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Max E. Ammann
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Standpunkt

Erinnerungen an Volvo

19.08.2014 11:10
von  Max E. Ammann //

Einmal im Jahr treffen sich drei ehemalige Mitglieder des FEI Weltcup-Komitees – das den Springreiter Weltcup 20 Jahre lang überwachte – um, mit ihren Frauen, über alte Zeiten zu reden. Wir, Ulf Bergqvist, Alan Smith und der Schreibende, ­trafen uns in den vergangenen Jahren in Berlin, Brüssel, Bern, Colmar und ’s-Hertogenbosch. Ein Hauptthema unser Diskussionen ist natürlich der Weltcup, und das Sponsoring durch den schwedischen Autobauer Volvo.

Das 20-jährige Sponsoring des Springreiter-Weltcups 1978 bis 1998 durch Volvo gehört wohl zu den erfolgreichs­ten kommerziellen Unterstützungen im internationalen Wettkampf­sport. Wie kam es zu diesem langjährigen Engagement von Volvo? Im Frühjahr 1978, als der Spring­reiter-Weltcup geboren wurde und, in Meetings mit den Spring­reitern, einer Sitzung mit der FEI Spring-Kommission und in einem Gespräch mit FEI-Präsident Prinz Philip das Reglement erstellt wurde, schwebte eine Frage über allem: Wie finanziert man das Projekt?
In einer ersten Phase wurden zwei internationale Sportmarketing- Agenturen kontaktiert. Für die eine war der Pferdesport Neuland und aus den halben Dutzend Gesprächen ergab sich nichts finanziell Konkretes. Die andere Agentur war seit einiger Zeit im US-Springsport engagiert und zeigte mehr Interesse. Aber es schien, als ob diese Agentur wenig Interesse an der Organisation eines Spring­reiter-Weltcups und den damit verbundenen finanziellen Risiken hatte; die Agentur sah eher eine Möglichkeit, die Spring­reiter-Stars unter Kontrakt zu nehmen, und so in den Pferdesport einzudringen. Nicht zuletzt fand Prinz Philip, man sollte eine FEI-interne Möglichkeit der Finanzierung vorsehen, also selbst einen Sponsor finden.
Kurze Zeit zuvor war ich, in einem Gespräch mit Bill Steinkraus, davon abgekommen, den Spring­reiter Weltcup als eine Serie, wie Formel 1, durchzuführen. Zu überwältigend waren die Probleme: Transportstress für die Pferde, Datenkonflikte zwischen den nord­amerikanischen und europäischen Turnieren sowie die enormen finanziellen Bedürfnisse, um Reiter und Pferde um die Welt zu transportieren. So wurde das Ligasystem geboren, und das bedeutete, dass der Weltcup mit einem Final enden würde. Ein Final müsste im April stattfinden – und da drängten sich zwei Turniere auf, die beide einen interessanten Haupt­sponsor hatten: Genf mit Piaget und Göteborg mit Volvo.

Schweizer Lösung?

Als guter Schweizer bemühte ich mich zuerst um Yves Piaget. Wir hatten Lunch im Schweizerhof in Bern. Yves Piaget war am Weltcup interessiert, nicht aber am Sponsorship eines Finals. So kontaktierte ich meinen alten Freund Anders Gernandt, den Pferdesport-Kommentator des schwedischen Fernsehens. Anders seinerseits diskutierte das Projekt mit Bertil Rönnberg, dem Direktor des Scandinaviums, der Multi­sporthalle in Göteborg, wo seit einigen Jahren das internationale Reitturnier stattfand. Anders und Bertil kamen Mitte August 1978 zur WM in Aachen und liessen sich im Auftrag von Volvo im Detail über die Weltcup- Pläne informieren.
Einige Tage später erhielt ich einen Telex: Pehr G. Gyllenhammar, Präsident von Volvo, lud mich zu einen Arbeits­essen in sein Haus in Göteborg ein. Am 31. August hatte ich so Gelegenheit, Pehr und einigen seiner Vertrauten den Weltcup zu erklären. Beim Cog­nac in der Bibliothek kam es dann zum Handschlag: «It’s a deal», erklärte der Volvo-Präsident dem glücklichen zukünftigen Weltcup-Direktor. Diese erste Vereinbarung lautete über 480000 Franken für die Saison 1978/79. Am 6. November 1978, zum ers­ten europäischen Weltcup-Turnier überhaupt, in den RAI Hallen in Ams­terdam, erschien Pehr Gyllenhammar mit einer Volvo-Delegation, und dort kam es auch zum ers­ten Zusammentreffen der Volvo-Führung mit FEI-Repräsentanten, da­runter der damalige Generalsekretär.
Der erste Final, in Göteborgs Scandinavium Arena, etablierte den Weltcup als jährliches Hallenchampionat. FEI-Präsident Prinz Philip kam zum ersten Final, und dieser endete mit dem denkwürdigen Stechen um den Sieg zwischen Hugo Simon und Katie Monahan. Die Letztere setzte das erste Zeichen einer zehn Jahre andauernden Dominanz der nordamerikanischen Reiter, die von 1980 bis 1989 jedesmal den Sieger stellten (sieben Mal USA, drei Mal Kanada).

Blumenpracht

Im dritten Jahr des Weltcups interessierte sich das niederländische Landwirtschaftministerium für ein Co-Sponsoring des Weltcups. Leon Melchior hatte Minister Van der Steen von der Blumenpracht in der Göteborger Arena erzählt. Der Minister sah die Verbindung zwischen den Göteborger Blumen und der niederländischen Landwirtschaft und verdoppelte mit seinen Geldern die dem Weltcup zur Verfügung stehenden Mittel. Als das niederländische Landwirtschaftsministerium Ende der 80er-Jahre wieder ausstieg, übernahm Volvo auch den niederländischen Sponsoranteil.
Der Erfolg des Weltcups ist zweifellos eng verbunden mit dem 20-jährigen Sponsorship von Volvo. Einmal durch die Gelder, die in den Weltcup flossen und die vielen Autos, die die Reiter gewinnen konnten. Von den 480000 Franken, die Volvo in der ersten Saison 1978/79 auslegte, stieg der jährliche Bar-Beitrag in den 90er-Jahren auf sieben bis acht Millionen, wobei man, rechnet man die Volvo Automobile und die flankierenden Massnahmen dazu, im zweiten Volvo-Jahrzehnt ihres Sponsorships von einem jährlichen Aufwand von zehn Millionen Franken ausgegangen werden kann. Dabei kamen die Mittel nicht nur vom Mutterhaus in Göteborg. Sämtliche Volvo-Ableger in Westeuropa, in denen Weltcup-Springen stattfanden, unterstützten «ihre» Turniere, und auch in Osteuropa, Nord- und Süd­amerika und Australien war Volvo präsent.
Neben dieser finanziellen Basis schuf auch die menschliche Seite einen wesentlichen Anteil am Erfolg des Volvo-Weltcups. Als Volvo-Präsident Pehr Gyllenhammar das Projekt seinem Senior-Vizepräsidenten Ernst Knappe übertrug und für das Management seinen Freund Ulf Berg­qvist gewann, hatte der Spring­reiter-Weltcup zwei integre, am Sport interessierte Persönlichkeiten, die mit ihrer Glaubwürdigkeit entscheidend zum Erfolg beitrugen. Vor allem erhielt der Weltcup mit Ulf Bergqvist ein menschliches Gesicht, einen allzeit verfügbaren Ansprechpartner.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 33/2014)

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