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Wundermittel Magnesiumchlorid

08.12.2010 00:00
von  Ramona Dünisch //

Wenn die Tage kürzer werden, sinken nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Laune bei den Reitersleuten. Die Zugvögel haben längst unsere Regionen verlassen, um im Süden das zu geniessen, was uns erst wieder ab frühestens April des nächs­ten Jahres erwartet.

Wir Zurückgebliebenen müssen uns mit langen Dunkelphasen und frostigen Böden arrangieren, ob wir wollen oder nicht. Uns Menschen fehlt das dicke Winterfell der Tiere, beziehungsweise haben wir es wohlweislich mit der Schermaschine bei selbigen entfernt. Wir können weder eine Winterruhe halten noch in eine Winterstarre oder einen Winterschlaf fallen – so mancher Pferdebesitzer würde diese Option gerne ausnutzen …

Training im Winter

Wer täglich sein gewohntes Training – zumindest in abgemilderter Form – absolvieren möchte, muss jetzt achtsam den benutzten Boden kontrollieren. Profis erhalten nicht nur in den angenehmeren Monaten Berittpferde, auch im Winter bringen ihre Kunden Jungpferde, Korrekturpfer­de und angerittene Remonten, die in Springpferdeprüfungen ihre ersten Lorbeeren verdienen sollen. Wenn nun der Hallenboden oder der Aussenreitplatz zu feucht geworden  und bretthart gefroren ist, als Basis dient, wird es schnell schmerzhaft für das Pferd und seine Gliedmassen. Pferde sind zwar vom Ursprung her Steppenbewohner, allerdings bringt der Reiter im Sattel andere Probleme mit sich, die beherztes Reiten auf sehr harten Böden verbieten. Wer täglich arbeiten muss und sein Pferd gesund erhalten will, muss Vorsorge treffen und sich mit verschiedenen Konsistenzen des Bodens befassen – ob er will oder nicht! Wer diesen Punkt zu ignorieren versucht, riskiert ernsthafte Schäden am ausgeklügelten Bewegungsapparat und Behandlungskosten durch Tierarzt und Co. Wenn die Knorpel in den Gelenken regelmässig, wie zum Beispiel bei den Landungen nach einem Sprung, heftig gestaucht werden, kann es zu Knorpelquetschungen oder auch chronischen Entzündungen kommen.

 

Gefrorene Reitplätze sind gefährlich für Sehnen und Gelenke der Pferde.

Gesund: Hack-Schnitzel und Teppich-Flocken

Alte, festgetretene und aus­gelutschte Reitböden eignen sich im Winter weniger als frisch aufgeschüttete Alternativen, die Freu­de bereiten. So genannte Zuschlagstoffe, die sich zur Umwelt neutral verhalten, können Böden bis zu ­einem Temperaturbereich von minus fünf Grad Celsius eis- und frostsicher gestalten. Textilfasergemische stellen eine gute und vor allem kos­tengünstige Alternative zum herkömmlichen Sand-Späne-Gemisch dar und haben auch im Winter einige Vorteile. Trockene Hackschnitzel aus Lärchenholz halten dem Frost stand und bieten eine federnde Lösung als Untergrund, wenn ihr Einsatz nicht übertrieben wird. Wer hier ohne den Rat eines Fachmannes und ohne korrekte Dosieranleitung frisch drauflos experimentiert, wird allerdings im seltensten Fall seinen Frieden finden. Oftmals entsteht die gewitzte Idee zur Res­taurierung erst dann, wenn der Belag bereits unter den Hufen knirscht und zu klappern beginnt. Wenn die kalten Wintermonate begonnen haben, ist es zu spät Lastwagen in Bewegung zu setzen. Teppichflocken oder Hackschnitzel, die oftmals kostengüns­tiger erhältlich sind, finden sich nach entsprechender Recherche übers Internet oftmals direkt vor der Haus­türe bei ortsansässigen Holzbearbeitungsfirmen oder Recycling-Betrieben.

Reine Teppichflocken federn auf einem Reitplatz.

Das Wundermittel Magnesiumchlorid

Was vermag Eis besonders zügig aufzutauen? Die Lösung ist Magnesiumchlorid! Die daraus entstehende Flüssigkeit gefriert auch bei späterer und heftigerer Abkühlung bis zu minus 30 Grad Celsius nicht mehr in gewohnter Form. Im Frühjahr entstehen dann auch keine Inseln mehr auf den Aussenplätzen, die zu bodenlosem Untergrund und morastigen Bedingungen beitragen. In einer Reithalle aufgebracht, beträgt die Wirkungsdauer mehrere Monate. Wenn es im Aussenbereich zum Einsatz kommt, muss nach längeren Niederschlagsperioden der Auftrag wiederholt werden.
Wer seine Hallenböden regelmässig wässert, sollte in den kühlen Monaten ein Auge auf die Vorgehensweise legen und sehr gezielt agieren. Der Boden wird während der Frostperioden trockener gehalten, nicht so trocken, dass
die Pferdehufen keinen Halt finden oder die ­Staubentwicklung zu stark wird. Idealerweise wird die obers­te Schicht angefeuchtet und kann von den Pferden mit den Hufen durchstossen werden. Ein Ritt auf der Rasierklinge, der erst mit einem gewissen ­Erfahrungsgrad optimiert werden kann. Weniger Stress bereiten hier spe-ziel­le Bewässerungs­sys­te­me, die im Gegensatz zu den herkömmlichen Beregnungsanlagen den Boden von innen her befeuchten. Hier gibt es als positives Beispiel doppelwandige Tropfbewässerungsrohre, die das Wasser tropfenweise direkt an die benachbarte Tretschicht abgeben. Die entsprechenden Rohre werden im Hallenboden verlegt – erst bei einem Dauerfrost von minus acht Grad Celsius erfolgt ein Dichtfrieren der Leitungen. Freihängend verlegte Beregnungsanlagen beginnen bereits bei Null Grad ihren Dienst zu quittieren und platzen gerne einmal auf, wenn das Wasser nicht abgelassen wird. Die im Boden verlegten Bewäs­serungssysteme entleeren sich von selbst, wenn das Wasser abgedreht wird, was ab minus drei Grad Celsius empfehlenswert ist.


Frisch aufgebrachtes Magnesiumchlorid. An der Oberfläche wirkt es staubbindend, im Winter als Frostschutz.

Frostsicher bis minus zehn Grad

In Reiterkreisen hat sich herumgesprochen, dass das Beimischen von Mag­ne­siumsalz bis zu zehn Minusgraden Abhilfe verspricht. Magnesiumchlorid ist giftklassenfrei, nicht ätzend und verhält sich chemisch neutral. Es kann bedenkenlos auf verschiedensten Reithallenböden oder auf Aussenplätzen genutzt wer­den. Dazu muss das besondere Salz nur im Vorfeld der Frostperioden in die obere Schicht der Böden eingearbeitet werden. Der entsprechende Arbeitsaufwand ist hier weitgehend als gering einzuschätzen. Magnesiumchlorid (chemische Formel MgCl2) findet sich in der Natur als Carnallit in Kalisalzlagerstätten oder auch gelöst im Meerwasser. Es bildet die Grundlage zur Herstellung auf Elektrolytbasis von Magnesium. Mag­nesium­chlorid wird sogar in der Lebensmittelindustrie als Geschmacksverstärker, als Festigungsmittel oder auch als Säureregulator eingesetzt. Hier ist es sogar in ökologischen oder biologischen Lebensmitteln erlaubt.

Dosierung


Je nach Oberfläche werden 400 bis 500 Gramm pro Quadratmeter eingebracht. Je nach Beschaffenheit der Tretschicht können auf Aussenplätzen grössere Mengen notwendig sein – hier ist ein Gespräch oder Telefonat mit dem Fachmann angesagt.
Um die üblen Nebenwirkungen von Frost in den Böden zu verhindern, wird Magnesiumchlorid in der angegebenen Menge regelmässig auf die zu behandelnde Fläche ausgebracht. Damit es überhaupt erst seinen Wirkungsgrad erreichen kann, ist die Anwendung vor Beginn der frostigen Tage anzuraten.

Nette Nebeneffekte

Wer mit Allergikern oder staubempfindlichen Pferden regelmässig arbeiten muss, liebt eine Nebenerscheinung von Magne­sium­chlorid: Abends ausgestreut, entwickelt es seine staubbindende Wirkung, indem es den Boden mit einem feuchten Film überzieht und auch an sehr trockenen Tagen absolut staubfrei hält. Diese Behandlung kann im Optimalfall über mehrere Wochen ihre Wirkung zeigen.
Als stark hygroskopisches Salz mit einem tiefsten Gefrierpunkt von minus 33 Grad Celsius in 21% wässriger Lösung. Damit ist es als Taustoff im Winterdienst hervorragend geeignet und kann auch auf dem Gelände von Ausbildungsställen, Reitanlagen und Pensionsställen eingesetzt werden, um den Einstellern die problemlose Zufahrt zu ihren Vierbeinern zu ermöglichen. Im Streudienst wird optimalerweise Natriumchlorid mit circa 30% Magnesiumchlorid vermischt. Hier überzeugt die Mischung mit einer sofortigen Wirkung auch bei tiefen Temperaturen. Nachbehandlungen sind notwendig, wenn es wieder zu stauben beginnt, beziehungsweise wenn der Boden wieder anfängt hart zu werden und zu gefrieren.

Wasserentzug – die geniale Lösung!

Die stark hygroskopische Wirkung von Magne­sium­chlorid ist schnell umrissen: Dieser Stoff hat die her­vorragende Eigenschaft, Feuchtigkeit aus seiner Umgebung zu binden.
Für Frosterscheinungen ist stets Wasser verantwortlich: Ohne Wasser keine Eisblumen, keine gefrorenen Pfützen, keine Eisflächen am Boden. Gebundenes Wasser kann seine negative Wirkung im Winter nicht wirklich entwickeln. Es trocknet zwar nicht ab, bleibt aber kontrollierbar und weniger gefährlich im Alltag.

Praxistipps

Wer eine Reithalle in der Grösse von 20 mal 40 Metern betreibt, kann das im Handel erhältliche Magnesiumchlorid mit 500 Kilogramm pro Winter beziffern. Als Rechenbeispiel: Wer 800 Quadratmeter in einer Reithalle bedienen muss und eine elf Zentimeter hohe Tretschicht nutzt, kann 400 ­Kilogramm ab Mitte November einkalkulieren. Je nachdem wie gut eine Halle isoliert ist, kann sie bis zu minus zehn Grad Celsius geritten werden.
Weitere Frostschutzmittel bieten mehr Nachteile als Vorteile. Sie greifen die Hufe an und sind, wie zum Beispiel der Harnstoff, mit Vorsicht zu geniessen.

Welche Basis?

Sand mit der korrekten Körnung ist unabdingbar und bietet die solide Basis für die spätere Feinabstimmung. Fachleute empfehlen hier Quarzsand als
die erste Wahl. Prinzipiell gelte hier, je höher der Quarzsandanteil, desto langlebiger ist der Reitplatz in Folge. Wer auf Lehm als Basis baut, wird die Nachteile speziell im Winter schnell erleben. Die Körner des Quarzsandes haben eine höhere Dichte, sind härter in der Beschaffenheit und nehmen keinerlei Wasser auf. Es erfolgt hier lediglich eine Ummantelung von Wasser. Diese Fähigkeit führt dazu, dass der Sand sich nur sehr langsam zerreibt. Wasser kann im Winter nicht nur Felsen zersprengen, sondern auch feine Sandkörner zerstören. Je höher der Quarz­anteil (bis zu 98% empfehlen Fachleute), desto positiver der Effekt. Geborgen wird dieser Quarzsand aus Sandgruben in ganz Europa.

Und jährlich gibt's den Salzstreuer


Jedes Jahr muss das Magne­siumchlorid erneut aufgebracht und eingearbeitet werden. Erst dann kann es seine volle Wirksamkeit entfalten und damit brillieren. Je nach Zusammensetzung der Tretschicht zeigen sich dann die Erfolge. Ist der Kalkanteil höher angesetzt worden, muss auch eine grössere Menge Magnesiumchlorid verwendet werden. Wichtig ist es hier auch, ein Additiv einzumischen, das Wasser aus der Luft direkt bindet und dafür Sorge trägt, dass keine zusätzliche Bewässerung notwendig ist. Mag­nesiumchlorid bewältigt diese Anforderungen problemlos und ist hier ausser Konkurrenz durchschlagskräftig. Eine Alternative wäre hier Glycerin – dies wirkt allerdings nicht optimal und macht den Boden sehr klebrig. Im Aussenbereich ist Magnesiumchlorid allerdings nur eine Not­lösung. Es kann nur bis zu einer Höhe von zwei Zen­timetern die Tretschicht leicht aufbrechen.

Salz ist vielfältig – auch als Frostschutz in Reithallen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 48/2010)

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