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Die Stallungen in Arezzo.
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Mit Estelle und Benita an die Europameisterschaft

22.07.2014 15:24
von  Florian Brauchli //

Die «PferdeWoche» besuchte Junioren-Springreiterin Estelle Wettstein in ­Wermatswil ZH, um ihr bei den Vorbereitungen für die bevorstehenden Nachwuchs-Europameisterschaften über die Schultern zu blicken. Dann begleiteten wir sie und ihr EM-Pferd Benita ins über 700 Kilometer entfernte Arezzo (ITA). Am Sonntag um 22 Uhr ging die Fahrt im Zürcher Oberland los – rund neun Stunden später ist das Paar gut in der Toskana angekommen.

Fohlenhof Wermatswil, am vergangenen Sonntagabend – emsiges Treiben bei der Familie Wettstein. Estelle, die jüngste der Reiter-Familie, packt gerade ihre Reitutensilien für die bevorstehende Europa­meisterschaften der Nachwuchs-Springreiter in Arezzo. Es ist bereits das dritte Mal in knapp einem Monat, dass sich die 17-Jährige vorbreitet, um in die Toskana zu reisen. Vor drei Wochen startete sie am CSIO für Junioren und vor 14 Tagen nahm sie auch an der Nachwuchs-EM der Dressurreiter teil. «Für die ganze Vorbereitung auf ein Auslandturnier brauche ich sicher einen halben Tag», so Estelle.

Estelle legt Benita die Ruhebandagen für den Transport an, bevor die Stute in den LKW geführt wird.

Sattel, Zäume, Stiefel, Helme, Gamaschen, Peitschen, Sporen und und und… Da muss einiges mit in den Lastwagen und ab und zu geht auch etwas vergessen. «Am ehesten sind es die richtigen Sporen oder die Handschuhe», gesteht die Juniorin. Damit dies nicht zu oft passiert, gibt es eine Packliste für Turniere im Ausland. «Wenn etwas vergessen wird, wird das betreffende in der Folge in die Liste aufgenommen, so dass es beim nächsten Mal nicht mehr vergessen geht. Zudem habe ich mit Cecilia eine super Pflegerin, die den grössten Teil des Packens übernimmt. Sie ist mir eine grosse Hilfe.»

Zwei Mal kontrolliert Estelle am Tag der Abreise alles, damit am besten gar nichts vergessen geht. Für die EM mit Stute Benita braucht es weniger Material als für ein Turnier, bei welchem sie mehrere Pferde dabei hat. «Ich nehme einen Sattel und drei Zaumzeuge mit, das sollte reichen.» Auch im LKW, den Wettsteins seit rund drei Jahren besitzen, hat alles seinen Platz. Aussen sind Laderäume, wo die kleine mobile Sattelkammer verstaut werden kann. Daneben auch ein Stauraum für Kabel, Ventilatoren, den Grill und weiteres.

Die mobile Sattelkammer ist verladen, der Kühlschrank gut gefüllt und auch der «Drahtesel» hat seinen Platz gefunden – jetzt kann es losgehen.

«Man muss auf alles vorbereitet sein. Die mobile Sattelkammer lässt sich sogar per Hydraulik im LKW verstauen.» Bei nur einem Pferd hat es viel Platz für anderes. So kommen neben Heu und Sägespänen auch Fahrräder und eine Schubkarre mit auf die Reise. «Das Wichtigste ist, dass alles gut festgemacht wird, dass alles an seinem Platz bleibt auf der Fahrt.» Im dümmsten Fall könnte sich Benita an einem Velo verletzen.

Lernen oder den Fahrer unterhalten

Langsam wird es dunkel in Wermatswil. Die letzten Vorbereitungen laufen. Benita wird gut verpackt über die Rampe in den Lastwagen geführt. «Sie liebt es, im LKW zu fahren. Man merkt ihr die Vorfreude richtig an», beschreibt Estelle ihr EM-Pferd. Und was macht die 17-jährige Reiterin wäh­rend der Fahrt? «Meis­tens kann ich gut lernen während der Fahrt, aber momentan sind Schulferien, also fällt das weg. So unterhalte ich mich mit dem Fahrer und dem Beifahrer.» Die Fahrer, das sind auf dieser Reise Ernst Wettstein, Vater von Estelle, und Raphael, ein Freund der Familie. Ebenfalls «an Bord» ist Aurélie, die Schwester. Mutter Marie-Line bleibt in diesem Jahr zuhause und passt auf den Hof auf. «Jemand muss eben zuhause bleiben, letztes Jahr war es Aurélie, dieses Jahr ist es meine Mutter.» Estelle geniesst die Zeit auf Rädern. Sie fahre sehr gerne im LKW, genau wie ihre Pferde. «Ich muss ja nicht selber fahren», so Estelle mit einem Grinsen. Kein Wunder, im Lastwagen fehlt es an nichts. Kühlschrank, Herd, Ledercouch, Dusche, WC – alles was man für eine längerer Reise braucht.

Keine Probleme am Zoll

Die Reise beginnt – der LKW rollt langsam vom Hof. Ein letzter Blick zurück und los geht das EM-Abenteuer. Via Gotthard geht es bis nach Chiasso. Einige Unwetter ziehen genau während der Fahrt über die Schweiz. Da heisst es, volle Konzentration des Fahrer-Duos. In Chiasso wartet das Zollprozedere und das Carnet ATA muss abgestempelt werden. Mittlerweile ist es weit nach Mitternacht. Alles klappt wie am Schnürchen.

Der Grenzübertritt in Chiasso mitten in der Nacht verläuft ohne Probleme.

Nach rund zehn Minuten setzt sich der LKW auch schon wieder in Gang. Via Mailand, Bologna und Florenz geht die Fahrt weiter ins Herz der Toskana. Um 6.30 Uhr am Montagmorgen ist das «Team Wettstein» in Arezzo angekommen. Alles sei gut gelaufen, Pferd und Reiter seien wohlauf, bestätigt Ernst Wettstein. Am ersten Tag hiess es dann, Stall beziehen, sich eingewöhnen und Benita ein erstes Mal reiten. Estelle kennt hier alles und ist zufrieden mit Benita und den Bedingungen. Die Europameisterschaft kann beginnen.

Noch etwas verschlafen führt Estelle ihre Stute am Montag­morgen in die Stallungen in Arezzo.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 29/2014)

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