er hat derzeit sechs Pferde bei mir stationiert», berichtet Lutta stolz.

Wenn der Preis stimmt
«Alain und Tic Tac verstehen sich. Sie trainieren seit drei Jahren zusammen. Es funktioniert. Sie haben sich kontinuierlich gesteigert. Tic Tac hat viel Vermögen und ist beweglich», meint Lutta. Für ihn besteht kein Zweifel: Der braune Wallach ist oder wird ein Championatspferd und hat seinen Zenit noch nicht erreicht. «Ich habe das Pferd in Deutschland bei Lorenz Green gesehen. Es passt zum zuverlässigen und pflichtbewuss­ten Alain. Wenn er eine WM-Chance hat, kann er Tic Tac bis Tryon im September reiten. Wenn dann aber der Preis stimmt und die Höhe erreicht, die mir vorschwebt, wird er verkauft. Ich bin Pferdehändler und lebe davon.»

Alain Jufer plant mit seinem langjährigen Chef Gian-Battista Lutta die Einsätze.

Alain Jufer gibt Trainingspartner Séverin Hillereau Anweisungen.

Sind solche Vorgaben für einen Reiter nicht schwierig, dem ein Pferd ans Herz gewachsen ist und das er ausgebildet und in Form gebracht hat? Alain Jufer denkt einige Sekunden nach. «Ich weiss ja, dass ich als Bereiter angestellt bin und erhalte einen geregelten Monatslohn. Preisgeld und Verkaufsprämien krie­ge ich nicht. Dafür habe ich auch keine Spesen. Und der Chef, mit dem ich mich seit Jahren hervorragend verstehe, ist grosszügig.»

Jufer in den grosszügigen Stallungen mit Tic Tac (oben) und dem 15-jährigen Niederländerhengst Wiveau M.


Gian-Battista Lutta und Alain Jufer wohnen sogar im gleichen Haus, unmittelbar neben der teils gedeckten und teils offenen, grossen Sandmanege. Das Team, dem auch die Grooms und selbstverständlich Séverin Hillerau, der Sieger des GP Wädenswil mit Charmeur, angehören, versteht sich und tauscht sich regelmässig aus – auch mit Pferden, die teils den Reiter wechseln. Der Franzosenwallach Radja d’Artemis, Jufers weiteres Spitzenpferd neben seinem einstigen Crack Wiveau, sei nur als Beispiel erwähnt. Der inzwischen gekörte Niederländerhengst, in dessen Sattel Jufer Mitglied der siegreichen Schweizer Equipe im Nationenpreis in Calgary 2016 war, bereitet sich nach zahlreichen verletzungsbedingten Rückschlägen auf sein sportliches Comeback vor.

Alain Jufers Pech
Am vergangenen Mittwoch musste sich Jufer am Mittag vorzeitig von seinen Gästen und seinen Pferden verabschieden. Ein Arztbesuch in Zürich stand an – Kontrolle nach seinem Unfall im Weltcupspringen am CSI Zürich Ende Januar, der glimpflich ablief. «Tic Tac hat sich nach meinem Sturz nicht verletzt. Ich brach mir den ersten und zweiten Halswirbel und musste tagelang ein Stützkorsett tragen», erzählt Jufer. «Ich trug diese Halsbandage bis zum Start der Freiluftsaison am Osterspringen in Amriswil. Geritten bin ich aber schon früher. Reiten ist ja mein Beruf. Dennoch liess ich etwas Vorsicht walten.»

Alain Jufer mit seiner Freundin Aurelia Loser, der achtjährigen Bayernstute Samira sowie Hund Maya.


Auch Jufers Freundin, die Walliserin Aurelia Loser, kuriert derzeit eine Verletzung aus. Sie brach sich Anfang Mai in Uster den Kiefer und musste eine zweiwöchige Pause einlegen. «Ich hatte ebenfalls Glück», meint die Studentin. «Es war ein sogenannt gerader Bruch. Ende Mai sass ich schon wieder im Sattel. Ohne Pferde und Reiten war es langweilig.» Notabene: Alain Jufer gewann am 1. Mai mit Tic Tac die Championatsprüfung in Uster. Und: Im Herbst 2017 standen Alain und Aurelia gemeinsam im Schweizer Siegerteam im Nationenpreis in Rabat (Marokko).

Zukunft als Co-Patron?
Alain Jufer stammt aus einer Reiter- und Züchterfamilie in Glovelier im Jura, ist nun aber seit über einem Jahrzehnt als Bereiter bei «Tista» Lutta tätig. Am 12. April ist der Jurassier 40-jährig geworden. «Ich bin nun in einem Alter, in dem ich mir Gedanken über meine berufliche Zukunft mache. Ich möchte einmal Eigenverantwortung übernehmen. Es eilt nicht, aber Überlegungen mache ich schon.»
Vielleicht gibt es eine Kooperation mit seinem Chef Lutta. «Das ist möglich», sagt der Engadiner. «Ich bin nun 57-jährig und möchte in den nächsten Jahren etwas kürzertreten. Mit Alain verstehe ich mich gut.» Man vermutet richtig: Da könnte sich in Zukunft etwas anbahnen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr, 21/2018)

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