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Max E. Ammann
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Standpunkt

Brauchen wir ein Sportmuseum?

23.10.2018 10:23
von  Max E. Ammann //

Auf einem Nebenschauplatz der Medienberichterstattung kann man dieser Tage den Todeskampf des Sportmuseums Schweiz verfolgen. Es ist hoch verschuldet und Jahr für Jahr fehlen wesen­t­liche Gelder zum Budget von gegen 600'000 Franken.

Gegründet wurde das Sportmuseum Schweiz 1945 in Basel als Schweizerisches Turn- und Sportmuseum. Bereits in den 90er-Jahren kam es zur ersten grossen Krise. Damals konnte die Schliessung abgewendet werden. 2011 zog das Museum von der Stadt Basel ins Dreispitzareal in Münchenstein, Baselland, um. Dort wurden die 12000 Objekte, 200000 Bilder, 11000 Bücher und Zeitschriften und 150 Laufmeter Akten als begehbares Schaulager präsentiert.
Die Probleme des Sportmuseums Schweiz gleichen denen vieler Spezialmuseen. Einerseits die fehlende öffentliche Unterstützung durch Organe des Bundes, der Kantone, der Gemeinden – andererseits ein diskretes Dasein als Folge der fehlenden Mittel mit kaum Werbung in der Öffentlichkeit. Das Sportmuseum Schweiz zählte pro Jahr nur 2000 Besucher (zahlende und Gratis­eintritte gerechnet). Das ist zu wenig, um ein finanzielles Polster zu schaffen und, noch wichtiger, um die potenziellen Subventionsgeber von der Bedeutung des Museums zu überzeugen.

Nicht präsent

Ich selbst habe vor vielen Jahren zweimal einige Monate in Basel gewohnt und seither die Stadt immer wieder besucht. Trotz meines Interesses am Sport und seiner Geschichte kam mir nie die Idee, das Sportmuseum zu besuchen. Das Sportmuseum Schweiz, oder eben früher das Schweizerische Turn- und Sportmuseum, war in Basel nicht präsent. So weiss ich nicht, wie der Pferde­sport im Sportmuseum vertreten ist, wahrscheinlich wenig. Es werden die Wintersportarten Ski, Eishockey und Bob, Fussball, Rad und Leichtathletik, Turnen, Schwingen, Schiessen und Rudern dominieren.
Die obigen Probleme gelten auch für die Schweizer Museen, die sich mit dem Pferd und dem Pferdesport befassen. Das Pferdemuseum in La Sarraz an der Autobahn nach Lausanne oder die Handvoll Kutschenmuseen sind wunderbare Orte, zum Entdecken, zum Ansehen, zur Erbauung. Man weiss von ihnen, aber man kennt sie kaum. Geld für eine intensive Werbung ist nicht vorhanden und noch weniger für aufwendige, spektakuläre Ausstellungen, um damit schweiz­weit Aufsehen zu erregen.

Lohnt sich Investment?

Dieses Dilemma betrifft, wie erwähnt, Dutzende, vielleicht Hunderte von Spezialmuseen der Schweiz, und diese Situation stellt viele der ohnehin finanziell klammen Gemeinden und Kantone vor die entscheidende Frage: Lohnt die Bedeutung des um Geld bittenden Museums für unsere Gemeinde oder Stadt die vielleicht 100000 Franken, die an Subventionen erhofft wer­den? Im Falle des Sportmuseums Schweiz haben Basel-Stadt wie Baselland diese Frage verneint. Dass sie dies mit dem Argument untermauern, ein Schweizer Sportmuseum sei eine nationale und keine kantonale Angelegenheit, unterstreicht nur die Verlegenheit. Dass sich diese nationalen Institutionen, die Bundesämter für Kultur (BAK) und für Sport (BASPO) einerseits und der Schweizer Sportdachverband Swiss Olym­pics andererseits, winden und erklärend abwinken und abwehren, macht das Ganze erst recht zur Farce.
Es ist offensichtlich, für einen Sportverband ist die einzig wichtige internationale Medaille diejenige, die dieses Jahr gewonnen wird, und die wichtigste WM oder EM ist der Anlass, den man dieses Jahr besuchen kann. Was früher war, wird bestenfalls in den Tabellen der Olympiasieger, Welt- und Europa­meister aufgeführt. Aber ein wahres Interesse an der Vergangenheit ist bei den Sportverbänden eher selten. Dabei zeigt ja gerade die Geschichte, wie sehr man mit der Erinnerung an frühere Zeiten und Personen Mythen schaffen kann. Die grossen Religionen bauen darauf auf und, um wieder zum Sport zu kommen, die Popularität der vier amerikanischen Mannschaftssportarten American Football, Base­ball, Basketball und Eishockey basiert zu einem wesentlichen Teil auf den Hunderten von Statis­tiken, die minutiös nachgeführt werden und auf den sportlichen Helden, die mit ihren Leis­tungen darin auftauchen. Die entsprechenden «Halls of Fame» sind, anders als die mit dem Sport verbundenen Museen, wahre Pilgerorte. Das Dorf Cooperstown im Norden von New York ist mit seinen weniger als 2000 Einwohnern dank der Baseball Hall of Fame fast jedem Amerikaner ein Begriff.

Pro Museum

Die Schweiz braucht Museen, auch solche, die sich mit dem Sport befassen. Darum braucht es ein Schweizer Sportmuseum, ein Schweizer Pferdemuseum, es braucht die öffentlich zugänglichen Kutschensammlungen und die Orte, wo der Kavallerie gedacht wird. Das Sportmuseum Schweiz wollte den Sport als Teil der Alltagskultur vermitteln und die Kulturgüter des Sports sammeln. Dazu braucht es das Bekenntnis der Notwendigkeit: durch die politischen Organe auf Bundes-, Kantons- sowie Gemeinde­ebene wie der einzelnen Sportverbände, nicht zuletzt von Swiss Olympic. Dabei muss die Finanzierung nicht nur ein knappes Überleben von Jahr zu Jahr erlauben, sondern auch Werbung und ein Bekanntmachen in der breiten Öffentlichkeit. Was man gegenwärtig in Bezug auf das Sportmuseum erlebt, bezeichnet man in den USA als «to pass the buck» – auf Deutsch «die Verantwortung abschieben».

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 42/2018)

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