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Andrea Ibernini (l.) mit seinem Nachfolger Daniel Borraccini.
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«Persönliche Beratung ist immer das A und O»

20.12.2016 14:45
von  Florian Brauchli //

Andrea Ibernini arbeitet seit 42 Jahren für die Felix Bühler AG, 32 Jahre davon als Direktor. Der 62-Jährige übergibt nun Ende Jahr sein Amt an Daniel Borraccini. Zu 40 Prozent arbeitet Ibernini begleitend weiter, danach will er sich ausschliesslich auf das Lizenzgeschäft konzentrieren. Die Felix Bühler AG ist heute im Besitz des deutschen Marktleaders Krämer Pferdesport und Ibernini.

«PferdeWoche»: Wie ist das Reitsportgeschäft Felix Büh­ler entstanden?

Andrea Ibernini: 1966 entschloss sich Felix Bühler, seinen Beruf als Einkaufsleiter im Globus an den Nagel zu hängen und seine Ideen in ein eigenes Unternehmen einzubringen. Er war ein kreativer Mann und ein begeisterter Reiter und Fahrer. Zu dieser Zeit kaufte man einen Sattel in der Sattlerei und Stiefel beim Stiefelmacher. Felix Bühler wollte ein Geschäft für Reitsportler eröffnen, wo man alles an einem Ort findet. An der Hohl­strasse in Zürich-Altstetten mietete er grosszügige Räumlichkeiten, welche er in eine Erlebniswelt für Pferdesportfans umwandelte. Bühler war ein Vorreiter im Bereich Lifestyle-Merchandising, der Warenpräsentation, in welchem sich Pferdebegeisterte wohlfühlen sollten – zur Ladenausstattung gehörte eine Reiterbar, altes Gebälk, Stalltüren, Heuraufen, Kutschen und Schlitten. Zusammen mit dem grossen Vollsortiment war das Altstetter Geschäft sofort eine Attraktion für Pferdebegeisterte.

Wie entstand das Logo von Felix Bühler?

Das Signet des Springreiters wurde vom Zürcher Fotografen und Grafiker Hansruedi Alder entworfen und entstand 1975 aus einer Reihe von Logos mit verschiedenen Pferdesportmotiven. Die Auswahl fiel auf den Springreiter als Silhouette, welcher offen lässt, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Springreiten ist eine olympische Disziplin, ein sehr dynamischer Sport mit eleganter Ausrüs­tung, welcher mit der Turnierbekleidung (Hemd, Blu­se, Krawatte, Veston) eine perfekte Aussagekraft, auch für die «Strassenmode», hat. Der Gründername Felix Bühler ist zudem in Asien ein eher exotischer Name, welcher in Kombination mit dem Reiterlogo eine prägnante Markenerscheinung bildet.

Wie gross war die Firma zu Beginn und was waren Ziele und Zielpublikum?

Felix Bühler startete mit einer Handvoll Mitarbeiter. 1966 war die Reiterei noch viel elitärer. Es gab nur die Filiale in Altstetten. Bald entdeckte Bühler aber die grosse Chance der Filialisierung und des Versandhandels. Die Firma wuchs kontinuierlich. In dieser Zeit gliederte sich die Kundschaft in rund 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen, mittlerweile hat sich der Pferde­sport zu einem Frauensport entwickelt mit rund 80 bis 90 Prozent weiblicher Kunden. So hat sich auch die Struktur des Unternehmens entwickelt. Die Firma zählt heute lediglich drei Männer bei total 120 Frauen.

Wie hat sich die Produktpalette verändert?

Das ganze Produktangebot ist viel modischer geworden. Die Auswahl war zu Anfang sehr bescheiden. In der Zeit gab es vielleicht zwei, drei Gamaschen mit verschiedener Fütterung – heute unzählige Varianten. So verhält es sich bei allen anderen Produkten. Wir haben sicher rund 150 verschiedene Schabracken in allen möglichen Formen und Farben.

Wie haben sich Funktionen und Materialien entwickelt?

Die Kundschaft war gezwungenermassen weniger wählerisch und kaufte was ver- oder gebraucht wurde. Heute leistet man sich auch irgendwelche Gadgets oder Zusatzprodukte, die man vielleicht nicht unbedingt brauchen würde. Man lässt sich von Trends und Modefarben begeistern und freut sich jedes Jahr auf ein neues Outfit. Die Materialien haben ebenfalls einen extremen Wandel hinter sich. Aus einer Handvoll Farben wurden unzählige. Bei den Textilien kamen Neuerungen wie Atmungsaktivität, Wasserdichtigkeit, Reibfestigkeit oder hohe Elastizität dazu. Man hat sich den Entwicklungen der grossen Breitensportarten angenä­hert. Der athletische Sport war früher dem Reitsport um Jahre voraus, heute sind technische Neuerungen, wie zum Beispiel Goretex, Power­stretch oder Softshell eine Saison später auch für Pferdesportler zu haben. Man ist sicher funktioneller geworden, aber der Kunde ist auch kritischer. Er kennt sich viel besser aus und informiert sich bereits vorab.

Wie viele Produkte umfass­te das Sortiment damals und heute?

Vor rund 50 Jahren gab es rund 2000 Artikel, heute sind es über 10000. Zum Beispiel haben wir aktuell rund 800 Pferdedecken im Sortiment. Früher waren es maximal 50 bis 60.

Die erste Filiale von Felix Bühler in Zürich Altstetten.

Was war die grösste Innovation der Firmengeschichte?

Bezüglich unseres Angebots waren wir immer sehr innovativ. Schon Felix Bühler «pushte» die Entwicklung neuer Produkte. Wir waren die ersten, die einen Soft­shell-Reitmantel oder einen Steppmantel für den Winter auf den Markt brachten. In Zusammenarbeit mit Markus und Thomas Fuchs entwickelte Bühler den ersten Stollengurt. Auch die ersten Lammfellüberzüge für Sättel wurden von Bühler he­rausgebracht, ebenfalls in Zusammenarbeit mit Markus und Thomas Fuchs. Heute haben wir auch eigene Designer, die Produkte entwerfen und entwickeln.

Eine andere grosse Innovation war das Direktmarketing. Unsere Kundendatenbank besteht seit fast 50 Jahren und in den 70er-Jahren wurde der erste Katalog verschickt. Unsere Datenbank umfasst über 150000 Adressen. Wir können so sehr genau auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. Dazu sind wir eines der führenden Online-Anbieter im spezialisierten Reit­sportmarkt.

Arbeitet Felix Bühler auch mit anderen Partnern im Ausland zusammen?

Ja, das Lizenzgeschäft ist sicher einer der wichtigsten Schritte in der Firmengeschichte. Die erste Lizenz wurde 1982 in Japan vergeben. Heute gibt es Produkte der Marke Felix Bühler auch in Taiwan, China und Thailand. Geplant sind weitere Kooperationen in Südkorea und Singapur, Indien und den Philippinen. Dank Lizenzpartnern wurde die Marke auch in der Modebranche stärker positioniert.

Wieso gerade in Asien?

Ein japanischer Mann namens Sakai kam eines Tages zu uns in den Laden und sagte, er habe von uns gehört und die Marke gefalle ihm. Er wolle so ein Geschäft in Japan eröffnen. Während dem Gespräch stellte sich heraus, dass er ein Importeur italienischer Mode ist und er Reitsportmode in Japan etablieren wollte. Er hat dann drei Läden in Osaka, Tokio und Kobe eröffnet, obwohl er keine Ahnung vom Reitsport hatte. Aber es gefiel ihm einfach. Er hat bei uns eingekauft wie ein Weltmeister, musste aber nach zwei Jahren Konkurs anmelden. In diesen zwei Jahren hatte er aber grossen Erfolg mit den Produkten mit Felix-Bühler-Logo. 1982 gründete er dann «Felix Bühler International» in Tokio mit einer Markenlizenz von uns. Andere grosse asiatische Unternehmen wurden schon bald auf die neue erfolgreiche Marke aufmerksam und so hat sich diese Zusammenarbeit in Asien weiterentwickelt.

Wie haben sich die Produkte in den letzten 50 Jahren verändert? Ist heute nicht alles nur noch Billigware aus Asien?

Das Handwerk ist mittlerweile in Europa zu grössten Teilen leider verschwunden. Allerdings denke ich global und es gibt heute zum Beispiel auch in Asien Produzenten erster Güte. Man darf nicht alle in den gleichen Topf werfen. Unsere Philosophie ist es, direkt an der Quelle zu kaufen. Durch die fehlenden Zwischen­händler können wir viele Produkte günstiger anbieten. Davon profitiert der Kunde. Aber wir kaufen nicht beim billigsten, sondern dort, wo wir das Gefühl haben, das richtige Produkt zu finden. Wir versuchen bei jedem Produkt das Beste für den Kunden herauszuholen, das liegt mir persönlich am Herzen. Wir kennen jeden unserer Fabrikanten und jeder wird von uns persönlich regelmässig, auch unange­kündigt, kontrolliert.

Was waren die grössten Veränderungen in der Produktepalette?

Alles hat sich extrem verändert. Die grösste und auch spannendste Entwicklung hat aber sicher im Textilbereich stattgefunden, nicht nur für die Reiter, auch für die Pferde. Mittlerweile ist der Innovationsspielraum aber auch langsam ausgereizt.

Sind die Reitsportartikel heute immer noch das Kerngeschäft?

Ja, absolut und das wird auch so bleiben. Die Abteilung «Mode» ist eine eigene Geschichte, eine Art Diversifikation. «Horse first» ist immer noch unser Motto.

Welches ist das meistverkaufte Produkt?

Nach Umsatz sind es wahrscheinlich die Reithosen. Da merken wir, dass viele Kunden mit dem Trend gehen wollen und sich deswegen öfters eine neue Hose kaufen. Nach Stückzahl sind es aber Pflegeprodukte und Leckerli.

Wie viel Prozent der Produkte stellt Felix Bühler selber her?

Das sind rund 50 Prozent. Diese werden weltweit hergestellt. Die Hauptprodukte, die selber hergestellt werden sind vor allem Textilien. Wir haben auch eine eigene Sattlerei, welche sich noch um Reparaturen kümmert.

Hat der Ladenverkauf Ihrer Meinung nach noch Zukunft?

Ja absolut. Online einkaufen mag zwar einfacher sein und wir haben auch ein Callcenter, wo Sie sich beraten lassen und Ihre Bestellung aufgeben können. Aber die persönliche Beratung im Einzelhandel ist immer noch das A und O und dafür kämpfen wir. Im stationären Geschäft kann man die Produkte anfassen und anprobieren. Es ist aber auch eine Herausforderung – Freundlichkeit und Service müssen aufrechterhalten werden. Man muss als Verkäufer sympathisch rüberkommen und mit Herz verkaufen. Die Mitarbeiter im Verkauf müssen wieder stolz sein auf ihren Beruf. 

V. l.: Andrea Ibernini, Markus Fuchs und Thomas Fuchs. 

Gibt es Bestrebungen, auch Nicht-Pferdesportler für Felix Bühler zu begeistern?

Aus meinem Bekanntenkreis weiss ich, dass viele Menschen mit Hunden bei uns einkaufen, vor allem Regenjacken oder Schuhe. Es gibt viele Nicht-Rösseler und wir haben auch viele modische und spannende Produkte für sie. Momentan ist aber nicht geplant, dies explizit zu fördern oder zu bewerben.

Wohin gehen die Trends im Bereich der Produkte und Materialien?

Ich glaube, dass der ökologische Gedanke immer wichtiger wird. Die Menschen wollen Produkte, bei denen sie wissen, dass sie fair produziert wurden. Das Angebot wird durch die Nachfrage gesteuert. Je aufgeklärter der Kunde ist, desto mehr muss sich auch der Anbieter bemühen, ökologisch sinnvolle Produkte anzubieten. Bei den Materialien wird an Details gearbeitet wie zum Beispiel einem Verschluss oder Ähnlichem.

Wo sehen Sie Felix Bühler in 20 Jahren?

Unsere Marke wird sicher noch bekannter sein als heute. Durch den Standort Lenzburg mit dem grossen gelben Gebäude hat sie schon massiv an Bekanntheit gewonnen. Auch Nicht-Rösseler kennen die Marke mittlerweile. Die Firma wird sich weiterentwickeln, aber in der Schweiz wird es natürlich nicht mehr 100 neue Standorte geben. Der Online-Bereich wird sicher auch noch weiter wachsen. Der stationäre Verkauf wird aber immer der wichtigste Teil unseres Konzepts sein.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 50/2016)

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