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Max E. Ammann
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Standpunkt

Peter Winton und der «KL Grand Prix»

25.08.2020 08:34
von  Max E. Ammann //

Vor einem Jahr starb, nach langer Erkrankung, Peter Winton, geboren in Australien und die letzten 20 Jahre wohnhaft in Kuala Lumpur, Malaysia. Er hatte Krebs und war 76 Jahre alt. Er hatte ein langes Leben im Pferdesport: zuerst als Springreiter, dann als Trainer und zuletzt als Organisator von Fünfsternspringturnieren in Kuala Lumpur, darunter der Weltcupfinal von 2006. 1943 wurde er in Melbourne geboren. Seine Eltern waren aus Ungarn nach Australien eingewandert. Ich erfuhr dies 1983 bei einem Besuch des CSI-W im Wentworth Park in Sydney. Auf der Startliste fiel mir der Name Karina Pavlinovitch auf – inmitten all der englischen Familiennamen. Ich erkundigte mich bei den beiden aus­tralischen Springreitern Peter Winton und George Sanna, wie es damit sei. Ich hatte nie einen nichtenglischen Namen auf einer australischen Startliste gesehen – bis zu dieser hübschen jungen Dame Pavlinovitch aus Perth. Peter und George klärten mich auf. Praktisch jeder Einwanderer aus einem nichtenglisch sprechenden Land nehme bei der Einwanderungsbehörde einen neuen, englisch klingenden Namen an. Er, Peter, stamme aus Ungarn, George aus Polen, und in beiden Fällen hätten ihre Väter bei der Einwanderung den alten Familiennamen abgelegt und Winton respektive Sanna angenommen.

Zahlreiche Stationen

Peter Winton war 1964 als 21-jähriger Reservereiter Australiens bei den OS Tokio. Drei Jahre später kam er mit einer australischen Spring­equipe nach Europa, wo sie in Dublin für Australien den ersten Nationenpreis überhaupt bestritten. 1987 wurde Peter Winton Equipenchef der aus­tralischen Springreiter, die damals von den westaustralischen Unternehmern Alan Bond und Larry Connell finanziell unterstützt wurden und immer wieder bei den Olympischen Spielen, Weltmeis­terschaften oder CSIOs antraten.
1993 kam Winton nach Europa, wo er in den Stall von Paul Schockemöhle stiess. Bis 1999 arbeitete er in Mühlen, trainierte unter anderem die saudi-arabische Springequipe für die OS 1996 in Atlanta. 1999 zog er nach Kuala Lumpur in Malaysia, das damals gewaltige Anstrengungen unternahm, um im internationalen Pferdesport mitzumachen. Der Geschäftsmann Haji Fathil (mit drei reitenden Kindern) organisierte mit interessierten Kreisen aus den Philippinen, Thailand, Indonesien und Singapur eine Südostasien-Weltcupliga. Kuala Lumpur war für den innovativen Trainer und Pferdehändler Winton ein ideales Tätigkeitsgebiet. Bald lernte er die bekannte Fernsehmoderatorin Wan Zaleha Radzi kennen, ihrerseits eine be­geis­terte Dressurreiterin. Bei Asien-Spielen und Südostasien-Spielen hat Zaleha je eine Silber- und Bronzemedaille gewonnen. Pläne für ein internationales Hallenreitturnier wurden geboren und verfolgt: Winton mit seinen pferdesportlichen Kontakten, Zaleha dank ihrer TV-Berühmtheit.
Einer, der sich begeistern liess, war der langjährige Ministerpräsident von Malaysia, Mahathir Mohamad, der dann auch bei fast jedem der vier schliesslich durchgeführten CSIs in der Ehrenloge sass. Nicht zuletzt dank Mahathir konnten Sponsoren gewonnen werden. So Proton, die malaysische Automobilfabrik. Ich erinnere mich, wie nach einer Siegerehrung der Weltcupprüfung Mahathir dem Präsidenten von Proton zurief: «Ich habe es ja gesagt, es lohnt sich, hier dabei zu sein.» 2003 fand der erste CSI-W im Putra-Stadion statt. Reiter und Pferde aus Europa wurden von «Malaysia Airline» eingeflogen. Die Reiter und Offiziellen wurden im Hotel «Palace of the Golden Horses» einquartiert, eines der damals grosszügigsten und schönsten Hotels Asiens. Bis zu den Prüfungen im Stadion blieb jeden Tag genügend Zeit für Besuche in der Stadt: die Petronas Towers, ein grossartiges Museum der islamischer Kunst und, nach offizieller Zählung, 17 Einkaufszentren. Oder das alte Städtchen Malakka mit seinen Tempeln und alten Häusern. Etwas anderes bot ein Besuch in Putrajaya, das 1995 neugebaute Verwaltungszentrum Malaysias. Menschenleere Strassen, totale Sterilität, keine Katzen oder Hunde zu sehen, selbst nicht auf den vielen Grünflächen und bei den künstlichen Seen.

Boom und ein Weltcupfinal

Speziell bei den vier internationalen Anlässen im Putra-Stadion war die Teilnahme der benachbarten Länder. Nach der 1997 erfolgten Gründung der Südostasien-Liga des Weltcups hatte sich ein reger Austausch unter den Philippinen, Singapur, Indonesien, Thailand und Malaysia ergeben. In praktisch allen Ländern gab es Weltcupspringen, wobei die Pferde mit wenigen Ausnahmen geflogen wurden. Bis zum Weltcupfinal 2006 in Kuala Lumpur gewannen die Philippinin Antoinette Levis­te, der Indonesier Endaryanto Bambang und – dreimal – der jüngere Sohn des erwähnten Haji Fathil, Qabil Ambak, die Ligawertung. Dazu gab es vier Siege durch Nicht-Asiaten: einmal gewann die in Indonesien lebende Amerikanerin Julie Hicks, dreimal die in Thailand lebende Schwedin Helena Gabrielsson. Die Letztere qualifizierte sich für den Final 2001 in Göteborg und ritt dort auf Platz 42 – zum Erstaunen der schwedischen Pferdesportbevölkerung. 2004 fand der CSI-W Kuala Lumpur zum zweiten Mal statt. Nach einer Pause folgte im April 2006 der 28. Weltcupfinal. 35 Reiter aus 19 Nationen waren am Start, darunter erstmals eine Philippinin und eine Russin. Es siegte Marcus Ehning auf Sandro Boy vor der Irin Jessica Kürten und Beat Mändli. 2007 kam es zum vierten und letzten CSI-W in Kuala Lumpur. Mit am Start war Markus Fuchs. Mit La Toya gewann er den Grossen Preis – alles in allem siegte er in sechs Prüfungen, auch mit dem Schimmel Sylver. Fuchs war so zufrieden, dass er Winton und Radzi, Urs Schiendorfer mit Yvonne, meine Frau und mich zu einem feinen Nachtessen einlud. Dies war, leider, der letzte CSI-W Kuala Lumpur. Winton und Radzi machten noch ein, zwei weitere Anläufe. Aber nach dem Rücktritt von Mahathir mit schwächeren und fragwürdigen Ministerpräsidenten kamen die nötigen Gelder nicht mehr zusammen. Dann erkrankte Peter Winton und starb 2019.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 34/2020)

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