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Max E. Ammann
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Standpunkt

Gonda Betrix und Ina Saalbach

06.07.2021 11:04
von  Max E. Ammann //

Pferdesportfreunde mögen die Namen einmal gehört haben. Die beiden Frauen waren und sind ausserordentlich talentierte Reiterinnen, denen aus politischen Gründen verwehrt blieb, sich international zu profilieren. Wären die beiden in Westeuropa aufgewachsen, so kann man annehmen, hätten sie sich bei grossen Turnieren ganz vorne platziert. Bei den Olympischen Spielen oder bei FEI-Championaten hätten sie Medaillen geholt. Gonda Betrix, geborene Butters, heute 77 Jahre alt, aus Cape Town, Südafrika – Ina Saalbach, verheiratete Müller, heute 60 Jahre alt, aus Löbnitz in der früheren DDR. Gonda Betrix war zehnmal südafrikanische Meisterin im Springen. Ina Saalbach 18 Mal DDR-Meisterin in der Dressur. Getroffen und kennengelernt, so ist anzunehmen, haben sie sich nie.

Gonda Butters

Gonda Butters war ein Opfer der Ächtung Südafrikas als Folge von deren Apartheidpolitik. Dazu kamen europäische Einfuhrsperren für Pferde aus Afrika, als 1966 in Nordafrika die afrikanische Pferdekrankheit ausgebrochen war: Diese ist tödlilch und es gibt kein Mittel dagegen. 1987 brach die Seuche erneut in Spanien aus. So konnte Gonda Betrix von 1959 bis 1992 kein einziges Mal ausserhalb Afrikas wettkampfmässig reiten. Butters kam 1957 als 14-Jährige nach Europa. Mit ihr reisten Tony Lewis, George Myburg und Rory Owen Donnellan. Sie lebten ein Jahr in England – wo Gonda Butters Zweite im britischen Juniorenchampionat wurde. 1958 ritten die vier an der Europameisterschaft der Junioren im Springen in Hannover. Hinter den siegreichen Briten wurden die vier Südafrikaner Zweite. In der Einzelwertung gab es für die 15-jährige Gonda Butters auf Dorskiet ebenfalls Platz zwei. In den Jahren 1964 – 1973 bestritten die Südafrikaner den CSIO in Lourenço Marques, der Hauptstadt von Mosambik, damals noch eine portugiesische Kolonie. Nach der Unabhängigkeit wurde Lourenço Marques in Maputo geändert. In Lourenço Marques, wo die Südafrikaner auf Portugal trafen, siegten sie bei allen zehn Starts. Viermal war Gonda Butters dabei. Von 1979 bis 1996 bestritt Gonda Butters die von der FEI durchgeführten Prüfungen um den «World Challenge», bei denen analoge Hindernis Parcours in allen teilnehmenden Ländern gebaut wurden. In Kategorie A über 1.40 Meter siegte Gonda Betrix viermal: 1987, 1988, 1991 und 1992. 1992 durfte sie endlich wieder nach Europa. In Oberanven in Luxemburg bestritt sie einen Nationenpreis, dann ritt sie, auf einem Leihpferd, an den Olympischen Spielen von 1992 in Barcelona – ein Olympiadebüt mit 49 Jahren! 1994 ritt sie beim CSI-W in Genf und gewann eine Prüfung.

Ina Saalbach

Ina Saalbach war das Opfer der nationalen Sportpolitik der DDR. Nachdem zwischen 1968 und 1972 die DDR Dressur- und Militaryreiter fünf Jahre lang ins westliche Ausland durften (mit zwei Olympiastarts), stellte die oberste Sportbehörde der DDR 1972 die Förderung des Reitsports ein. Das bedeutete keine Reisen in den Westen mehr. Damals war Ina Saalbach zwölf Jahre alt. Ina Saalbach, 17 Jahre jünger als Gonda Betrix und Dressurreiterin, lebt heute als Zahnärztin in Löbnitz, wo sie mit ihrem Ehemann Wolfgang Müller jahrelang das Löbnitzer Reitturnier organisierte. 18 Mal war Ina Saalbach DDR-Meisterin in der Dressur. Sie gewann über 100 Prüfungen und wurde vielfache Sachsenmeisterin. Im Westen ist sie erst nach der Wende 1990 geritten. In den 90er-Jahren heiratete sie Wolfgang Müller, der in den fünf Jahren 1968 bis 1972, als die DDR-Dressurreiter in den Westen durften, mit der Mannschaft 1969 EM-Silber und 1970 WM-Bronze gewann. Bei den beiden Olympiastarts 1968 und 1972 gab es für Müller beide Male den Einzelplatz 16 und mit der Mannschaft Platz vier in Mexiko – Platz fünf in München.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 27/21)

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