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Max E. Ammann
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Standpunkt

100 Jahre Finnland

11.04.2017 10:05
von  Max E. Ammann //

An den fünften Olympischen Spielen von 1912 in Stockholm gehörte Oskar Wilkman zur zaristischen Fünfkampfmannschaft. Er wurde 15. Wilkman stammte aus Finnland, das damals als autonomes Grossfürstentum zum russischen Reich gehörte. Wilkman war Offizier und diente in der Zaristischen Armee. Am 6. Dezember 1917 verkündete das finnische Parlament – also kurz nach der ­russischen Revolution und dem Sturz des Zaren – die Unabhängigkeit Finnlands.

Finnland besteht somit dieses Jahr, nach Jahrhunderten der abwechselnden Herrschaft Schwedens oder Russ­lands, seit 100 Jahren. Die Festung Bastioni in Hamina, wo einige Jahre lang der finnische CSIO ausgetragen wurde, ist ein Symbol der langen Fremdherrschaft. Oskar Wilkman, der zaris­tische Fünfkämpfer von 1912, bestritt als Oskari Vilkama für das nun unabhängige Finnland die olympische Military von 1920 in Antwerpen. Der 40-Jährige, nun Oberst der neuen finnischen Armee, wurde mit Meno 17.
Bis zum Zweiten Weltkrieg entsandte Finnland drei weitere Reiter an Olympische Spiele: jedesmal nur einen Einzelstarter und jedesmal für die Military. 1924 in Paris ritt Lars Ehrnrooth, 1928 in Ams­terdam Hans Olof von Essen und 1936 in Berlin Werner Wallden. Der Erfolgreichste war Von Essen, der 1928 mit El Kaid Fünfter wurde. Der finnische Starter von 1924, Lars Ehrnrooth, war der Erste aus der prominenten Familie der Ehrnrooth, der zu olympischen Ehren kam. 24 Jahre später, 1948 in London, bestritt sein jüngerer Bruder Adolf die olympische Military. Bedeutender als die Olympia­reiter Lars und Adolf, die beide ausschieden, war ein dritter Bruder, Gustav, der 1952 die Reitwettbewerbe der Olympischen Spiele in Helsinki organisierte. Auch weitere Generationen der Ehrnrooths blieben dem Pferdesport treu: Im Jahre 2000 bestritt Elisabeth Ehrnrooth die olympische Dressur; Thomas und Hendrik waren internationale Spring­reiter.
In den Zwischenkriegsjahren 1920 bis 1939 bestritten die Finnen einen einzigen Nationenpreis: 1928 wurden sie in Warschau Fünfte. Hans Olof von Essen, der Olympia­fünfte desselben Jahres, gehörte zur Equipe.

Nordische Meisterschaften

Wichtiger waren den Finnen zu jener Zeit die 1921 eingeführten Nordischen Meisterschaften. Einen Titel konnten die Finnen in diesen 20 Jahren nicht gewinnen. Aber einmal, 1937, waren sie in Helsinki Organisatoren der Nordischen Meisterschaften. Im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg waren Finnlands Pferdesportler zumindest bei den Olympischen Spielen aktiv: 1948 in London, zu Hause 1952 in Helsinki und 1956 in Stockholm nahmen sie in der Vielseitigkeit und im Springen mit vollen Equipen teil (in London starteten dann nur zwei Spring­reiter). Dazu kam 1956 ein Einzelreiter in der Dressur. Aber zu weiteren Auslandstarts – abgesehen von den Nordischen Meisterschaften – kam es nicht, kein einziger CSIO wurde von 1948 bis 1956 besucht.

Mauno Roiha

Der erstaunlichste finnische Reiter dieser zehn Nachkriegsjahre war Mauno Roiha, Offizier wie alle seine Mannschaftskameraden. 1948 bestritt Roiha mit Roa die olympische Military. 1952 ritt er den gleichen Roa im olympischen Jagdspringen. Für die Vielseitigkeit hatte er mit Laos ein neues Pferd. Wieder vier Jahre später, 1956 in Stockholm, bestritt Roiha die olympische Dressur: mit Laos – dem Militarypferd von 1952. Medaillenerfolge waren von keinem der finnischen Olympiastarter zu verzeichnen. Bei den Nordischen Meisterschaften gab es 1955 und 1957 durch Kauka Paananen und Jaako Palin  zwei finnische Goldmedaillen.
Danach herrschte für fast zwei Jahrzehnte finnische Funkstille. Es war Mitte der 70er-Jahre, als ich bei einem internationalen Turnier in den Niederlanden einen finnischen Springreiter traf, mit einem für internationale Reiter nicht üblichen Beruf. Der 30-jährige Chris­topher Wegelius war Bankier, der einige Jahre später zum Direktor der gröss­ten Sparkasse Finnlands aufstieg. Einige Jahre später, beim CSIO im polnischen Olsztyn, traf ich auf ein Trio finnischer Springreiter: Tom Gordin, Magnus Lillqvist und Kris­tian Maunula. Im Nationenpreis schafften die drei fünf Null- oder Vierfehlerritte. Aber der sechs­te Ritt missglückte, und so gab es ohne Streichresultat für den ers­ten finnischen Nationenpreisstart seit 50 Jahren (seit 1928) nur einen Ehrenplatz. In den 80er-Jahren blieben die Finnen wieder zu Hause. Christopher Wegelius und die Dressurreiterin Kyra Kyrk­lund nahmen zwar an «Rumpf-Olympia» von 1980 in Moskau teil (Platz zwölf für Wegelius mit Monday Morning, Platz fünf für Kyra auf Piccolo).

Tom Gordin

Nationenpreisstarts gab es bis 1990 nur noch zwei weitere: 1981 zu Hause beim ersten und lange einzigen CSIO in Helsinki und 1984 in Sopot. Tom Gordin und Kristian Maunula kamen so zu einem weiteren Nationenpreisstart. Tom Gordin, heute 65-jährig und bis vor einigen Jahren noch aktiv, machte sich in der Folge als Präsident des finnischen Pferdesportverbandes, als Mitglied der FEI-Springkommission und, vor allem, als Organisator des CSI-W in Helsinki einen Namen. Später kam noch der CSIO Hamina dazu.

Kyra Kyrklund

Die Dressurreiter behielten den internationalen Kontakt. Vor allem Kyra Kyrklund gehörte zuerst mit Matador, dann mit Edinburgh und schliesslich mit Max zu den international erfolgreichsten Dressurreiterinnen. Mit Matador und Edinburgh wurde Kyra jeweils Fünfte bei den Olympischen Spielen von 1988 und 1992. 1979 gewann sie mit Piccolo die Nordische Meis­terschaft. 1991 in Paris siegte sie auf Matador im Weltcupfinal und 1994 wurde sie mit Edinburgh Dritte. 1988 wagte sich Finnland mit einer Dressurmannschaft nach Seo­ul, wo sie Sechste wurden. An den Olympischen Spielen von 2000 ritten zwei, 2012 eine Finnin. In der Vielseitigkeit muss man Piia Pantsu erwähnen, die 2000 in Sydney bei den Olympischen Spielen ritt und zweimal (1995 und 2000) den Nordischen Meistertitel holte.

Schweizer Siege in Helsinki

Für die Springreiter begann 1990 eine rege internationale Tätigkeit. Allein von 1990 bis 2000 ritten die Finnen in 25 Nationenpreisen, darunter vier zu Hause beim 1995 erstmals wieder ausgetragenen CSIO Helsinki. Raimo Altonen, Jukka Rantanen, Peik Andersin, Mikael Fors­ten, Pinja Immonen und Sebastian Numminen waren die Hauptakteure dieses Jahrzehnts. Weiter Kati Hurme, die heutige Pressechefin des CSI-W Helsinki. Forsten, mit der talentierten Noora Penntti liiert, gewann vor einigen Jahren in Amsterdam gar ein Weltcupspringen der Westeuropaliga.
Der CSI-W Helsinki wird seit 1986 ausgetragen. Alljährlich nehmen zwei bis drei Schweizer teil, mehrere von ihnen haben seit 2006 in Helsinki das Weltcupspringen gewonnen: und zwar Beat Mändli, Daniel Etter, Pius Schwizer, Steve Guerdat und Romain Duguet.
Der finnische CSIO wurde 1981 und dann wieder ab 1995 für einige Jahre im schönen olympischen Reiterstadion von 1952 in Helsinki ausgetragen (1990 fand dort die WM der Journalisten statt – Georges Zehnder mag sich erinnern). Bereits 1994 und dann wieder ab 1998 wurde in Ypäjä auf dem Gelände der finnischen Landwirtschaftsschule, abwechselnd mit Helsinki, der CSIO ausgetragen. Als ein Brand im olympischen Reiterstadion die Tribüne zerstörte, kam es zwischen 2003 und 2011 zu fünf Nationenpreisen in der alten Garnisonstadt Hamina, jeweils im Turnus mit Ypäjä.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 14/2017)

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